Eingang des 1999 eingeweihten Louise-Weiss-Gebäudes, offizieller Sitz des Europäischen Parlaments mit Plenarsaal
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10.05.2023 Fachinformation

Europäische Normen: ein Erfolgsfaktor für den EU-Binnenmarkt

Die Europäischen Normen bilden heute ein wichtiges Fundament für den EU-Binnenmarkt. Sie sind ein strategisches Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die EU-Wirtschaftspolitik. Die Europäischen Normungsorganisationen erarbeiten sie anhand der Anforderungen aus der Industrie oder auch im Auftrag der EU-Kommission in Form von Normungsaufträgen.

Nationale Expertinnen und Experten bei der DKE engagieren sich in den Europäischen Normungsorganisationen für die Weiterentwicklung von elektrotechnischen Normen.

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Celine Oeyen
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Normen und Standards erscheinen im öffentlichen Bewusstsein häufig als langweilig, Innovationsbremse oder fünftes Rad am Wagen. Das ist aber eine deutliche Fehlinterpretation. Normen sind es, die Innovationen zum Durchbruch verhelfen und neue Technologien sicher für die Anwender machen.

Die Entwicklung von Europäischen Normen (EN) ist das Ergebnis einer langjährigen und erfolgreichen Zusammenarbeit von vielen interessierten Akteuren: Industrie, einschließlich KMU, Verbraucherorganisationen und nationale Normungsorganisationen der EU-Staaten. Die Europäischen Normungsorganisationen (European Standardization Organizations; ESOs) bilden ein weltweit einzigartiges Netzwerk, in dem Normen durch den Konsens aller Beteiligten festgelegt und veröffentlicht werden.

Zu den ESOs gehören das Europäische Komitee für Normung (CEN), das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC) sowie das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI). Wenn europäische Normen von den ESOs die europäische Gesetzgebung unterstützen, werden diese im EU-Amtsblatt veröffentlicht und als "Harmonisierte Normen", kurz hEN, bezeichnet.

Bedeutung von Europäischen Normen für Unternehmen und Wirtschaftspolitik

Heute nehmen Standards im europäischen Binnenmarkt eine Schlüsselposition ein, um …

  1. die Sicherheit zu erhöhen: Normen legen einheitliche Sicherheitsstandards für technisch gefährliche Produkte fest. Dadurch verhindern sie potenziell gefährliche Situationen für die Anwender. Sie sorgen dafür, dass regulatorische und normgemäße Anforderungen bereits bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden und steigern damit die Sicherheit von Produkten und Dienstleistungen.
  2. die Qualität zu verbessern: Normen für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen definieren höchste Qualitätsstandards. Sie schaffen eine einheitliche Sprache für Unternehmen und Anwender und gewährleisten, dass Produkte und Dienstleistungen zuverlässig sind und den Erwartungen der Anwender entsprechen.
  3. die Marktreife von Innovationen zu beschleunigen: Normen demokratisieren technische Innovationen. Durch ihre Definitionen, Richt- und Leitlinien schaffen sie Zugang zu akademischem Wissen, aber auch Praxiswissen. Das erleichtert den Markteintritt für kleine und mittelständische Unternehmen, weil sie dann dokumentieren können, dass ihre Produkte und Dienstleistungen nach den geforderten Spezifikationen entwickelt und hergestellt werden.
  4. den Wettbewerb zu fördern: Durch Normen und Standards können Unternehmen aus verschiedenen Ländern Produkte entwickeln und herstellen, die untereinander kompatibel und interoperabel sind. Das fördert den Wettbewerb und regt Innovationen an.
  5. den Handel zu vereinfachen: Normen definieren einheitliche Grundlagen für den Handel und vereinfachen dadurch den Austausch von Waren und Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt und weltweit. Durch die Verwendung von Normen können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Produkte den Anforderungen des Marktes entsprechen und dadurch Handelsbarrieren verringern.
  6. die Zusammenarbeit zu stärken: Normen bieten eine gemeinsame Sprache und Methodik für die Entwicklung und Implementierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen. Wenn Unternehmen bei ihrer Zusammenarbeit internationale Normen verwenden, stellen sie sicher, dass alle Partner die gleichen Standards und Methoden verwenden und auch ihre Produkte und Dienstleistungen diesen entsprechen.

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Grundsätze des Europäischen Rechtsrahmes für die Normung

Die europäische Normung basiert auf dem Prinzip der nationalen Delegation sowie auf marktorientierten und freiwilligen Normen, die den Grundsätzen der Welthandelsorganisation folgen. Der Rechtsrahmen für harmonisierte Normen wurde 2008 auf der Grundlage der Verordnung (EG Nr. 765/2008) über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und des Beschlusses (EG Nr. 768/2008) festgelegt. Beide schufen die Grundlage für alle künftigen Rechtsvorschriften zur Produktharmonisierung. Ziel dieses Maßnahmenpakets war es, die Marktüberwachung zu verbessern und die Qualität der Konformitätsbewertungen zu erhöhen.

Der neue Rechtsrahmen besteht aus einer Reihe von Richtlinien und Verordnungen, in denen grundlegende Anforderungen festgelegt sind, die Produkte erfüllen müssen, bevor sie auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden können. Die entscheidenden Anforderungen beziehen sich auf gesundheits-, sicherheits- oder umweltrelevante Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen.

