Roboter Staubsauger reinigt einen Teppich
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02.11.2020 Fachinformation

Wohnkomfort im Smart Home: Offene Standards für mehr Lebensqualität werden immer wichtiger

Moderne Smart-Home-Konzepte sind in der Lage, unsere alltäglichen Routinen automatisch zu steuern – angepasst an unsere individuellen Bedürfnisse. Die Einbindung von Multimediageräten in die gesamte Struktur des Hauses wird ebenfalls immer selbstverständlicher. Für die Normung bergen die zahlreichen intelligenten Innovationen für mehr Wohnkomfort im eigenen Zuhause zahlreiche neue Herausforderungen.

Dies ist der vierte Teil unserer Serie zu Smart Home & Living.

Zahlreiche Hersteller bieten bereits Systemkonzepte an, mit der sich zum Beispiel Thermostate, Lichtsteuerung und Türöffner im Haus einbinden lassen. Die dabei verwendeten Standards beruhen auf der physikalischen Ebene zwar auf standardisierten Systemkonzepten und Normen. Allerdings arbeitet die darauf aufgesetzte Datenkommunikation in der Regel nach einer Spezifikation des jeweiligen Anbieters.

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Gerhard Henninger
Zuständiges Gremium

Michael Silverberg, Professor an der Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik der TH Köln, vergleicht die Situation mit Ende der 1990er Jahre als Pay-TV aufkam und jeder Anbieter zunächst seine eigene Spezifikation mit der entsprechenden Setup-Box anbot.

Im Smart-Home-Bereich gibt es im Moment ebenfalls von diversen Anbietern geschlossene Lösungen, die eine gewisse Anzahl von Geräten als Paketlösung zusammenstellen, die sich im Haus einbinden lassen. Diese Systeme arbeiten proprietär – also nach einer Spezifikation des jeweiligen Anbieters und sind meistens im Internet oder mit Cloud-Anwendungen verbunden. Das heißt, sie brauchen eine Anbindung an den Provider.

„Das wird sich sicherlich in die Richtung entwickeln, dass eher sogenannte „autonome Systemkonzepte“ vorangetrieben und standardisiert werden“, sagt Silverberg. „Gegenwärtig fehlt ein möglichst offener Standard, der es erlaubt, weitere Geräte oder Gerätegruppen einzubinden und idealerweise gar keine proprietären Elemente mehr enthält.“ Auch eine weitere Vereinfachung der Installation solcher Systeme unter Einbindung von Komponenten sei erforderlich ebenso wie einheitliche Benutzerschnittstellen (APIs). Silverberg ergänzt: „Oft muss man heute noch sehr viel Software herunterladen, um das Ganze zum Laufen zu bringen. Da gibt es noch viel Vereinfachungsbedarf.“


Smart Home Living Grafik
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Die Deutsche Normungsroadmap Smart Home & Living (2020)

ist in sechs Domänen aufgeteilt, die den aktuellen Stand der Normung, Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Sie lebt von den beteiligten Expertinnen und Experten, die ihre Erfahrungen, Ideen und ihr Wissen in gemeinsamen Workshops zusammentragen.

Zur Normungsroadmap Smart Home & Living

Erfolgsbeispiel: Universal Serial Bus (USB)

Bei Interoperabilität und Konnektivität gilt es an die Erfolgsgeschichte der USB-Schnittstellentechnologie anzuknüpfen, für die in den letzten zehn Jahren umfangreiche Normen und Standards entwickelt wurden und mit der inzwischen jeder Anwender, der IT-Geräte zu Hause und im Büro nutzt, fast täglich ganz selbstverständlich umgeht. Neben der Festlegung der Hardware-Schnittstellen bei den USB-Steckern wurden auch viele Software-technische Festlegungen in den USB-Normen getroffen. Der Vergleich mit USB zeigt aber auch, wie umfangreich die Herausforderung ist. Die Normung der USB-Schnittstelle beschäftigt sich unter anderem mit Themen wie Festlegungen für den USB-Batterie-Ladevorgang, der USB-Stromversorgung, Datenformaten, Anschlussarten, Kabel und Steckverbinder.

Dazu kommt eine neue Dimension: Die immer selbstverständlicher werdende Steuerung solcher Geräte durch Sprachbefehle macht auch die Normung der Systemarchitekturen von Sprachassistenten erforderlich. Im Wohnbereich derzeit noch eher Zukunftsmusik, aber doch schon absehbar, ist der zunehmende Einsatz von vibrotaktilen und haptischen Multimediasystemen sowie Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality. Damit wird der Bedarf an neuen Arten kompatibler Multimediaschnittstellen weiter steigen.


