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02.05.2023 Fachinformation

Auf dem Weg zu globaler Ernährungssicherheit

Mehr als 800 Millionen Menschen weltweit sind noch immer von Hunger betroffen. Das SDG 2 der Vereinten Nationen zielt darauf ab, „Null-Hunger“ zu erreichen. Ansätze wie das Vertical Farming, Künstliche Intelligenz, der Einsatz von Drohnen und Fleisch aus dem Labor können langfristig dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.

Die Normung unterstützt direkt und indirekt mit geeigneten Standards, um sowohl die Sicherheit bei der Anwendung zu gewährleisten als auch den Wettbewerb auf eine Ebene zu bringen.

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Ein Artikel von Adrian Pennington

Die im jüngsten Bericht zur Ernährungssicherheit in der Welt enthaltene Warnung könnte drastischer nicht sein: Es muss ganz dringend in nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme investiert werden oder in naher Zukunft wird das Leben von vielen Millionen Menschen riskiert.

Die Organisationen IFAD, WFP, UNICEF, WHO und FAO haben den Bericht verfasst und weisen darauf hin, dass es von jetzt an nur noch acht Jahre sind und wir uns immer weiter davon entfernen, die SDG-2-Ziele zur Beendigung des Hungers in der Welt zu erfüllen.

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Ca. 828 Millionen Menschen waren 2021 weltweit von Hunger betroffen. Das sind ungefähr 180 Millionen mehr Menschen seit die UN die Agenda 2030 im Jahr 2015 verabschiedet hat. Kriege, Klimawandel und die unterschiedlichsten wirtschaftlichen Krisen haben die regionalen Ungleichheiten 2021 weiter verschärft – und hier sind nicht einmal die steigenden Lebenshaltungs- und Lebensmittelkosten eingerechnet, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurden und die Situation in den Folgejahren weiter verschlimmern wird.

Aufgrund der erwarteten Zunahme der Weltbevölkerung auf beinahe 10 Milliarden bis zum Jahr 2050, ein Großteil davon wird in Städten leben, gehen Fachleute davon aus, dass es erforderlich sein wird, die gegenwärtige Lebensmittelproduktion um etwa 70 Prozent bis zum Jahr 2030 zu steigern. Die fünf Organisationen fordern, „mutigere Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Welt widerstandsfähiger gegenüber künftigen Krisen zu machen.

Diverse Anstrengungen wurden bereits unternommen, um das SDG 2 zu erreichen, aber dem Bericht zufolge erweisen sich diese angesichts einer zunehmend schwierigen und unsicheren Lage als unzureichend. In dem Bericht wird daher eine grundlegende Veränderung des weltweiten Ernährungs- und Agrarsystems gefordert, wenn wir in der Lage sein wollen, die Weltbevölkerung zu ernähren.

Vertical Farming als Beitrag zur Problemlösung

Können wir uns, um es frei nach Matt Damons Charakter in Der Marsianer zu formulieren, „mit Wissenschaft aus diesem Schlamassel ziehen“? In anderen Worten: Wie kann Technologie helfen?

„Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass die verfügbare landwirtschaftlich nutzbare Fläche als Folge des Klimawandels und zunehmender Urbanisierung immer kleiner wird“, erläutert Brandon Beh, Analyst beim Beratungsunternehmen IDTechEx. „Wir müssen weltweit die Effizienz der Lebensmittelproduktion erhöhen, und Technologie kann uns dabei helfen.“

Könnte Vertical Farming eine Lösung sein? Anstelle des Anbaus auf Feldern oder dem Anbau in Gewächshäusern, werden Gemüse und Obst in übereinander angeordneten vertikalen Räumen angebaut, ohne natürliches Tageslicht oder Erde. Diese Art des Anbaus erfordert keine Pestizide oder lange Transportwege, wodurch er nachhaltiger ist. Außerdem ist er nicht vom Klimawandel betroffen.