Auftraggeber und Herausgeber der Europäischen Normen

CEN, CENELEC und ETSI erarbeiten die EN und geben sie heraus. Neben der Industrie kann auch die EU-Kommission die ESOs beauftragen, beispielsweise bei neuen Rechtsvorschriften oder Zielvorgaben, wie dem Green Deal, Normen zu erarbeiten oder bestehende weiterzuentwickeln.

Um widersprüchliche Normen in der EU zu vermeiden, verstärkte die EU-Kommission im Rahmen der Verordnung 1025/2012 zur europäischen Normung die Beauftragung der ESOs, „harmonisierte (europäische) Normen“ zu erarbeiten.

Rolle der DKE in den Europäischen Normungsorganisationen

In dem Bereich der Elektro- und Informationstechnik ist die DKE seit den 70er Jahren in Deutschland für die Normung zuständig und ist auch in der europäischen Normungsorganisation, CENELEC, vertreten.

Mehr als 10.000 DKE Expertinnen und Experten wirken als deutsche Mitglieder in CENELEC sowie ETSI an der Vorbereitung, Ausgestaltung und Veröffentlichung von Normen mit. Innerhalb dieser Organisationen stellt die DKE eine führende Anzahl von Vorsitzenden und Sekretären. Allein in CENELEC entsendet die DKE 28 Prozent der Gremienvorsitzenden und rund 36 Prozent der Sekretäre.


Bearbeitungsstand von Normen unter europäischen Richtlinien

Harmonisierte Normen

| DKE

Harmonisierte Normen – Europäischer Rechtsrahmen

Harmonisierte Normen stellen durch besondere Merkmale eine gesonderte Form europäischer Normen dar. Das wesentliche Ziel harmonisierter Normen ist es, den europäischen Binnenmarkt auszubauen und den freien Handel zu stärken, indem Handelsbarrieren abgebaut werden.

Mehr erfahren

EU-Verordnung 1025/2012 regelt Harmonisierung der Normen

Mit der EU-Verordnung 1025/2012 zur Europäischen Normung vertiefte die EU-Kommission die Grundsätze der öffentlich-privaten Partnerschaft mit den ESOs und verdeutlichte die Rolle der Normen bei der Verwirklichung des EU-Binnenmarktes und der EU-Politik. Seither kann die EU die ESOs mandatieren, bestehende Normen zu harmonisieren. Das Ziel ist, neue Normen zu entwickeln, Widersprüche bei europäischen Normen aufzuheben oder internationale Normen in der EU zu übernehmen.

Überprüft werden die Normen durch „Harmonised Standards (HAS) Consultants“. Sie bewerten, ob die von CEN, CENELEC und ETSI vorgelegten Normen das jeweilige Mandat der EU Kommission erfüllen und die relevanten Sicherheitsanforderungen der EU-Gesetzgebung umsetzen. Damit will die Kommission die Qualität und schnelle Verfügbarkeit der Normen verbessern.

Wenn harmonisierte Normen im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden, müssen die CEN, CENELEC und ETSI National Mitglieder diese Normen in nationale Normen umsetzen. Mittlerweile sind rund 20 Prozent der Normen im EU-Binnenmarkt harmonisiert. Das bedeutet, dass sie konform mit den Anforderungen der EU-Gesetzgebung sind.

EU-Kommission wertet 2022 die Arbeit der Normungsgremien weiter auf

2022 erarbeitete die Kommission eine neue EU-Normungsstrategie, in der sie die Zusammenarbeit mit den ESOs weiter festigte und stärkte. Sie möchte Normungsprozesse noch weiter beschleunigen, um Innovationen schneller in den Markt zu bringen. Zudem soll eine breite Stakeholder-Beteiligung auch von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ermöglicht und die Normungsarbeit international besser koordiniert werden. Auch kommissionsintern soll die Koordination verbessert werden. Darüber hinaus richtet die Kommission ein Exzellenzzentrum für Normen ein und beruft einen Chief Standardization Officer.

Herausforderungen der Zukunft für die EU-Normungsgremien

Solche Erfolgsgeschichten werden die ESOs auch weiterschreiben. Nicht zuletzt mit der Europäischen Normungsstrategie 2022 wurde ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit der ESOs mit der Kommission aufgeschlagen. Ihre Rolle für den EU-Binnenmarkt wurde weiter aufgewertet. Zudem wurde die Arbeit der nationalen Normungsorganisationen für die Vorbereitung neuer harmonisierter Normen (hENs) anerkannt.

In einigen Arbeitskreisen der DKE laufen seit einigen Jahren Vorbereitungen für neue Normen. Im Zentrum stehen die großen technischen Themen unserer Zeit: All Electric Society, Halbleiter, Künstliche Intelligenz sowie Cybersecurity. Hier werden in Zukunft DKE Expertinnen und Experten in den Technical Committees (TC) der ESOs die Entwicklung neuer harmonisierter Normen vorantreiben. 

„Zum Wohle der Verbraucher und in Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen werden Europäische Normen auch in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich dabei mitwirken, den EU-Binnenmarkt zu gestalten. Und die DKE Expertinnen und Experten werden auch in Zukunft maßgeblich daran Anteil haben, Verbraucher zu schützen, Innovationen voranzubringen und einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten“, so DKE Geschäftsführer Michael Teigeler.


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