DIN-Connect: Förderprogramm für neue Ideen

DIN-Connect: Förderprogramm für neue Ideen

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01.09.2025 Fachinformation

Basisfinanzierung und Drive für neue Ideen: Wie DIN-Connect funktioniert und was es bringt

Innovative Produkte und Verfahren haben einen gewissen Weg vor sich, wenn am Ende eine für die jeweilige Branche verbindliche Norm stehen soll. Das Förderprogramm DIN-Connect von DIN und DKE bietet eine Eingangstür, die im ersten Schritt finanzielle und organisatorische Hemmschwellen abbaut.

Wie das Programm funktioniert und welche Vorteile es bietet, berichten Prof. Dr. Astrid Christina Klingshirn und Prof. Dr. Benjamin Eilts von der Fakultät Life Sciences an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen – sie haben bereits zwei Projekte rund um das Thema Food Wasting realisiert.

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Dr. Stefan Heusinger
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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Für wen ist DIN-Connect geeignet?
  • Wie läuft die Bewerbung bei DIN-Connect?
  • Wie erfolgt die gemeinsame Projektarbeit?

Ein Sprung ins kalte Wasser und der Stand der Technik

DKE: Frau Klingshirn, Herr Eilts, Sie kommen beide aus den angewandten Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften und sind schon länger in der Normung aktiv. Wie kam es dazu?

Eilts: Bei mir war es ein Sprung ins kalte Wasser. 2020 wurde die Bitte an mich herangetragen, als Obmann für die Norm zur Krankenhausreinigung tätig zu werden. Das heißt, ich hatte aus dem Stand ein Riesengremium zu leiten, um innerhalb von drei Jahren die Norm zu erstellen. In der Zeit habe ich sehr viel über Normung gelernt, inklusive aller Formalitäten wie Einspruchsverfahren & Co. Unterwegs kam beim Thema Wäschepflege mit der IEC die internationale Ebene dazu. Mich fasziniert der Weg zu einer Norm. Man hört viele Meinungen, muss Kompromisse finden – das ist eine ganz eigene Welt, von der man nicht mehr loskommt.

Klingshirn: Ich kam 2017 über das Forschungsprojekt Coolfresh zur Normung, das im Rahmen des Förderprogramms WIPANO unterstützt wurde (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen vom BMWE , Anm. d. Red.). Anschließend habe ich im IEC-Gremium für Kühl- und Gefriergeräte an der Erweiterung der Norm zu Performance-Eigenschaften von solchen Geräten mitgearbeitet. Aktuell bin ich im Gemeinschaftsgremium DKE/GUK 513.6 Kühl- und Gefriergeräte und im Arbeitskreis Küchenmaschinen aktiv, wo wir die bestehende Norm überarbeiten und erweitern.

Normung spielt generell auch in unserem Hochschulalltag eine große Rolle, denn sie ist Bestandteil der Lehre. Wir legen Wert darauf, anwendungsnah zu arbeiten und über die Normung den Stand der Technik abzubilden.

Offen für alle und kostenneutral

DKE: DIN-Connect, ein Förderprogramm von DIN und DKE, möchte unter anderem Brücken bauen für Neulinge in der Normung und innovative Ideen unterstützen. Warum ist aus Ihrer Sicht dieser Ansatz so wichtig?

Klingshirn: DIN-Connect als Förderprogramm von DIN und DKE bietet die Möglichkeit, Projekte anzugehen, die über die bestehende Normung hinausgehen oder nicht treffsicher in eines der Normungsgremien passen. Außerdem werden über Initiativen wie DIN-Connect Menschen zur Teilhabe animiert, die bisher noch nicht in den Gremien aktiv sind. Es ist offen für alle, so dass wir in der Forschung junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Normung heranführen und gleichzeitig neue Verfahren entwickeln und implementieren können.

Eilts: Hinzu kommt, dass der Weg bis zur VDE SPEC, die am Ende veröffentlicht wird, kostenneutral ist. Das heißt, wenn ich als Hochschule aus Eigeninitiative ein Projekt starte und keine Finanzierung habe, dann schafft DIN-Connect einen guten Einstieg. Außerdem laufen die Projekte nur ein Jahr, das heißt, man ist deutlich schneller und agiler unterwegs als in der großen Welt der Normung. Da entstehen sehr viel Drive und Motivation bei allen Beteiligten.

DIN-Connect: Förderprogramm für neue Ideen

DIN-Connect ist ein Förderprogramm, für das DIN und DKE eigene finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Das Ziel ist es, innovative Ideen näher an die Normungscommunity heranzuholen. Dr. Stefan Heusinger, für die DKE Beteiligung an DIN-Connect verantwortlich, erklärt: „Gerade Start-ups und KMUs haben oft pfiffige und innovative Ideen, aber nicht die Sichtbarkeit wie etablierte Unternehmen.“ Mit Hilfe von DIN-Connect soll bereits in einem frühen Stadium die Konsensfindung für Innnovationen starten, um aus Deutschland heraus frühzeitig in die internationale Normung gehen zu können.

