Lithium-Ionen-Batterien deaktivieren und recyceln

Lithium-Ionen-Batterien deaktivieren und recyceln

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13.10.2025 Fachinformation

Lithium-Ionen-Batterien deaktivieren und recyceln

Lithium-Ionen-Batterien sind überall – in Smartphones und Laptops, in Solaranlagen und E-Autos. Die Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe steht allerdings immer wieder in der Diskussion, ebenso wie die Abbaubedingungen. Somit gewinnt das Recycling an Bedeutung, doch um Transport, Lagerung und stoffliche Verwertung alter Batterien sicher zu gestalten, müssen sie vorher deaktiviert werden. Mit der VDE V 0510-500 geht Anfang November eine Vornorm in die Kommentierungsphase, die sich genau damit beschäftigt.

Dr.-Ing. Mathias Nippraschk von BLC – The Battery Lifecycle Company GmbH berichtet im Interview, welche Bedeutung die sachgemäße Vorbereitung der Batterien für den gesamten Prozess hat und warum eine deutsche Vornorm schon in der Kommentierungsphase international große Wellen schlägt.

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Dr. Mahdad Mohammadi
Zuständiges Gremium
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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Mit recycelten Rohstoffen wettbewerbsfähig werden
  • Qualität durch Refining und Anteil primärer Rohstoffe sicherstellen
  • Landläufiger Irrtum: Tiefentladen ist nicht gleich Deaktivieren

Einen rohstoffarmen Kontinent unabhängiger machen

DKE: Herr Nippraschk, Sie beschäftigen sich seit sechs Jahren beruflich mit der Kreislaufwirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien und sind dazu auch in verschiedenen Normungsgremien aktiv. Was macht das Thema aus Ihrer Sicht so wichtig?

Nippraschk: Ich widme mich dem Thema in der Tat seit meiner Promotion zur Advanced Circular Economy für Lithium-Ionen-Batterien an der Technischen Universität Clausthal. Vor zweieinhalb Jahren bin ich bei BLC – The Battery Lifecycle Company GmbH eingestiegen, ein Joint Venture von Rhenus Automotive und TSR Group, die sich mit dem kompletten Prozess des Batterie-Recyclings beschäftigt.

Aus meiner Sicht wird allein an regulatorischen Neuerungen wie dem Critical Raw Material Act oder der Batterieverordnung (Battery Directive) der Europäischen Union sichtbar, dass das Thema immer mehr an Bedeutung gewinnt. In diesem Rahmen werden bereits Reyzklateinsatzquoten für kritische Rohstoffe eingeführt. Fakt ist: Ein rohstoffarmer Kontinent wie Europa kann sich über die stoffliche Verwertung von alten Batterien unabhängiger machen.

Ich bin mir daher sicher, dass die Kreislaufwirtschaft der richtige Weg für die Zukunft ist – auch wenn sie im Vergleich zum linearen Ansatz derzeit noch nicht die gleiche Sichtbarkeit und Wahrnehmung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfährt.

Mit recycelten Rohstoffen wettbewerbsfähig werden

DKE: Die Lithium-Ionen-Technologie ist eine sehr häufig verwendete Speichertechnologie. Welches Potenzial sehen Sie darin, die enthaltenen Rohstoffe zu recyclen – geht es dabei nur um die Vermeidung von Abhängigkeiten und Verschwendung, oder ist das auch ein interessantes Geschäftsfeld?

Nippraschk: Selbstverständlich muss die stoffliche Verwertung am Ende lukrativ sein, das ist nicht nur etwas für den ESG-Report. Aus meiner Sicht werden künftig recycelte Rohstoffe kompetitiv sein zu primären Rohstoffen, deren Preisentwicklung sehr volatil ist. Daher bewegt sich in diesem Bereich viel, wir sehen Venture Capital, Startups, aber auch große Unternehmen, die in Batterierecycling investieren.

