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23.03.2022 Kurzinformation

Wertströme, Lieferengpässe, Langzeitlagerung – Herausforderungen und Anforderungen im Obsoleszenzmanagement

Lieferengpässe aufgrund der Corona Pandemie stellen Unternehmen vor anhaltende Herausforderungen. Doch nicht nur die aktuelle Situation führt zur Notwendigkeit, Wertströme sowie Angebot und Nachfrage als beispielsweise EMS-Dienstleiser genau zu beobachten. In regelmäßigen Zyklen treten kurzzeitige Obsoleszenzen auf, die keinesfalls mit „geplanter Obsoleszenz" gleichzusetzen sind.

Stefanie Kölbl spricht im Interview über den eigentlichen Zweck des Obsoleszenzmanagements sowie die Herausforderungen und Anforderungen, die damit einhergehen, um die Verfügbarkeit von Produkten langfristig zu gewährleisten. Ein wesentlicher Treiber: Den Kunden einbeziehen.

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Interview mit Stefanie Kölbl

DKE: Zunächst einmal zur Begrifflichkeit: Wissen Kunden den Begriff Obsoleszenz richtig einzusortieren, wenn Sie sich ihnen vorstellen? Oder besteht Verwechslungsgefahr mit der „geplanten Obsoleszenz“?

Kölbl: Der Begriff „geplante Obsoleszenz“ ist den meisten aus dem privaten Umfeld eher bekannt. Es kommt häufig vor, dass viele nichts mit dem eigentlichen Inhalt meiner Arbeit anfangen können, wenn ich mich Ihnen vorstelle.

Drucker oder die klassische Zahnbürste werden als Beispiel immer wieder hervorgezogen. Sie haben in den Medien bereits für viel Wirbel gesorgt. Viele glauben, dass wir mit unserer Arbeit im Obsoleszenzmanagement den „geplanten“ Stellen, die in Geräten eingebaut werden, entgegenwirken. Aber so ist es nicht.


Grader – alt und neu

Grader – alt und neu

| Holger Lange

Obsoleszenzmanagement: Kurze Produktzyklen und lange Betriebszeiten – ein Widerspruch?

Obsoleszenz beschreibt die dauerhafte Nichtverfügbarkeit von Produkten und tritt auf, wenn zum Beispiel die Produktion eines Elektronikbauteils eingestellt wird. Obsoleszenzmanagement setzt hier an und verfolgt das Ziel, diesem Prozess entgegenzuwirken. Mit IEC 62402 liegt bereits eine internationale Norm vor, die Anforderungen an das Obsoleszenzmanagement beschreibt.

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DKE: Erläutern Sie doch kurz am Beispiel von TQ, was ein EMS Dienstleister genau ist.

Kölbl: Der größte Geschäftsbereich der TQ-Gruppe ist der E²MS Bereich. Das heißt: Auftragsfertigung, die klassische Platinen Bestückung plus Ergänzung um Entwicklungsdienstleistungen.

Der Kunde entwickelt sein Produkt, auch in Zusammenarbeit mit TQ, und TQ kümmert sich dann um die Beschaffung, Umsetzung, Fertigung, Montage und teilweise auch um die Lieferung zum Endkunden – quasi den kompletten Wertstrom. Kombiniert ist das mit Elektronikbauteilen, Elektromechanik und reiner Mechanik. Hier haben wir überall die passenden Entwicklungskollegen mit an Bord. Ergänzt wird diese klassische Auftragsfertigung um TQ Eigenprodukte.

Der älteste Geschäftsbereich ist TQ Embedded. Hier werden alle Embedded Lösungen vom klassischen Modul als Herzstück, wo letztendlich der Prozessor draufsitzt, über kundenspezifische Carrier Board-Entwicklungen bis zum fertigen Box-PC angeboten.

Wir haben auch eigene E-Motoren bei uns im Portfolio, die zum Beispiel bei großen Fahrradherstellern ihren Einsatz finden. Wer gerne auf einem E-Bike unterwegs ist, der kommt nicht mehr an TQ vorbei.