Bewerben können sich Start-ups, KMUs sowie etablierte Unternehmen und Institutionen. Vor allem für Bewerber mit begrenzten Budgets ist DIN-Connect ein niederschwelliges Angebot, bei dem der Bewerbungsprozess schlank gehalten ist. „Es reicht eine drei- bis vierseitige Ideenbeschreibung, mit der wir das Projekt einordnen können.“ Am Ende eines Förderprojekts steht eine kostenlose VDE SPEC, also der erste Schritt auf dem Weg zu einer nationalen oder internationalen Norm.

Die Bandbreite der Projekte ist hoch. So gab es ein Projekt mit dem Titel „Standardisierung der Abmessungen von Staubbeuteln und deren Konnektoren für den Anschluss an Bodenbehandlungsgeräte“. Das Ziel: die Vielfalt an Staubbeuteln zu reduzieren und den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Auswahl zu erleichtern. Ein anderes Projekt beschäftigte sich mit hochzuverlässiger Echtzeit-Funkkommunikation im Bereich Industrie 4.0. Aus dem Start-Up, das sich bei DIN-Connect beworben hat, ist inzwischen ein profitables Unternehmen geworden.

Kühlgeräte-Performance: Bakterien, Sahnetorten und Zwiebeln

DKE: Sie selbst haben sich mit zwei Projekten erfolgreich bei DIN-Connect beworben. Können Sie kurz skizzieren, womit sich Ihre Projekte beschäftigen?

Eilts: Wir haben mit der Performance von Kühlgeräten ein Thema, das sehr nah am Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist. Wenn man einen Kühlschrank kaufen möchte, wird man mit vielen Claims konfrontiert, was die Geräte alles können. Bei Energielabeln ist das gut nachvollziehbar, da der Verbrauch messbar ist. Aber wie sieht es mit der Hygieneperformance aus? Woher weiß ich, ob eine bestimmte Oberfläche Bakterien reduziert oder gar abtötet? Da gibt es keine standardisierten Messmethoden, und damit haben wir uns im ersten Projekt beschäftigt.

Klingshirn: Im Kern drehen sich beide Projekte darum, die Lagerung von Lebensmitteln im Privathaushalt zu optimieren. Pro Jahr werden 75 kg Lebensmittel pro Person und Haushalt weggeworfen – aus ganz verschiedenen Gründen. Ein Punkt ist die Hygiene, wie Benjamin gerade sagte, ein anderer der Geruch und damit verbunden der Geschmack. Wenn die Sahnetorte, die ich aus dem Kühlschrank nehme, nach Zwiebel riecht und schmeckt, dann ist das falsch und ich werfe sie weg. Ein Grund für den Geruchsübertrag ist die falsche Lagerung, beispielsweise offen. Hersteller versuchen aber, über Funktionen zur Geruchsreduktion gegenzusteuern. Wir wollten im zweiten Projekt Methoden entwickeln, um diese Funktionen zu überprüfen.

Die Projektskizze: Theorie, Meilensteine und Netzwerk

DKE: Wie lief die Bewerbung bei DIN-Connect genau ab, was sollte beachtet werden?

Klingshirn: Man gibt eine Projektskizze ab, die die Relevanz herleitet und den theoretischen Hintergrund sowie mögliche Verfahren kurz beschreibt. Wir hatten bereits Vorstudien durchgeführt und Veröffentlichungen getätigt, so dass wir da gut liefern konnten. Darüber hinaus braucht es einen Meilensteinplan und Interessensbekundungen von externen Beteiligten, die weitere Aspekte zur Relevanz des Themas einbringen.

Eilts: Was die externen Beteiligten angeht, so hilft es, zum jeweiligen Thema ein Normungsverfahren nachzuvollziehen. Wer wäre einzubeziehen, wenn ich eine Norm zu einem Thema initiieren möchte? Wenn ich das durchdenke, komme ich auf die richtigen Stakeholder. Es macht Sinn, das eigene Netzwerk daraufhin zu prüfen und auszubauen, um da gut aufgestellt zu sein.

Spannend wird es, wenn neue Stakeholder dazu kommen

DKE: Und wie geht es nach der Projektskizze weiter?