Derzeit übersteigt allerdings die Kapazität, die die Branche in der stofflichen Verwertung aufgebaut hat, die Recyclingmengen. Wir sollten dennoch weiter Kapazitäten schaffen, denn der Aufbau entsprechender Anlagen dauert seine Zeit und die Recyclingmengen werden stetig steigen: Es ist zu erwarten, dass die die Mengen in den kommenden drei bis vier Jahren kontinuierlich steigen werden.

Qualität durch Refining und Anteil primärer Rohstoffe sicherstellen

DKE: Sind denn die Verfahren schon so weit, dass die recycelten Rohstoffe direkt für Batterien eingesetzt werden können?

Nippraschk: Wir haben es mit einem bunten Strauß unterschiedlicher Speicher aus verschiedenen Anwendungen in sehr unterschiedlichen Zuständen zu tun und möchten Lithium, Kobalt und Nickel herausziehen. Bei dieser stofflichen Verwertung handelt es sich um einen sehr komplexen Prozess, aber es funktioniert zum Beispiel mechanisch oder pyrometallurgisch bereits sehr gut.

Was wir zusätzlich aufbauen müssen, sind Kapazitäten für das sogenannte Refining, also das Aufreinigen der Rohstoffe, damit sie für Batterien eingesetzt werden können. Die europäische Forschungsgemeinschaft arbeitet intensiv an diesem Thema, in Ländern wie China gibt es bereits erste Anlagen dafür, was zeigt, dass die Umsetzung möglich ist. In der Batterieherstellung wird dann ein bestimmter Anteil primärer Rohstoffe beigemengt, um die gewünschte Qualität sicherzustellen, ähnlich wie beim Kunststoff.

Lebensphasen der Batterie korrekt bestimmen

DKE: Derzeit wird die VDE V 0510-100, die sich mit Vorgaben zur Umwidmung von E-Auto-Batterien in stationäre Energiespeicher befasst, bereits auf europäischer Ebene diskutiert. Auch Sie beschäftigen sich im Rahmen des Forschungsprojekts Re-Use der Bergischen Universität Wuppertal mit diesem Thema. Wo sind denn die Grenzen zwischen den verschiedenen Lebensphasen einer Batterie zu ziehen?

Nippraschk: Im Rahmen des Re-Use-Projekts beschäftigen wir uns bei BLC exakt mit der Suche nach standardisierten Detektionsverfahren für diese Fragen: Wann sind Batterien in einem Zustand, in dem sie noch repariert werden und im Fahrzeug verbleiben können? Wann ist ein Einsatz als Heimspeicher möglich, und wann ist die stoffliche Verwertung sinnvoll? Wir betrachten dabei Parameter wie Alter, State of Health (engl. Zustand, Anm. d. Red.), Historie oder Zellchemie, um eine verbindliche, überprüfbare Systematik für diese Abgrenzung zu entwickeln.


E-Autobatterien - Wiederverwendung und Umnutzung dank Normen?

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Second Use und Second Life für E-Autobatterien – DKE Vornorm erobert Europa

Auf Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge geben Hersteller heute beispielsweise eine Garantie über acht Jahre oder 160.000 Kilometer, bei einer dann verfügbaren Mindestkapazität von 70 Prozent. Danach sind die Lithium-Ionen-Batterien immer noch verwendbar, für viele Fahrzeugnutzer aber nicht mehr attraktiv.

Wir haben mit Michael Zeyen und Jürgen Hetzler darüber gesprochen, welche Erfahrungen Hersteller in der Anwendung der VDE V 0510-100 gemacht haben, die ein Repurposing von Batterien ermöglicht.

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Tiefentladen ist nicht gleich Deaktivieren

DKE: Mit der VDE V 0510-500 geht Anfang November eine Norm in die Kommentierungsphase, die sich mit der Deaktivierung von Batterien vor dem Recycling befasst. Fangen wir ganz vorne an: Was bedeutet Deaktivieren?