Wasser wird entweder durch die Nutzung von Hydrokultur recycelt, bei der sich die Wurzeln der Pflanzen in nährstoffreichem Wasser befinden, oder durch Aeoroponik, in der die in der Luft hängenden Pflanzenwurzeln ständig mit einem nährstoffreichen Sprühnebel besprüht werden. Von Letzterem wird davon ausgegangen, dass hierbei bis zu 95 Prozent weniger Wasser verbraucht wird als beim Anbau im Freien.

Es gab zuletzt deutliche Investitionssteigerungen beim Vertical Farming, was auf die drastische Senkung der Kosten von LED-Lichtquellen zurückzuführen ist, die erforderlich sind, um Anbaukulturen rund um die Uhr und energieeffizient mit Licht zu versorgen. Geeignete LED-Lichtquellen für die Pflanzenzucht können genau das Lichtspektrum erzeugen, das für optimale Bedingungen für die Photosynthese erforderlich ist.


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Marktwachstum durch die Kosten erschwert

In den USA gibt es bereits mehr als 2.000 vertikale Farmen, die Erzeugnisse wie Salat, Kräuter und Beeren anbauen. Das britische Unternehmen Jones Food Company baut nach eigener Aussage die weltweit größte vertikale Farm (1,5 Hektar) in Gloucestershire. Das Ziel ist, 70 Prozent der im Vereinigten Königreich produzierten Frischware innerhalb der nächsten zehn Jahre zu liefern. Ein Forschungsunternehmen geht davon aus, dass die Branche bis 2026 weltweit auf etwa 9,7 Mrd. US-Dollar wachsen wird. Befürworter sind der Meinung, dass das Konzept dazu beitragen kann, Millionen Menschen zu ernähren.

Andere sind weniger sicher: „Wenn Vertical Farming die einzige Möglichkeit ist, wie wir genug Lebensmittel herstellen können, um die Ernährungsunsicherheit zu bekämpfen, dann ist das nicht die Lösung“, sagt Beh. „Nur in einem Extremszenario, wenn das Klima so schlecht ist, dass wir Landwirtschaft nicht mehr im Freien betreiben können, wird Vertical Farming die einzige Lösung sein.“

Das Problem der vertikalen Landwirtschaft sind die Kosten. Neben der großen Anzahl LED-Lichtquellen ist ein Netzwerk an Sensoren und Kameras erforderlich, die Daten über die Pflanzen und deren Umwelt sammeln. „Diejenigen, die sich bereits jetzt die konventionellen landwirtschaftlichen Technologien nicht leisten können, werden nicht in der Lage sein, sich Vertical Farming zu leisten“, erklärt Beh. IDTechEx schätzt, dass der Sektor mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4 bis 5 Prozent auf 900 Mio. US-Dollar bis zum Jahr 2023 wachsen wird. Im Vergleich dazu war im Jahr 2018 das Geschäft mit biologisch angebautem Obst und Gemüse jedoch allein in den USA 17 Mrd. US-Dollar wert.

Zudem ist der Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis und Kartoffeln „extrem unwirtschaftlich“, wenn er über Vertical Farming erfolgt. Die Wachstumsphase, verglichen zu beispielsweise Salat, dauert länger und sie benötigt viel mehr Licht und damit mehr Energie. Anbauverfahren über Vertical Farming können jedoch die Gesamtlast der Lebensmittelproduktion mindern. Laut Beh „werden durch Vertical Farming lokal erzeugte Produkte bereitgestellt, die für bestimmte Kundengruppen von Interesse sein können und die theoretisch günstigeren Erzeugnisse denjenigen überlassen, die sich teurere Produkte nicht leisten können“.

Wo Normen helfen können

Es wird erwartet, dass die Normung zur Kostensenkung dazu beitragen wird und die Wettbewerbsbedingungen für Hersteller, die Vertical Farmer beliefern, auf eine Ebene heben. Die IEC entwickelt Normen in verschiedenen Bereichen, die für das Vertical Farming relevant sind. Das technische Komitee IEC/TC 47 bspw. veröffentlicht Normen und Standards, die für Sensoren und Sensorennetzwerke relevant sind, während IEC/TC 100 Dokumente in Bezug auf Audio-, Video- und Multimediasysteme erstellt.

