moderne Stadtlandschaft und verschiedene Verkehrsnetze, konzeptionelles abstraktes Bild
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23.02.2023 Fachinformation

Wie Normen einen nachhaltigen Verkehr der Zukunft fördern können

Menschen müssen von A nach B kommen. Das Problem hierbei: Der Verkehrssektor hat großen Anteil an den weltweiten Kohlendioxidemissionen. Wie also lässt sich der Verkehr der Zukunft nachhaltiger gestalten?

Die Normung setzt sich intensiv mit dieser Fragestellung auseinander. Der Technical Report "Future sustainable transport" fokussiert sich auf den Beitrag von Normen. Ein neues System Committee (SyC Sustainable Electrified Transportation) soll darüber hinaus eine ganzheitliche Sicht auf die Normung ermöglichen.

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Ein Artikel von Natalie Mouyal

Der Verkehrssektor ist mit 25 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen einer der größten CO2-Emittenten. Er ist primär von fossilen Brennstoffen abhängig und ist in den letzten 50 Jahren nur mäßig erfolgreich dabei gewesen, seine Abhängigkeit von Öl zu reduzieren (von 93 % im Jahr 1971 auf 91 % im Jahr 2018).

Da die Nachfrage nach Beförderungsleistungen hoch ist, müssen sich die weltweiten Ziele zur Senkung der Kohlendioxidemissionen verstärkt auf diesen Sektor konzentrieren.

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Technical Report

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Um besser verstehen zu können, wie Verkehr nachhaltiger werden kann, hat die IEC vor kurzem einen Bericht mit dem Titel Future sustainable transport veröffentlicht. Der Bericht wurde von Feng Ni und Alexander Kupfer, den Convenors von IEC/SEG 11: Future Sustainable Transportation, sowie mit Unterstützung der Convenors von drei SEG 11 Arbeitsgruppen, Lili Li, Takako Aramaki und Dominik Ebling, erstellt.

Der Fokus des Berichts liegt auf den aktuellen technologischen Fortschritten und darauf, wie Normen dazu beitragen können, technologische Innovationen zu fördern und anzuwenden. Feng Ni erklärt: „Wir verfolgen die Vision eines nachhaltigen elektrifizierten Verkehrs und neuer Verbindungen zwischen Verkehr, intelligenten Städten, autonomem Fahren und den Energiesektoren.“

In dem Bericht wird ein Ansatz auf Systemebene gefordert, der der Tatsache Rechnung trägt, dass Mobilität für die Menschen nicht mehr wegzudenken ist, und der auf Grundlage des Konzepts des nachhaltigen elektrifizierten Verkehrs (en: sustainable electrified transportation, SET) nachhaltig entwickelt werden muss.

Definition des nachhaltigen Verkehrs der Zukunft

Der nachhaltige Verkehr der Zukunft ist ein Konzept, das soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte des Verkehrs vereint. Es trägt der Notwendigkeit, Umweltverschmutzung und Kohlendioxidemissionen zu reduzieren, sowie effizientem Recycling und der Wiederverwendung von Materialien (ökologisch), dem Bedürfnis nach bezahlbarem und wettbewerbsfähigem Verkehr (wirtschaftlich) und der Notwendigkeit, Verkehrsbeeinträchtigungen zu reduzieren und soziale Gerechtigkeit zu fördern (sozial), Rechnung.

Dem Bericht zufolge ist ein nachhaltiger Verkehr eine wesentliche Voraussetzung für viele der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Während die Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor unabdingbar für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf Klimawandel (SDG 13) und Gesundheit (SDG 3) ist, sehen die Nachhaltigkeitsziele zudem den Zugang zu sicheren, bezahlbaren, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle (SDG 11) und die Verringerung der Zahl der Getöteten aufgrund von Straßenverkehrsunfällen (SDG 3) vor.


Eine Aufladestation mit einem weißen E-Auto
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Bidirektionales Laden: Energiewende mit E-Fahrzeug-Akkus ermöglichen

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Bedürfnisse der Nutzer verstehen

Der Bericht enthält eine Reihe von Anwendungsfällen aus verschiedenen Branchen und Ländern, die dabei helfen sollen, die Bedürfnisse der Nutzer besser zu verstehen und die Dringlichkeit entsprechender Normung zu priorisieren. „Wir haben insgesamt 81 Anwendungsfälle aus verschiedenen Regionen zusammengetragen, inklusive 10 Anwendungsfälle auf Geschäftsebene und 71 Anwendungsfälle auf Systemebene, die vier wesentliche Technologiebereiche abdecken, die dazu beitragen können, das Ziel eines nachhaltigen Verkehrs zu erreichen“, erklärt Feng Ni.