Auch zuhause, in der Gebäudeautomatisierung, haben wir eigene Lösungen fürs Gebäudemanagement. Wir wollen dieses Gesamtpaket bieten: Kundenentwicklung plus die einzelnen Bausteine, die das Produkt noch intelligenter und noch einfacher für den Kunden gestalten. Wir haben ein sehr breites Portfolio.

Genormte Langzeitlagerung für eine langjährige Verfügbarkeit von Produkten

DKE: Sie zielen darauf ab, Ihre Embedded Produkte mindestens 15 Jahre verfügbar zu machen. Ist dann auch die Langzeitlagerung von elektronischen Bauteilen für Sie ein Thema?

Kölbl: Ja, wir haben an zwei Standorten die entsprechenden Möglichkeiten geschaffen.

Anfangs gilt es, die Bauteile einzulagern und regelmäßig zu testen, ob die Lötbarkeit und die Funktionalität noch gewährleistet sind. Manche Bauteile müssen regelmäßig bestromt werden, damit die Haltbarkeit oder die Funktionalität aufrechterhalten werden kann. Danach werden die fertig bestückten Baugruppen eingelagert.

DKE: Haben Sie sich hierfür an dem Normenwerk orientiert?

Kölbl: Ja. Wir haben die Schränke selbst entwickelt und gebaut, um die atmosphärischen Anforderungen, die wir erfüllen müssen, zu berücksichtigen und uns dabei an den gängigen Leitwerken orientiert. Da gibt es relativ viel. In der Militärtechnik gibt es beispielsweise einiges an Werken aus den USA und UK, um zusätzlichen Input zu gewinnen.

Wir haben uns über einige Jahre die Best Practices, die für uns die passende Kombination liefern, abgeleitet und damit die Qualitätssicherung entsprechend sichergestellt.

Lieferengpässe, schlechte Qualität & Co. – Zusammenarbeit als Lösung für die Risikominimierung

DKE: Bei einer so breiten Produktpalette wie der der TQ-Gruppe ist auch das Thema Allokation von Bedeutung. Es handelt sich hierbei zwar nicht direkt um Obsoleszenz, die Effekte sind aber ähnlich, wenn ein Bauteil plötzlich nicht mehr verfügbar ist, weil zum Beispiel die Lieferkette zusammengebrochen ist. Sind Lieferengpässe bei Ihnen auch ein Problem?

Kölbl: Ich glaube, dieses Problem hat momentan jeder in der Elektronikindustrie. Das ist die klassische, kurzzeitige Obsoleszenz. Das Produkt gibt es zwar weiterhin auf dem Markt, aber die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot.

Wenn wir uns die aktuellen Lieferzeiten anschauen, dann sind sie im aktiven Bereich relativ schnell über den 52 Wochen, im passiven Bereich sogar über den 100 Wochen Lieferzeit. Auch wenn eine gute Vorplanung besteht, gibt es inzwischen wohl niemanden mehr, der nicht von der Allokation betroffen ist.

DKE: Kam das für Sie plötzlich oder konnten Sie sich durch Warnzeichen darauf einstellen?

Kölbl: Es gab schon Warnzeichen. Bereits 2020 hat man gemerkt, dass die Lieferzeiten Stück für Stück anstiegen. Damals sind auch die Preise relativ zügig nach oben gegangen. Dieser klassische Bullwhip Effect ist bekannt: alle drei bis vier Jahre gibt es die klassische Allokation. Daher war es zu erwarten.

Auch in der Zeit, in der Corona im Sommer beziehungsweise Herbst 2020 zwischenzeitlich etwas zurückgegangen war, wurden wieder deutlich mehr Nachfragen generiert, um die ersten Monate aufzuholen. Dass sich diese Phase so lange ziehen würde, hat aber wohl niemand erwartet. Normalerweise war es innerhalb weniger Monate überstanden. Jetzt hat es sich aber über die letzten eineinhalb Jahre immer mehr aufgebaut. Damit hat in dem Umfang niemand gerechnet.

DKE: Wie hat Ihr Management auf die Warnzeichen für Lieferengpässe reagiert?

Kölbl: Wir haben so schnell wie es ging die Kunden mit ins Boot genommen. Das heißt, wir sind direkt auf die Hersteller zugegangen und haben einen sehr engen Kontakt aufgebaut, um die Informationen aus erster Hand zu erhalten. Da ist wenig Zeit vergangen.