Nippraschk: Da muss ich mit einem landläufigen Irrtum aufräumen, denn viele Menschen gehen davon aus, dass eine tiefentladene Batterie keine Energie mehr speichern kann. Wir haben bei der Arbeit an der Vornorm festgestellt, dass diese Annahme falsch ist, denn die Batterie kann relaxieren, sich also erholen und wieder Energie aufnehmen. Bei einer Deaktivierung wird diese Möglichkeit zum Beispiel über einen externen Kurzschluss zerstört. Die Batterie hat also keine Energie mehr und kann auch keine mehr aufnehmen.

Handhabung vom Transport bis zum Recycling sicher gestalten

DKE: Und warum ist dieser Schritt notwendig?

Nippraschk: Um das zu verstehen, müssen wir den Begleitprozess rund um das Recycling in den Blick nehmen. Lithium-Ionen-Batterien aus E-Fahrzeugen, die im Recycling einen Großteil ausmachen, fallen in den Hochvolt-Bereich. Das bedeutet, für deren Handhabung bei Transport oder Lagerung brauche ich Elektrofachkräfte, um Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Da wir in diesem Bereich einen großen Fachkräftemangel verzeichnen, sorgt eine Deaktivierung der Batterie an zentralen Stellen dafür, dass wir im Begleitprozess weniger Fachkräfte benötigen.

Wie schon angesprochen, gibt es außerdem verschiedene Verfahren für die stoffliche Verwertung. Während für den pyrometallurgischen Prozess, also den Hochofen, die Deaktivierung nicht notwendig ist, ist sie für den mechanischen Ansatz, also das Schreddern, eine wichtige Voraussetzung. Die Anlagen sind ohnehin großen Belastungen ausgesetzt, aber um diese im Rahmen zu halten, muss die elektrische Energie den Batterien vorher zuverlässig und komplett entzogen worden sein.

DKE: Das klingt so, also ob die Deaktivierung ein sehr wichtiger Bestandteil im Ökosystem Batterierecycling wäre. Welchen Beitrag leistet die Vornorm in diesem Kontext konkret?

Nippraschk: Unser Ziel war, ein gemeinsames Verständnis zum Begriff der Deaktivierung zu erarbeiten und so eine sichere Handhabung über alle Arbeitsschritte zu ermöglichen. Das betrifft Akteure in Transport, Lagerung und Recycling ebenso wie Behörden, die eine sichere Handhabung überprüfen müssen. Auch haben wir Grundlagen dafür erarbeitet, wie Fachpersonal vor der Deaktivierung den Zustand einer Batterie korrekt beurteilen kann. Im Fokus stand für uns die elektrische Deaktivierung, die thermische und chemische Variante haben wir ausgeklammert.

Wie eine Vornorm in Rekordzeit entstand

DKE: Sie leiten den Arbeitskreis DKE/AK 371.1.19, in dem die Vornorm erarbeitet wurde. Gab es auf dem Weg dahin kritische Punkte, die besonders heiß diskutiert wurden – wenn ja, worum ging es dabei?

Nippraschk: Da möchte ich kurz ausholen, denn wir haben tatsächlich einen intensiven Prozess hinter uns. Zu Beginn waren wir sechs oder sieben Unternehmen und Behörden, die eine VDE SPEC erarbeiten wollten. Das geht im Normalfall schneller und ist die Grundlage für weitere normative Schritte. Allerdings hatten wir in unserem Konzept den Begriff der Arbeitssicherheit verwendet und das war für eine VDE SPEC nicht zulässig.

Also haben wir uns Anfang 2024 gemeinsam dafür entschieden, eine Vornorm zu erarbeiten. Die ersten zwei bis drei Sitzungen haben wir vor allem darum gerungen, wie wir vorgehen. Formulieren wir eineindeutig oder im Konjunktiv, wie finden wir eine klare Begriffsdefinition? Solche Fragen waren zentral, und als Konsequenz aus den Diskussionen wurde der Arbeitskreis von Tiefentladung in Deaktivierung umbenannt.