Die vier wesentlichen Technologien, die einen nachhaltigen Verkehr ermöglichen, sind:

  • Elektrifizierung von Verkehrsmitteln (en: electrification of transport vehicles, ETV) erfordert den Einsatz von Strom als Ersatz für fossile Brennstoffe in sämtlichen Verkehrssektoren. Dadurch wird nicht nur die Abhängigkeit von Öl reduziert, sondern auch der CO2-Ausstoß gesenkt.
  • Integration von Verkehrs- und Energiesystemen (en: integration of transport and energy, ITE) erfordert eine koordinierte Vorgehensweise: E-Fahrzeuge werden durch erneuerbare Energien betrieben und gleichzeitig wird Energienutzung im Netz durch die Bereitstellung flexibler Lade- und Energiespeicherressourcen ermöglicht.
  • Intelligente Transportsysteme (ITS) nutzen integrierte Kommunikations- und Datenverarbeitungstechnologien mit dem Ziel, die Mobilität zu verbessern, die Sicherheit zu erhöhen und die Überlastung des Verkehrs zu reduzieren. Zudem steuern sie die Prioritäten im Bereich des öffentlichen Verkehrs.
  • Autonome Fahrzeuge (en: automated driving vehicles, ADV) können ihre Umwelt wahrnehmen und ohne menschliche Intervention fahren. Dazu sind Technologien erforderlich, die auf Umgebungswahrnehmung, Navigationssystemen, Routenplanung und Fahrzeugsteuerung basieren.

Dem Bericht zufolge arbeiten mehrere Normungsorganisationen, inklusive IEC, ISO, IEEE und ITU, an entsprechenden Normen. Für die Realisierung eines nachhaltigen elektrifizierten Verkehrs ist jedoch ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, bei dem der Verkehr im Mittelpunkt steht.

Um die Umstellung auf nachhaltigen Verkehr weiter zu forcieren, schlägt der Bericht einen Ansatz auf Systemebene vor, der auf dem Konzept des nachhaltigen elektrifizierten Verkehrs (SET) beruht. „Das SET-Konzept deckt die gesamte Bandbreite nachhaltigen Verkehrs der Zukunft ab, inklusive Straßen- und sonstigen Verkehr, sowie die Vernetzung nicht nur mit Smart Energy, sondern auch mit intelligenten Städten, intelligenten Transportsystemen, Kommunikation, autonomem Fahren usw.“, erklärt Lili Li.


Mann laedt E-Auto auf
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Zukünftiger Normungsbedarf

Die Zahl der verkauften Elektrofahrzeuge hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, tatsächlich hat sich ihr Marktanteil zwischen 2019 und 2021 etwa verdreifacht. Nachdem immer mehr Länder eine zunehmende Elektrifizierung anstreben bzw. die Nutzung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren verbieten, werden SET-Normen noch dringender gebraucht.

Die IEC arbeitet bereits daran, SET-Normen auf Systemebene und Zugangsebene zu entwickeln, aber es ist noch mehr Arbeit erforderlich. „Unserer Analyse zufolge gibt es zwei wesentliche Mankos bei der SET-Normung im Hinblick auf die Erfüllung der Bedürfnisse des Marktes und der Gesellschaft. Das erste Manko ist das Fehlen von Lade-/Entladenormen für die Elektrifizierung nicht straßengebundener Verkehrsmittel.

Das zweite Manko sind die Normen auf Systemebene für die End-to-End- und sektorübergreifenden SET-Lösungen, die den elektrifizierten Verkehr mit anderen Systemen, wie Energie, Telekommunikation, intelligenten Städten usw., verbinden könnten. Eine derartige Integration wird die beste Nachhaltigkeit und die besten Nutzererfahrungen für den Verkehr der Zukunft erreichen“, erklärt Alexander Kupfer.

In dem Bericht wird ein marktgetriebener Top-down-Systemansatz gefordert, um die Entwicklung von SET-Normen zu beschleunigen, eine Überschneidung zwischen den technischen IEC-Komitees zu verhindern und Normungslücken besser zu erkennen. Laut Alexander Kupfer „wird die Etablierung eines marktgetriebenen, agilen und systematischen internationalen SET-Normungssystems dazu beitragen, die Hindernisse für den kommerziellen Einsatz innovativer Technologien im SET-Bereich abzubauen und die Barrieren für kleine und mittlere Unternehmen beim Eintritt in den internationalen Markt zu senken, sowie verschiedene Regionen und Länder darin unterstützen, begleitende Regulierungssysteme zu verbessern“.


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Einrichtung eines neuen Systemkomitees

Auf Grundlage der in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen hat die IEC vor kurzem ein neues Systemkomitee eingerichtet, das sich auf nachhaltigen elektrifizierten Verkehr konzentriert, das SyC Sustainable Electrified Transportation (SyC SET).

Das SyC SET wird eine ganzheitliche Sicht auf die Normung im SET-Bereich ermöglichen. Zu diesem Zweck wird es Anwendungsfälle, Systemanforderungen und Referenzarchitekturen entwickeln. Ferner wird es den technischen IEC-Komitees einen Leitfaden an die Hand geben und sie unterstützen und mit den relevanten Normungsorganisationen in den Bereichen Verkehr, intelligente Städte und Informationstechnologie zusammenarbeiten. Feng Ni merkt dazu an: „Das neue SyC SET ist ein sehr wichtiger Schritt für die IEC zur Förderung nachhaltigen Verkehrs.“


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