Die Vorplanungszeiten wurden so lang wie möglich gesetzt. Wenn es Kunden gewohnt waren maximal sechs Monate im Vorhinein zu disponieren, sind wir schnell auf ein Jahr gegangen. Inzwischen sind es gut 18 Monate, die man vordisponieren muss, um eine gute Chance zu haben, dass das Material zur richtigen Zeit an Ort und Stelle ist.


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DKE: Ist es schon dazu gekommen, dass Sie in der Beschaffung gewohnte Beschaffungsrouten verlassen mussten, um gegebenenfalls Quellen zu nutzen, die Sie vorher nicht genutzt haben?

Kölbl: Ja, das gab es auch, wobei hier immer Vorsicht geboten ist. Gerade bei Zukäufen ist das Risiko leider relativ hoch, dass man auch mal schlechte Ware erwischt. Das rächt sich im Nachhinein.

Wir haben versucht, viel über die Kollegen in China zu kompensieren. Sie haben für uns ihre klassischen Distributionswege auf dem asiatischen Markt, die den Europäern an vielen Stellen verwehrt bleiben, mit einbezogen. So konnten wir das Material über die Kollegen von China nach Deutschland holen.

Der ein oder andere Broker wurde aber natürlich auch qualifiziert. Und was wir wirklich feststellen müssen, ist: In vielen Fällen muss inzwischen der Kunde mit ins Boot geholt werden. Gerade bei den namhaften Großkonzernen oder namhaften Medizintechnik-Kunden hat es gut funktioniert, sie bei den Herstellerterminen hinzuziehen, da der Name zusätzlichen Druck aufbaut. Auf diese Weise sind Zuteilungen direkt über die Hersteller passiert.

Das und das Kommunikationsverhalten haben sich verändert. Wie früher den Kunden fast vollständig außenvorzulassen, weil es letztendlich die Aufgabe des Dienstleisters ist, geht in vielen Fällen nicht mehr. Inzwischen braucht es alle Beteiligten an einem Tisch, um nach den passenden Lösungen zu suchen.

Testprozesse, Normen und Standards – bei Zukäufen muss das Gesamtpaket stimmen.

DKE: Sie haben die zusätzlichen Broker oder auch „freien Elektronik-Händler“ qualifiziert. Haben Sie dafür externe Normen und Leitlinien oder eigene, TQ interne Richtlinien verwendet?

Kölbl: Beides. Wir haben unseren klassischen TQ-Prozess und Qualifizierungskriterien, die erfüllt werden müssen. Gerade auch das Haftungsthema ist bei Broker-Zukäufen natürlich immer präsent und muss entsprechend geregelt werden.

Die klassischen DIN-Normen sind aber natürlich auch wichtig. Wir sind nach Medizintechnik, nach Luftfahrtnorm und QM qualifiziert. Dementsprechend erwarten wir auch von unseren Partnern, dass sie die entsprechenden Qualifizierungen aufweisen. Das ist uns wichtig.

DKE: Gibt es denn bei den Normen, die Sie verwenden, Ihrer Meinung nach noch Schwächen?

Kölbl: Es ist immer schwierig. Bei den Brokern im europäischen Bereich ist alles ein bisschen besser vergleichbar. Die USA oder der asiatische Markt ist aber noch meilenweit von unseren Anforderungen entfernt. Da gilt es dann schon sehr genau hinzuschauen, ins Audit mit dem Broker zu gehen und sich alles vor Ort anzuschauen. Auf Aussagen, dass gemäß der europäischen oder deutschen Norm gehandelt wird, ist nicht mehr wirklich Verlass.

Wir haben bereits festgestellt: Nur DIN EN ISO 9001 ist zum Beispiel nicht der Heilsbringer. Das Gesamtpaket muss stimmen und da gilt es genauer hinzusehen und auch auf die besonderen Normen und die speziellen Testnormen zu achten. Viele Broker haben beispielsweise einen etablierten Testprozess, durch den ein Kunde einen ordentlichen Testbericht bekommt. Darauf haben wir vermehrt Wert gelegt.

DKE: Das heißt, Sie haben geschaut, welche speziellen Normen es dafür gibt?

