Männliche Hand öffnet Ofentür im Ausstellungsraum der Küche.
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16.01.2023 Fachinformation

Anti-circumvention: Kontinuierlich verbesserte Prüfnormen stärken Verbraucherschutz

Seit Jahren fördert die EU-Gesetzgebung mit Energielabel- und Ökodesignrichtlinie die Energieeffizienz und den Schutz anderer Ressourcen von Produkten. Angaben zum Stromverbrauch von Haushaltsgeräten geben Verbraucherinnen und Verbrauchern Orientierung und sorgen dafür, dass u. a. Backöfen, Kühl- und Waschgeräte immer energieeffizienter werden.

Für die Überprüfung der Herstellerangaben sind die Marktaufsichtsbehörden der Länder verantwortlich. Beide, Hersteller und Marktaufsichtsbehörden, stützen ihre Messungen auf in Normen spezifizierte Verfahren, die eine Wiederholbarkeit sowie Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherstellen. 

Unter starker Beteiligung von Expertinnen und Experten der DKE stellt das europäische Technische Komitee CLC/TC 59X sicher, dass die normierten Verfahren und Bedingungen kontinuierlich verbessert sowie entlang der technischen Entwicklung angepasst werden.

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Frank Steinmüller
Zuständiges Gremium
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Mögliche Umgehung: Definition Circumvention

EU Kommission: ECO Design Verordnung 2019/2023 Artikel 6: Umgehung

"Der Hersteller, Importeur oder Bevollmächtigte darf keine Produkte in Verkehr bringen, die so gestaltet sind, dass sie erkennen können, dass sie geprüft werden (z. B. durch Erkennung der Prüfbedingungen oder des Prüfzyklus), und dass sie während der Prüfung automatisch durch eine gezielte Änderung ihrer Leistungsmerkmale reagieren, um einen günstigeren Wert in Bezug auf einen der Parameter zu erzielen, die vom Hersteller, Importeur oder Bevollmächtigten in der technischen Dokumentation angegeben oder in den beigefügten Unterlagen enthalten sind."

Auch spezielle Vorgaben in der Gebrauchsanleitung können zu günstigeren Ergebnissen in Bezug auf den Energieverbrauch führen. „Nur wenn die Normen Prüfmethoden beschreiben, die verbrauchernah sind und die eine hohe Reproduzierbarkeit aufweisen, können sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Angaben zum Energieverbrauch und anderer Angaben auf dem Energielabel verlassen und Geräte miteinander vergleichen“, erklärt Karin Both, Geschäftsführerin DIN-Verbraucherrat.

Diesen Spagat zwischen Standardprüfverfahren und Verbraucherrealität gilt es im Auge zu behalten und bestmöglich bei der Entwicklung von Normverfahren zu berücksichtigen.

Durchsetzung der Ökodesign- und Energiekennzeichnungsrichtlinien

Im Gremium CLC/TC 59X (Spiegelgremium: DKE/K 513; Gebrauchstauglichkeit von elektrischen Geräten für den Haushalt und ähnliche Zwecke) engagieren sich Vertreterinnen und Vertreter nationaler Normungsgremien, wie der DKE, entsendet von Herstellern, Prüforganisationen, Behörden und auch Verbraucher- und Umweltorganisationen.

Es gehört zum Grundverständnis des CLC/TC 59X, die Genauigkeit, Reproduzierbarkeit, Wiederholbarkeit, Verbraucherrelevanz und Durchführbarkeit von Prüfverfahren zu optimieren. Diese Verfahren sind die Basis einer effektiven Marktaufsicht der Länder, wodurch eine mögliche Umgehung erschwert wird.

Die EU-Kommission startete im Juni 2018 das Forschungsprojekt ANTICSS (englisch: Anti-Circumvention of Standards for better Market Surveillance). Dessen Mission bestand in der Identifikation von Umgehungstatbeständen, der Ausarbeitung von Strategien und Leitlinien für die Marktaufsicht, die Gesetzgeber (EU-Kommission) sowie für Expertinnen und Experten in der Normung, um schon bei der Entwicklung der Prüfverfahren sensibilisiert zu sein, Schlupflöcher und Graubereiche besser zu erkennen.

Zunächst testeten die durch das ANITCCS-Projekt beauftragten Labore verschiedene Produktmodelle. Bei sechs Modellen fanden sie Hinweise auf mögliche Umgehungen von gesetzlichen Vorgaben. Unter den standardisierten Laborbedingungen zeigten die Geräte die deklarierten Messwerte. Berücksichtigten die Labore weitere von ihnen als verbraucherrelevant eingeschätzte Parameter, benötigten einige Geräte plötzlich mehr Strom. Besonders signifikant waren die Abweichungen bei den Tests mit einer Waschmaschine.

Waschmaschine mit höherem Energieverbrauch bei geringerer Beladung

Nach der harmonisierten Norm EN 60456:2016 müssen die Labore Prüfungen mit voller Beladung bei 60 °C und mit halber Beladung bei 40 °C und 60 °C durchführen.