Nun haben wir nach nur 14 Sitzungen eine Vornorm auf dem Tisch liegen, die in die Kommentierungsphase geht. Wir haben verbindliche Grundlagen im Bereich Deaktivierung geschaffen, was für alle Beteiligten Verlässlichkeit schafft und somit einen praktischen Nutzen generiert. Das ist eine unglaubliche Leistung der Arbeitsgruppe, in der mit Stakeholdern aus dem Automotive-Bereich, Recycling-Unternehmen, Anlagenbauern, Behörden und der Berufsgenossenschaft ein sehr breites Spektrum vertreten war.

Nächste Stufe gezündet: IEC Working Group kommt zusammen

DKE: Da haben Sie wirklich ein erstaunliches Tempo vorgelegt, um eine Einigung zu erlangen. Wie ist denn das Echo international?

Nippraschk: Wir sehen großes Interesse auf internationaler Ebene, was zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben – und auch hier geht alles sehr schnell. Wir haben die Vornorm vor kurzem im gemeinsamen Normungsausschuss mit China vorgestellt. Auf Vorschlag der chinesischen Kollegen kommt noch in diesem Monat eine neue IEC Working Group zusammen, die ich gemeinsam mit dem chinesischen Experten leite. Dort soll basierend auf der deutschen Vornorm eine internationale Norm entstehen.


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Kommentierungsphase läuft ab Anfang November

DKE: Parallel zur internationalen Auslegung hat die Öffentlichkeit in Deutschland während der Kommentierungsphase vier Monate lang Zeit, sich zu äußern und Änderungsvorschläge zu machen. Was wünschen Sie sich für diese Phase?

Nippraschk: Am besten wäre es, wir bekämen gar keine Kommentare und wären fertig (lacht, Anm. d. Red.). Nein, im Ernst, dann hätte die Vornorm vermutlich niemand gelesen. Was ich mir wünsche, ist, dass wir konstruktive Kommentare bekommen, die unsere Vornorm noch besser machen.

Auf dem Wunschzettel: Kontrolle und Know-how-Transfer

DKE: Zum Schluss noch ein Ausblick: Wenn die Vornorm veröffentlicht ist – was sind aus Ihrer Sicht die nächsten, notwendigen Schritte, um die Kreislaufwirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien weiter voranzubringen?

Nippraschk: Zum einen, wie angesprochen, ist die internationale Norm ein wichtiger Schritt. Zum anderen hat unsere Arbeit Auswirkungen auf Normen in angrenzenden Bereichen, zum Beispiel im Transportwesen, die entsprechend anzupassen sind. Wichtig wird auch sein, dass die erarbeiteten Regeln kontrolliert werden, damit sich jeder auf deren Einhaltung verlassen kann.

Um auf allen Seiten das benötigte Know-how aufzubauen, brauchen wir außerdem einen intensiven Austausch und gelebten Wissenstransfer. Gerade bei komplexen technischen Herausforderungen wäre eine engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und unterschiedlichen Branchen ein Gewinn für Kunden und Umwelt. In der Praxis stoßen wir dabei jedoch häufig noch an Grenzen, weil kartellrechtliche Vorgaben und Compliance-Richtlinien Kooperationen erschweren können.

DKE: Vielen Dank für das Gespräch!


Redaktioneller Hinweis:

Die Antworten entsprechen den persönlichen Ansichten und Meinungen des Interviewpartners und müssen nicht denen der DKE entsprechen.

Wir bedanken uns für dieses Interview bei

Portraitfoto Mathias Nippraschk

Dr.-Ing. Mathias Nippraschk

Head of Production and Technology, BLC – The Battery Lifecycle Company GmbH

Leiter des Normungsgremiums DKE/AK 371.1.19

Portraitfoto Mathias Nippraschk

Head of Production and Technology, BLC – The Battery Lifecycle Company GmbH

Leiter des Normungsgremiums DKE/AK 371.1.19


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