Kölbl: Genau. Und das immer je nach Kunde – ob Medizintechnik-Kunde, ob Luftfahrt-Kunde. Dann haben wird den entsprechend passenden Broker hinzugezogen.

DKE: Ist die IEC Norm 62402 für Obsoleszenzmanagement für Sie denn auch relevant?

Kölbl: Ja, wir haben all unsere Prozesse daran angelehnt. Sie gibt für viele Teilbereiche erste gute Indikatoren. Sie ist zwar relativ allgemein gehalten und für die Prozesse teilweise noch zu grob, aber wir haben unsere Prozesse an die dort aufgeführten Anforderungen angelehnt. Letztendlich handelt es sich hier um die Kern-Norm im DACH-Bereich (Deutschland, Österreich & Schweiz).

DKE: Nutzen Sie die Norm freiwillig, weil sie Ihrem Unternehmen nutzt, oder war das auch eine Forderung, die von Kunden an Sie herangetragen wurde?

Kölbl: Wir haben die Norm freiwillig umgesetzt und würden uns auch wünschen, sie irgendwann nachzuqualifizieren. Bei vielen Kunden ist sie zwar nicht bekannt, sie gibt uns aber Sicherheit, weil sie eine gewisse Struktur vorgibt und als Leitlinie genutzt werden kann. So wissen wir ungefähr, was die Mindestanforderungen sind, was definitiv vorhanden sein muss und wie wir unser IT-System anpassen müssen, damit wir alles richtig abbilden können.


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Bedeutung der Normung: Nutzen und Vorteile

Normen sind von erheblichem Nutzen – das gilt national, europäisch und international. Für Verbraucher und Anwender genauso wie für Wirtschaft, Wissenschaft und Staat. Normen und Standards sorgen für Sicherheit und ebnen den Weg für innovative Technologien.

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Normungsarbeit identifiziert Handlungsbedarfe und sorgt für ein gemeinsames Verständnis

DKE: Wäre die Zertifizierung der Norm IEC 62402 für Sie ein Grund, sich in der Normungsarbeit zu engagieren?

Kölbl: Ja, die Beteiligung ist extrem wichtig. Sei es Normungsarbeit oder auch Vereinsarbeit. Wir haben uns damals auch bei der Überarbeitung der 62402 mit eingebracht.

Es wird schnell geschimpft, wenn am Ende ein theoretisch gut formuliertes Schriftstück steht, das aber vom klassischen Arbeitsalltag weit entfernt ist. Sind die Probleme aus dem Alltag bekannt, ist es daher gut, selbst gezielt an der Formulierung und Gestaltung mitzuarbeiten. Wir aus der Praxis können am besten einschätzen, was im Alltag wirklich weiterhelfen würde und wie es aufgesetzt sein muss, damit es für unterschiedliche Branchen Vorteile bringt.

Das ist glaube ich auch die Herausforderung. Die Diskussion mit anderen Branchen und Bereichen wie der Distribution, die einen anderen Sichtwinkel eingenommen haben. Die EMS Leute, der OEM, die Distribution – es braucht alle an einem Tisch.

Der Austausch ist sehr wichtig und nur wenn alle mit ins Boot genommen und alle Punkte zusammengetragen werden, kann etwas Gutes für die Praxis und das Passende für alle Branchen und alle Stufen der Wertschöpfungskette generiert werden. Aus diesem Grund müssen alle Zeit investieren, auch wenn es manchmal nicht so einfach ist.

Genormte Begrifflichkeiten und deren stringentere Verwendung sind der Schlüssel

DKE: Hätten Sie für dieses Themengebiet einen Wunsch für die Zukunft? Was sollte sich noch verändern, damit es leichter würde?

Kölbl: Momentan kämpfen wir alle damit, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht. Wir brauchen einen Katalog, der vorgibt, was die Mindestanforderungen sind, damit ein Unternehmen reaktives, proaktives oder strategisches Obsoleszenzmanagement ausweisen darf. Noch ist die Begrifflichkeit sehr weich.

Viele schreiben groß auf die Homepage, dass sie aktiv Obsoleszenzmanagement betreiben. Bei genauerem Nachfragen steht dann aber häufig gerade einmal EOL (End Of Life notification) und PCN (Product Change Notification) dahinter, also die reine Informationspflicht für den Kunden.