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IT-Sicherheit auch im Bereich Wohnkomfort wichtig

Je mehr smarte Technologie in Wohnhäuser einzieht, desto wichtiger werden Sicherheit und Datenschutz, so dass niemand an die Kontrolldaten, die im Haus zum Beispiel bei Einbruchsystemen verschickt werden, herankommt. „Der Aspekt Cybersecurity wird von den meisten Anbietern von Systemkomponenten – auch aus Kostengründen – zurzeit nicht wirklich ausreichend beachtet“, sagt Silverberg.

Eine Situation, die die EU-Kommission nicht länger akzeptieren möchte und deswegen bereits seit längerem den Einbau von Sicherheitsstandards in Smart-Home-Produkte fordert. Das werde sowohl national als auch international Auswirkungen auf die Normungsarbeit haben, so der Experte Silverberg: „Es wird darauf hinauslaufen, dass man bei einigen Produktnormen noch einmal prüfen muss, welche Aspekte der IT-Sicherheit noch verbessert oder ergänzend aufgenommen werden müssen“, sagt Silverberg. Wichtig sei dabei auch der Input der Hersteller, um möglichst praxisnahe Vorschläge zu erarbeiten.

Um das Thema zu adressieren, hat DKE eine Initiative gestartet und plant für alle betroffenen Bereiche in der Normung jeweils einen Workshop zum Thema „Cybersecurity“ zu veranstalten. Die Workshops sollen als Bestandsaufnahme dienen, um bereichsübergreifend und interdisziplinär Herausforderungen und etwaige Normungslücken sowie neue Projekte zu identifizieren.


Frau am Laptop mit Smartphone
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Informationssicherheit im Smart Home: Nur eine ganzheitliche Betrachtung führt zum Ziel

Mehr Digitalisierung und mehr Vernetzung – das gilt auch für das eigene Zuhause. Damit steigt aber auch das Risiko durch Cyberangriffe.

Anforderungen an die Cybersecurity müssen jedoch nicht neu gedacht werden: Industrieunternehmen, Energieversorger und Bahnbetreiber setzen bereits auf bewährte Sicherheitskonzepte. Kernpunkt ist die gesamtheitliche Betrachtung.

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Zunehmende Integration von Active Assisted Living

Wie wichtig Sicherheitsthemen sind, lässt sich kaum überbetonen, wenn man bedenkt, dass Wohnkomfort sich immer mehr auch mit Active Assisted Living (AAL)-Devices kombinieren wird. Mit AAL soll vor allem älteren Personen und vulnerablen Gruppen ermöglicht werden, möglichst lange selbstbestimmt und sozial aktiv zu Hause leben zu können. Silverberg: „Ich denke zum Beispiel an Fernsehgeräte, die an Videokonferenzsysteme angebunden werden könnten, oder verbesserte Sicherheitssysteme, die vermeiden, dass körperlich eingeschränkte Personen selbst die Tür öffnen müssen. Es gibt zahlreiche sinnvolle Ergänzungen zu den bisherigen Funktionalitäten von Smart Home, die immer bedeutender werden.“

Die Themen „Nutzerschnittstellen“ und „Zugänglichkeit“ (accessibility) im Multimediabereich werden bei IEC im TC 100/TA16 behandelt. Zudem wurde bereits im Jahr 2015 das Systemkomitee AAL (SyC AAL) für den AAL-Bereich gegründet (Spiegelgremium: DKE/K 801), um die Normungsarbeit in diesem Bereich zu steuern und zu koordinieren. Das Systemkomitee AAL spielt außerdem eine große Rolle beim Erreichen der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs).


Gesundheits-Krankheits-Behandlungs-Vitalitäts-Wellness-Nahrungs-Konzept
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Active Assisted Living (AAL): Rasante Fortschritte, große Herausforderungen

AAL bietet großes Potenzial, um den demografischen Wandel konstruktiv zu unterstützen und Menschen lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. In der Praxis gilt es jedoch noch diverse Hemmnisse abzubauen – beispielsweise die noch geringe Akzeptanz älterer Personen gegenüber solchen Systemen und die Erstattungsfähigkeit bei AAL-Technologien seitens Pflege-, Sozial- und Krankenversicherungen.

Die Normungsarbeit setzt genau an diesen Punkten an, um die AAL-Entwicklung weiter voranzutreiben.

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Fokus auf mehr Materialeffizienz

Hierarchie der Materialeffizienz

Hierarchie der Materialeffizienz

| IEC

Energieeffizienz ist ein Dauerthema, das Hersteller von Produkten der Unterhaltungselektronik im Grunde schon von Beginn an begleitet. „Verstärkt kommen inzwischen auch relevante Aspekte der Material- und Ressourceneffizienz hinzu, denn im IT-Bereich kommen vielfach seltene Erden und Metalle zum Einsatz, die nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen und unter hohen Kosten abgebaut werden müssen“, erläutert Silverberg.

