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13.07.2023 Fachinformation

Wie die IEC-Konformitätsbewertungssysteme zur Erfüllung der UN-SDGs beitragen

Die vier Konformitätsbewertungssysteme und Normen der IEC bilden weltweit ein einzigartiges System im Bereich Elektrotechnik und den damit zusammenhängenden Technologien.

David Hanlon ist Sekretär des Conformity Assessment Board (CAB) der IEC. Er erläutert, inwiefern Prüfungen und Zertifizierungen unerlässliche Instrumente für die Erfüllung der UN-Ziele nachhaltiger Entwicklungen (SDGs) sind.

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Raymond Puppan
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Interview mit David Hanlon

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e-Tech: Wie wichtig sind die UN-SDGs für die IEC-Konformitätsbewertungssysteme?

Hanlon: Sehr wichtig.

IEC-Normen und -Konformitätsbewertungssysteme leisten einen Beitrag zu jedem der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklungen, sei es direkt oder indirekt. Die IEC ist insofern einzigartig, als dass sie neben entsprechenden Normen auch vier Konformitätsbewertungssysteme zur Verfügung stellt, die alle auf unterschiedliche Weise zur Erfüllung der SDGs beitragen.

Die IEC-Konformitätsbewertungssysteme liefern die einzige weltweit standardisierte Form der Konformitätsbewertung im Bereich Elektrotechnik und damit zusammenhängenden Technologien. Sie stellen das weltweit größte funktionierende multilaterale Abkommen dar. Sie betreiben Systeme und Programme auf der Grundlage von unabhängigen Prüfungen und Zertifizierungen durch Dritte, sowie gegenseitiger Anerkennung.

Labore und Zertifizierungsstellen prüfen und zertifizieren Produkte, Geräte, Dienstleistungen und Personenkompetenzen gegen internationale IEC- und ISO-Normen, um die Zuverlässigkeit, Interoperabilität mit anderen Produkten, Dienstleistungen und Anlagen sowie die Anwendung der relevanten Normen sicherzustellen. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Sie können beispielsweise zertifizieren, dass Elektro- und Elektronikprodukte die Energieeffizienzanforderungen erfüllen, die in verschiedenen internationalen Normen festgelegt sind. Ich muss wohl nicht daran erinnern, dass die Energieeffizienz eine wesentliche Rolle bei der Senkung der Kohlendioxidemissionen, und damit der Erfüllung von SDG 13, der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen, spielt.

e-Tech: Wie beeinflussen die SDGs die Arbeit der vier unterschiedlichen Systeme (IECRE, IECEE, IECQ und IECEx)?

Hanlon: Auf sehr unterschiedliche, aber konkrete Weise. IECRE ist das IEC-System zur Zertifizierung von Geräten, die in Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. Das grundlegende strategische Ziel von IECRE ist es, eine nachhaltige Stromerzeugung und -versorgung zu ermöglichen. Es ist das international anerkannte Konformitätsbewertungssystem für alle Kraftwerke, die Energie aus Sonne, Wind und verschiedenen Formen der Meeresenergie erzeugen, speichern oder umwandeln. Wir wissen, dass wir unsere Klimaziele für 2050 nur durch den massiven Einsatz erneuerbarer Energiesysteme in der ganzen Welt erreichen können. IECRE stellt deshalb unverzichtbare Instrumente für die Erfüllung von SDG 13 zur Verfügung.

Ein weiterer Aspekt ist der Zugang zu Elektrizität. Den Vereinten Nationen zufolge haben ungefähr 759 Millionen Menschen auf der Welt nach wie vor keinen Zugang zu Strom. Eine Möglichkeit, diese Lücke zu schließen, ist der Einsatz kleiner, netzunabhängiger Systeme für erneuerbare Energien, wie z. B. Photovoltaikmodule auf Dächern. IECEE, die IEC- Konformitätsbewertungssysteme für elektrotechnische Geräte und Komponenten, betreibt ein Programm, das den Zugang zu qualifizierten Prüflaboren zur Zertifizierung von PV-Komponenten und -Modulen nach den einschlägigen IEC-Normen ermöglicht. Dadurch tragen sie zur Erfüllung von SDG 7 bei, die eine Sicherstellung des Zugangs zu erschwinglicher, zuverlässiger, nachhaltiger und moderner Energie für alle bis 2030 vorsieht.

IECEE führt zudem verschiedene Programme zur Prüfung der Energieeffizienz durch, darunter das IECEE Global Motor Energy Efficiency Programme (GMEEP). Das Programm prüft Motoren nach der Norm IEC 60034-2-1, die Energieeffizienzanforderungen an Motoren festlegt. Dies sind nur ein paar Beispiele, die Liste ließe sich unendlich erweitern.


Solarmodul in Madagascar
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IEC unterstützt den netzunabhängigen Zugang zu Elektrizität durch neue Norm

Zugang zu bezahlbarer und zuverlässiger Energie ist für jeden Menschen ein Grundbedürfnis. Weltweit haben jedoch noch immer mehr als 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Der Markt für netzunabhängige Lösungen entwickelt sich seit Jahren allerdings positiv.