Hier fehlt noch die Struktur. Jeder macht so gut er kann, aber die Struktur dahinter und diese Mindestanforderungen sind nicht wirklich definiert.

DKE: Das heißt, Sie würden sich wünschen, dass die Begriffe, die in der Norm definiert sind, stringenter von allen verwendet würden?

Kölbl: Genau. Damit ein Unternehmen, das zum Beispiel reaktives Obsoleszenzmanagement betreibt, genau weiß, was mindestens enthalten sein muss, damit eine gewisse Qualitätssicherung dahintersteht. Die Begrifflichkeiten sind alle schön, um sie in Broschüren aufzuführen. Aber der Kunde soll direkt sehen, was er bekommt und erwarten kann.

DKE: Es gibt reaktives, proaktives und strategisches Obsoleszenzmanagement. Kann es sein, dass, obwohl reaktives Obsoleszenzmanagement ein sehr wichtiger Bestandteil ist, viele davor zurückschrecken, den Begriff zu verwenden, weil „proaktiv“ viel besser klingt?

Kölbl: Ja, das ist die Einstiegshürde beziehungsweise die Einstiegstufe für das Obsoleszenzmanagement. Der Begriff „reaktiv“ ist im ersten Moment für viele abschreckend, da man beispielsweise hinsichtlich der Langzeitverfügbarkeit nicht nur reagieren will. Das klingt immer nach Feuer-Löschaktion, die dann mit hohen Kosten verbunden ist.

Vielmehr ist ein geplanter Prozess gewünscht, bei dem genau ersichtlich wird, welche Kosten im Laufe des Lebenszyklus ungefähr anfallen und von Anfang an in die Produktpreise mit eingerechnet werden müssen und wie die erforderliche Lebensdauer über die Zeit aufrechterhalten werden kann. Proaktives, strategisches oder aktives Obsoleszenzmanagement klingt in dieser Hinsicht viel positiver.

Ich glaube daher, dass es helfen würde, die Begriffe nach der Norm zu qualifizieren. Dann ist klar, was geleistet werden muss, damit die jeweilige Begrifflichkeit für das eigene Unternehmen genutzt werden kann.

DKE: Würde sich die TQ Group, wenn möglich, danach qualifizieren?

Kölbl: Ja, auf jeden Fall. Wir sind in den klassischen Branchen unterwegs, in denen mindestens 10 bis 15 Jahre Ersatzteilbedarf einkalkuliert werden muss. In der Luftfahrt sind es sogar schnell 30 bis 40 Jahre. Das sowie Medizintechnik sind unsere Hauptzielgruppen, weshalb die Qualifizierung auf jeden Fall ein großer Pluspunkt wäre.

Obsoleszenzmanagement und Nachhaltigkeit

DKE: In den neuen Anforderungen der Ökodesign-Richtlinie der EU wird gefordert, dass Geräte reparierbar sein sollen und die Versorgung mit Ersatzteilen auch über einen längeren Zeitraum sichergestellt werden muss. Sind Sie mit den Anforderungen, die aus der Ökodesign Richtlinie hervorgegangen sind, zufrieden?

Kölbl: Generell ist der Gedanke gut, dass etwas fixiert wird. Jedoch sind die Anforderungen oft nur dann gültig, wenn gewisse Kriterien wie beispielsweise ein Mindestverkaufsvolumen von 200.000 Produkten von der jeweiligen Kategorie erfüllt sind.1 Das ist meines Erachtens noch eine Schwachstelle.

Gerade im europäischen Bereich sind wir besonders stark im Industriefeld unterwegs. Hier befinden wir uns im Low Volume Bereich. Ich bezweifle, dass wir da an vielen Stellen diese Mengengrenze überschreiten werden.

Inwiefern die Anforderungen mit den bestehenden Normen beispielsweise gerade im Luftfahrtbereich vereinbart werden können, gilt es auch immer zu prüfen.

Die großen Luftfahrt Hersteller haben viele eigene Anforderungen, die entsprechend mit ins Rennen geworfen werden. Diese unterscheiden sich natürlich von denen eines Waschmaschinen-Herstellers. Die Komplexitätsniveaus sind unterschiedlich und müssen in Einklang gebracht werden.