Eilts: Es gibt recht schnell eine Rückmeldung von DIN oder DKE, ob die Förderung bewilligt wurde oder nicht. Nach der Zusage hatten wir einen Monat Zeit, um einen detaillierten Zeit- und Finanzplan zu entwickeln. Auf der Basis entsteht ein Geschäftsplan, der zur Kommentierung auf der DKE Website veröffentlicht wird. Auch relevante Normungsgremien erhalten zu den Projekten eine Information. 

Klingshirn: Anschließend gibt es sehr schnell das erste Kick-Off-Meeting, bei dem sich alle beteiligen können, die am Thema Interesse haben. Das sind meist diejenigen, die sich als externe Beteiligte bereits geäußert haben – je nach Relevanz kommen aber auch andere Stakeholder dazu, die vielleicht nicht unbedingt die gleiche Zielrichtung verfolgen wie man selbst. Da wird es dann spannend, und genau das ist Normung.


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Eine ausgewogene Mischung und ein frühzeitiger Entwurf

DKE: Hört sich nach einem Normungsgremium im Kleinformat an. Wie groß war denn die Runde in Ihrem Fall, und wie lief die Arbeit im Team?

Eilts: Wir sind dem Credo der Normung gefolgt und hatten mit Verbraucherrat, Industrie und der universitären Forschung eine ausgewogene Mischung am Tisch. Zu den bestehenden Kontakten kamen unterwegs neue Expertinnen und Experten dazu, wir hatten zum Beispiel mit der Türkei auch die internationale Perspektive dabei. Regelmäßig teilgenommen haben etwa 15 bis 20 Personen.

Klingshirn: Was den Ablauf betrifft, so lag der administrative Lead bei uns, wobei uns die DKE organisatorisch unterstützt hat. Wir haben – meist online – Meetings einberufen, die Ziele nach unserem Arbeitsplan besprochen und den nächsten Call geplant. Wir haben die Ergebnisse zusammengeführt, Protokolle erstellt und die Treffen vorbereitet.

Eilts: Aufgrund des hohen Tempos haben wir zudem frühzeitig den Entwurf der VDE SPEC vorgelegt, so dass der Text Stück für Stück reifen konnte und wir in jedem Call die eingegangenen Kommentare besprechen konnten.

Raus aus der Vorentwicklungswolke, rein in die Anwendung

DKE: Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Erfahrungen – warum würden Sie eine Bewerbung bei DIN-Connect empfehlen?

Klingshirn: Neben der Basisfinanzierung und der Möglichkeit, Studierende an die Normung heranzuführen, bringt DIN-Connect viel Anwendungsnähe und interdisziplinäres Arbeiten mit sich. Wer nicht in der Vorentwicklungswolke schweben, sondern Dinge in Richtung Praxis entwickeln möchte, ist mit DIN-Connect sehr gut beraten.

Eilts: Der intensive Austausch führt auch zu einem intensiven Wissenstransfer. Man erfährt, was in der Branche los ist und kann dieses Wissen für die eigene Arbeit nutzen. Wir selbst konnten sehr frei arbeiten, was wir durch unsere Normungserfahrung sehr genossen haben. Neulinge bräuchten vermutlich ein wenig Unterstützung auf dem Weg, aber die erhalten sie von DKE oder DIN.


--- Ende von Teil 1 dieses Interviews ---

Hier endet der erste Teil des Interviews mit Prof. Dr. Astrid Christina Klingshirn und Prof. Dr. Benjamin Eilts. In Teil 2 erzählen sie, wie sie auf das Thema Food Wasting gekommen sind, warum Kühlschränke infektiologisch kritischer sein können als Toiletten und wie Messverfahren zwischen Labor und menschlicher Nase entstanden sind. Teil 2 des Interviews erscheint am 29.09.2025.

Redaktioneller Hinweis:

Die Antworten entsprechen den persönlichen Ansichten und Meinungen der Interviewpartner und müssen nicht denen der DKE entsprechen.

Wir bedanken uns für dieses Interview bei

Portraitfoto Prof. Dr. Astrid Christina Klingshirn

Prof. Dr. Astrid Christina Klingshirn

Professorin an der Fakultät Life Sciences, Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Projektförderung durch DIN-Connect in den Jahren 2022 und 2024

Portraitfoto Prof. Dr. Astrid Christina Klingshirn

Professorin an der Fakultät Life Sciences, Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Projektförderung durch DIN-Connect in den Jahren 2022 und 2024

Portraitfoto Prof. Dr. Benjamin Eilts

Prof. Dr. Benjamin Eilts

Professor an der Fakultät Life Sciences, Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Projektförderung durch DIN-Connect in den Jahren 2022 und 2024

Portraitfoto Prof. Dr. Benjamin Eilts

Professor an der Fakultät Life Sciences, Hochschule Albstadt-Sigmaringen

Projektförderung durch DIN-Connect in den Jahren 2022 und 2024


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