Das ANTICSS-Konsortium ist folgender Frage nachgegangen: Werden Waschmaschinen so optimiert, dass sie genau bei den beiden in der harmonisierten Norm festgelegten Prüfpunkten (Voll- und Halbbeladung) günstige Ergebnisse für den Energie- und Wasserverbrauch liefern, während die Verbrauchswerte mit anderen Beladungsmengen einem anderen Muster folgen?

Das ANTICSS-Konsortium beschloss, weitere Tests mit anderen Beladungsmengen durchzuführen. Bei einem Waschmaschinenmodell wurden in den Tests mit anderen Beladungsmengen höhere Energieverbräuche ermittelt. Es stellt sich die Frage, ob niedrigere Energieverbrauchswerte, ermittelt bei den definierten Prüfpunkten, auch im realen Gebrauch eintreten. Diese Frage wurde nicht abschließend beantwortet.


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CLC/TC 59X optimiert die Normen für Wäschepflegegeräte

„Die Normungsgremien bei DKE, CENELEC und IEC verbessern und erweitern kontinuierlich die Prüfnormen für die Wäschepflegegeräte, um die Verbraucherrelevanz zu erhöhen“, berichtet Luise Christmann. Sie ist Officer Energy and Perfomance bei der Miele & Cie. KG sowie Vorsitzende im Gremium DKE/UK 513.1 (Wäschepflegegeräte). Zudem engagiert sie sich als Secretary im TC 59 der IEC und hat an den aktuellen Normen für Wäschepflegegeräten mitgearbeitet.

Mittlerweile wurde die Waschmaschinennorm EN 60456 aktualisiert und erweitert und eine neue Norm für Waschtrockner EN 62512 auf der Grundlage der internationalen Norm IEC 62512 erarbeitet. Luise Christmann freut sich: „Für zwei zusätzliche verbraucherrelevante Kriterien, die Spülleistung und die tatsächliche Waschtemperatur, wurden neue Testmethoden entwickelt und als technische Spezifikationen veröffentlicht. In den internationalen IEC-Arbeitsgruppen wird zurzeit ein „Verfahren zur Messung der mikrobiologischen Wirksamkeit“ der Waschmaschine erarbeitet. Im Hinblick auf die zunehmend genutzten niedrigen Waschtemperaturen ein sehr verbraucherrelevantes Thema.“

CLC/TC 59X optimiert die Normen für Kochgeräte

„Auch bei Kochgeräten hat sich in den letzten zwei Jahren in der Normungsarbeit viel bewegt“, berichtet Susanne Stolz, Senior Expert Standardization & Regulation bei der BSH Hausgeräte GmbH. Seit 1992 arbeitet sie in Normungsgremien der DKE mit. Sie ist Vorsitzende des DKE Gremiums K 513 (Hausgeräte, Gebrauchseigenschaften) sowie des UK 513.2 (Herde, Mikrowellengeräte und Dunstabzugshauben). Auf internationaler Ebene engagiert sie sich bei CENELEC als Secretary des Technical Committee 59X.

„Bei der Entwicklung von Normen war und ist es grundsätzlich das Ziel von CLC/TC 59X, Prüfverfahren zu spezifizieren, die den Erfahrungen und Erlebnissen möglichst nahekommen, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Produkt in ihrem täglichen Leben haben.“ Aktuell arbeitet Susanne Stolz mit an der Weiterentwicklung von Prüfmethoden für Backöfen und Dunstabsauger, um einen für einen europäischen Haushalt möglichst repräsentativen Energieverbrauch deklarieren zu können.

Für Dunstabsauger wurden beispielsweise die Messpunkte in der Produktnorm EN IEC 61591 überarbeitet, um die Effizienz nicht nur an einem theoretischen Arbeitspunkt zu messen. Für Backöfen wird an exakteren Vorgaben für die Bestimmung des Backofenvolumens gearbeitet. Mit einer europäischen Arbeitsgruppe arbeitet sie an einer neuen Methode für eine Bewertung des Zusammenspiels von Kochgeschirr und Induktionskochfeld. „Durch diese neuen sowie optimierten Verfahren stellen wir eine hohe Verbraucherrelevanz der Messergebnisse sicher und ermöglichen eine Vergleichbarkeit verschiedener Modelle hinsichtlich verbraucherrelevanter Kriterien“, erklärt Susanne Stolz ihre Arbeit, von der die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig profitieren werden.

Fazit: Überprüfung von Normen ist ein kontinuierlicher Prozess

Für die bei CLC/TC 59X zur Routine gehörende jährliche Überprüfung der Normungsarbeiten auf Verbraucherrelevanz hat das Gremium einen Leitfaden entwickelt. Mit Hilfe dieses Leitfadens kann ein Prüfverfahren mit der Verbraucherrealität transparent verglichen und Schwachstellen identifiziert werden.

CLC/TC 59X mit seinen 22 produktspezifischen Arbeitsgruppen schafft mit seinen Normen eine Basis für die wirksame Durchsetzung der EU-Gesetzgebung und erhöht so die Akzeptanz und das Vertrauen in die Ökodesignrichtlinie und Energiekennzeichnungsverordnung.

„Aus der Arbeit von CLC/TC 59X wird deutlich, dass die Optimierung und Weiterentwicklung der Normen ein kontinuierlicher Prozess ist, der den „State of the Art“ berücksichtigen muss“, resümiert Susanne Stolz.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

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