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Ökodesign-Richtlinie: mehr Ressourceneffizienz und ein Recht auf Reparatur

Das bunte Label mit den Energieeffizienzklassen für Elektrogeräte wird von Verbraucher*innen leicht verstanden. Seit 2005 sorgt eine EU-Rahmenrichtlinie, die vielen als Ökodesign-Richtlinie geläufig ist, systematisch für die Erhöhung von Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit. Sie legt die Grundlage für zahlreiche Durchführungsverordnungen.

Zur Fachinformation

Personelle Anforderungen für effizientes Obsoleszenzmanagement

DKE: Was befähigt dazu, Obsoleszenzmanagement zu leiten und voranzubringen?

Kölbl: Es ist wichtig für das Thema echte Begeisterung zu haben, weil es nichts Alltägliches und nicht der klassische Beruf ist, den es innerhalb der Elektronik gibt.

Die Kombination aus Elektronikwissen, Fachwissen auf Bauteilebene und der Bezug zu den Management-Aspekten ist eigentlich das, was mich am meisten interessiert und was mir am meisten Spaß macht. Denn letztlich muss die Wirtschaftlichkeit immer mitberücksichtigt werden. Eine rein technisch saubere Lösung, die ganz lange verfügbar ist, ist in vielen Fällen mit der Wirtschaftlichkeit nicht vereinbar.

An vielen Stellen fehlt noch das Bewusstsein für die Thematik, obwohl mit relativ einfachen Maßnahmen, wenn man die konsequent umsetzt, viel realisiert werden kann. Das hat mich von Anfang an begeistert – schon zu Studentenzeiten.

DKE: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kölbl!

Wir bedanken uns für dieses Interview bei

Stefanie Kölbl - Portrait

Stefanie Kölbl

Obsoleszenzmanagement und Geschäftsbereichsleitung für TQ Embedded, TQ-Systems GmbH

Stefanie Kölbl ist seit rund zehn Jahren für die TQ-Systems GmbH tätig, die mit 1800 Mitarbeitern inzwischen sehr groß und in unterschiedliche Geschäftsbereiche aufgegliedert ist.

Stefanie Kölbl - Portrait

Obsoleszenzmanagement und Geschäftsbereichsleitung für TQ Embedded, TQ-Systems GmbH

Stefanie Kölbl ist seit rund zehn Jahren für die TQ-Systems GmbH tätig, die mit 1800 Mitarbeitern inzwischen sehr groß und in unterschiedliche Geschäftsbereiche aufgegliedert ist.

Das Unternehmen deckt sämtliche Schritte von der Bauteilanlage und die Pflege über den gesamten Lebenszyklus bis zur Abkündigung ab.

Seit ca. 8 Jahren ist Stefanie Kölbl im Oboleszenzmanagement der TQ-Gruppe, wodurch sie viel zur Aufbauarbeit des Themas beigetragen hat.

Sie ist für die Langzeitverfügbarkeit der Eigenprodukte der TQ-Gruppe sowie für die klassischen EMS (Electronics Manufacturing Services) Themen wie Kundenauftragsfertigungen verantwortlich. Zusätzlich ist sie Geschäftsbereichsleitung für TQ Embedded, wodurch eine erneute Verknüpfung zwischen Elektronik und Obsoleszenzmanagement vorliegt.

1 nach Artikel 15 der Ökodesignrichtlinie wird ein Produkt (zum Beispiel Flachbildfernseher oder Waschmaschinen) von einer Durchführungsmaßnahme oder einer Selbstregulierungsmaßnahme erfasst, wenn es die folgenden Kriterien erfüllt:

  1. Das Verkaufs- und Handelsvolumen des Produkts erheblich ist; als Richtwert dient dabei eine Anzahl von mehr als 200 000 Stück;
  2. das Produkt muss angesichts der in Verkehr gebrachten und/oder in Betrieb genommenen Mengen eine erhebliche Umweltauswirkung haben und
  3. das Produkt muss ein erhebliches Potenzial für eine Verbesserung seiner Umweltverträglichkeit ohne übermäßig hohe Kosten bieten.

Dieser Artikel ist Teil unserer Interview-Reihe


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