Die Europäische Kommission gibt hier bereits eine klare Richtung vor: Im Juli 2020 trat sie mit einem Entwurf eines Normungsantrags bezüglich der Ökodesign- und Energiekennzeichnungsanforderungen für elektronische Anzeigen mit der Bitte um eine Stellungnahme und Kommentierung an die nationalen Normungsorganisationen in Europa heran. Betroffen sind neben TV-Monitoren auch eine Reihe anderer Displays wie PC-Monitore und Touch-Displays.

Die Kreislaufwirtschaft-Grafik zeigt den Einfluss von Produktion, Recycling, Vermarktung und Konsumenten.

Konzept der Kreislaufwirtschaft

| DKE

Erstmals sehen diese Vorschriften zum Beispiel eine gründliche Analyse der Art und Weise vor, wie die Helligkeitsschwankungen durch die automatische Helligkeitssteuerung gesteuert werden, um nicht nur den visuellen Komfort bei schwachem Umgebungslicht, sondern eben auch Energieeinsparungen zu maximieren.

Darüber hinaus soll mit der Verordnung eine Messung des Energieverbrauchs eingeführt werden, wenn der Bildschirm die Videobilder mit hohem Dynamikbereich (HDR) darstellt. Zum ersten Mal werden auch Anforderungen an die Materialeffizienz eingeführt, die darauf abzielen, das Design so zu gestalten, dass Demontage, Recycling und Rückgewinnung von Material, Reparatur und Wiederverwendung erleichtert werden.

Silverberg meint hierzu: „Bei diesen Vorgaben der EU, auch wenn sie noch so sinnvoll sind, muss natürlich darauf geachtet werden, dass keine Fragmentierung des Marktes entsteht. Deswegen müssen auch Hersteller frühzeitig in die Konsultation einbezogen werden.“

Normungsarbeit wird immer komplexer

Während lange Zeit fast nur die Umweltperformance einzelner Produkte und Geräte betrachtet wurde, ist abzusehen, dass es immer wichtiger wird, auch die aktiven Netzwerkgeräte, wie zum Beispiel Router und Switches sowie die komplette Netzwerkinfrastruktur, zu berücksichtigen. Das macht Normungsprozesse deutlich komplexer und anspruchsvoller, da Know-how aus unterschiedlichen Bereichen benötigt wird.

Da die technischen Grenzen zwischen den Branchen Telekommunikation, Rundfunk und Informationstechnologie immer mehr perforieren, bewegt sich die Normung im IEC/TC100 immer mehr weg von der klassischen Produktnormung und immer mehr hin zur Normung von Systemen mit entsprechend höherer Komplexität. Zweifelsohne wird dieser Trend weiterhin anhalten, denn auch im Audio-/Video- und Multimediabereich werden Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge eine stärkere Rolle spielen.


Handlungsbedarf für Politik und Verbände

Beim Creativ Dialog, der am 5. Februar 2020 stattfand, haben Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen eine Vielzahl von Herausforderungen, Ideen und Lösungsmöglichkeiten im Sinne der Standardisierungs- und Konsolidierungsbestrebungen für die Weiterentwicklung von Smart Home & Living hin zum Volumenmarkt erarbeitet.

Darüber hinaus sind weitere Ausbildungsbedarfe sowie politische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Diese sind in der folgenden Aufzählung genannt und werden nun in zukünftigen Workshops von der Expertengruppe den einzelnen Domänen zugeordnet und priorisiert. Daraus ergeben sich dann konkrete Arbeitsaufträge an Politik und Verbände.

Herausforderungen

  • Berührungsängste (Know-how wie Geräte funktionieren und in Betrieb genommen werden)
  • Unsichere Geräte bezüglich der Datensicherheit
  • Proprietäre Lösungen versus Interoperabilität

Lösungen

Zurzeit nicht relevant.

Ausbildungsprofile

  • Planer/Handwerker/Betreuungspersonal
  • Neutrale Aufklärung und Konzeption soll durch Verbände erfolgen
  • Einkaufshilfe bzw. skalierbare Entscheidungshilfe für Endkunde einschließlich Wohnungsbaugesellschaften und -Wohnungsbetreiber
  • Referenzwohnungen/-Häuser schaffen

Politische Rahmenbedingungen

Zurzeit nicht relevant.

Normungsaktivitäten im Bereich Wohnkomfort

IEC TS 62045-1: Multimedia security – Guideline for privacy protection of equipment and systems in and out of use - Part 1: General

IEC TS 62045-1 gives the guideline for methods for the protection of the user's privacy in consumer equipment and systems, both when the equipment or systems are in use and out of use.

IEC TR 63289: Conceptual model for TC100 standardization on multimedia cyber technology

IEC TR 63289:2020 describes the cases of the multimedia cyber technology, including IoT or CPS, within the scope of TC 100, and possible standardization items.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen können Sie im VDE VERLAG erwerben.

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Unsere Artikelserie zu Smart Home & Living