Seit Juni 2020 gibt es eine IEC-Veröffentlichung, die Mindestanforderungen an Qualität, Haltbarkeit und Werbegenauigkeit für eigenständige erneuerbare Energieprodukte festlegt.

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e-Tech: IECEx, das IEC-System für die Zertifizierung nach Normen für Geräte zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen, wird voraussichtlich bis Ende 2022 Zertifikate für Wasserstoffabgabegeräte und -systeme ausstellen und sein IECEx-Zertifikat für Personalkompetenz (CoPC) auf die Wasserstoffsicherheit ausweiten. Wie wichtig ist dieser Meilenstein für die SDGs?

Hanlon: Es ist eine Schlüsselentwicklung. Die meisten Fachleute teilen tendenziell die Auffassung, dass Wasserstoff einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung globaler Energiesysteme leisten und möglicherweise in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von Strom-, Wärme-, Transport- und Energiespeicherlösungen spielen wird. Aber die Verwendung von Wasserstoff ist nicht ohne Risiken. Er ist leicht entflammbar, wodurch er eine ernsthafte Brand- und Explosionsgefahr darstellt, wenn es zu einem Leck kommt. Wasserstoff ist zudem farb-, geschmack- und geruchslos, wodurch ein etwaiges Leck schwieriger zu erkennen ist als beispielsweise bei Benzin oder Gas. Außerdem sind Wasserstoffflammen unsichtbar, was bedeutet, dass sie auch dann schwierig zu erkennen sind, wenn ein Leck einen Brand verursacht hat. Dadurch kann es zu Explosionen kommen, die zu Sachschäden und Opfern führen.

Beschäftigte, die in einer Umgebung arbeiten, in der Wasserstoff vorhanden ist, sehen sich möglicherweise einem weiteren Risiko gegenüber, da komprimierter Wasserstoff in Flüssigwasserstofftanks gelagert und transportiert wird. In diesem Zustand ist Wasserstoff extrem kalt. Kommt er mit der menschlichen Haut jemals in Berührung, kann er schwere Erfrierungen oder sogar den Verlust von Gliedmaßen verursachen.

Die Risiken sind begrenzt, wenn qualifizierte Fachleute in Industrieanlagen damit umgehen und es einen begrenzten öffentlichen Zugang sowie entsprechende Ausrüstung gibt. Die neue Wasserstoffwirtschaft sieht jedoch ein viel breiteres Anwendungsspektrum für Wasserstoff vor, was bedeutet, dass es viel mehr Menschen gibt, die nicht alle mit der Arbeit in gefährlichen Bereichen vertraut sind und damit ein viel größeres Unfallrisiko besteht.

Mit den neuen Zertifikaten sollen diese Probleme gelöst werden. Zusätzlich zu den Sachwerten hat IECEx auch sein IECEx CoPC-System zur Bewertung und Zertifizierung von Personen, die in potenziell gefährlichen Bereichen arbeiten, erweitert, um die Wasserstoffsicherheit zu berücksichtigen. Während des jüngsten IRENA-Workshops über Qualitätsinfrastruktur zur Unterstützung der entstehenden grünen Wasserstoffwirtschaft wurden diese IECEx-Maßnahmen sehr begrüßt.

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass diese neue Entwicklung den unterschiedlichen Interessengruppen, einschließlich Regierungen und Regulierungsbehörden, das nötige Vertrauen geben wird, Wasserstoff-Energiesysteme einzuführen und damit mehrere SDGs zu erfüllen.


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e-Tech: IECQ, das IEC-Qualitätsbewertungssystem für elektronische Komponenten, bietet nun ebenfalls einen neuen Ökodesign-Service im Rahmen seines Approved Process (AP) Schemes. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Hanlon: Ja, es hat mit dem technischen Komitee IEC/TC 111, das umweltrelevante Normen für Elektro- und Elektronikprodukte erstellt, zusammengearbeitet, um diesen Service auf die Beine zu stellen. IEC/TC 111 veröffentlicht IEC 62430, Umweltbewusstes Gestalten (en: Environmentally conscious design, ECD) – Grundsätze, Anforderungen und Leitfaden. Die Norm richtet sich an Organisationen, die Umweltaspekte in die Gestaltung und Entwicklung integrieren wollen, um negative Auswirkungen ihrer Produkte auf die Umwelt zu minimieren.

Der Service wird dazu beitragen, dass Organisationen, die über eine IECQ-Zertifizierung nach IEC 62430 verfügen, international darauf vertrauen können, dass ihre Produkte in Übereinstimmung mit den Ökodesign-Grundsätzen der IEC 62430 entwickelt wurden und damit mehrere SDGs erfüllen, darunter SDG 12, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen soll.

Die kontinuierlichen Bemühungen von IECQ in diesem Bereich in Zusammenarbeit mit IEC/TC 111 haben inzwischen zur Entwicklung eines international harmonisierten Ansatzes zur unabhängigen Verifizierung von Erklärungen zum CO2-Fußabdruck (Independent Verification of Carbon Footprint Declarations) geführt.


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