IEC 62031 legt Sicherheitsanforderungen für LED-Module für die Allgemeinbeleuchtung fest. IEC/TC 34, das diese Norm veröffentlicht, hat eine Beratergruppe für die Beleuchtung in der Pflanzenzucht eingerichtet – WG 19 – eingerichtet, die für einen koordinierten Ansatz der Normung in diesem Bereich sorgt.

Im Zusammenhang mit Vertical Farming wurde viel über die Blaulichtgefährdung (BLH) berichtet. Das kurzwellige, energiereiche blaue Licht kann durch eine Kombination von photochemischer Wirkung und hoher Intensität die Netzhaut des Auges schädigen. Wie auch andere Beleuchtungstechnologien müssen LED-Lichtquellen für die Pflanzenzucht daher auf ihre photobiologische Sicherheit geprüft werden.

IEC/TC 76 veröffentlicht die Norm IEC 62471, die Leitlinien für die Bewertung der photobiologischen Sicherheit von Lampen und Lampensystemen liefert. Die Norm betrifft sämtliche elektrischen Breitbandquellen optischer Strahlungsmittel einschließlich LEDs, ausgenommen Laser. Um diese Norm zu vervollständigen, veröffentlicht IEC/TC 34 den technischen Bericht IEC TR 62778, der Leitlinien für die Bewertung der Blaulichtgefährdung für alle Beleuchtungsprodukte liefert, die im sichtbaren Spektrum Strahlung abgeben.


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Künstliche Intelligenz und Drohnen

Die Nutzung von Daten für KI-Anwendungen ist nichts Spezifisches bei Vertical-Farming-Anwendungen. So helfen Daten von Sensoren und Drohnen, die Menge an Düngemittel und Wasser in der konventionellen Landwirtschaft zu minimieren. Diese Technologien sind Teil der breit angelegten Digitalisierung der Landwirtschaft, wobei allerdings eine Ungleichheit bei der Verbreitung der grundlegenden Infrastruktur, der 4G- und 5G-Netze festzustellen ist. Diese werden tendenziell weltweit erst in städtischen und erst danach in ländlichen Gebieten eingeführt.

5G mmWave (oder Millimeterwelle) ist ein Ultrahochfrequenzband im Millimeterwellenbereich, das Übertragungsgeschwindigkeiten verspricht, die ca. 100 mal schneller sind als 4G. Diese neue Mobilfunktechnologie ist eines der Schlüsselelemente des 5G-Technologiemixes, der Vorteile für mobiles Wi-Fi, Backhaul im Mobilfunkbereich und Internetdienste für das eigene Zuhause bietet. Eine gemeinsame Anstrengung von IEC und IEEE führte zur Veröffentlichung von zwei internationalen Normen: IEC/IEEE 63195-1:2022 und IEC/IEEE 63195-2:2022 zielen darauf ab, eine zentrale Plattform für die Konformitätsprüfung der elektrischen und magnetischen Felder aller 5G-mmWave-Geräte zu ermöglichen, auch in ländlichen Gebieten.

Es gibt außerdem Bedenken im Hinblick auf die Datensicherheit. Beh erklärt dazu: „Erzeugen Landwirte ein bestimmtes Ernteprodukt und geben sie Daten an Zulieferer weiter, so besteht die Gefahr, empfunden oder real, dass der Lieferant den Preis bestimmter Saatgüter erhöhen könnte.“ Und er ergänzt: „Wenn wir wollen, dass mehr Landwirte neue digitale Technologien nutzen, dann ist die Erstellung von Normen ein großer Schritt. Wenn sie einem System nicht vertrauen können, werden sie es nicht nutzen. Internationale Normen geben Landwirten die benötigte Sicherheit und Transparenz, dass ihre Daten nicht in die falschen Hände gelangen.“ Die IEC veröffentlicht mehrere Normen zu Cybersecurity, darunter IEC 62443, die in jedem industriellen Umfeld Anwendung finden können, auch in der Landwirtschaft und in Einrichtungen der kritischen Infrastruktur, wie Elektrizitätswerke oder Atomkraftwerke, sowie in den Bereichen Gesundheit und Verkehr.

Fleisch aus dem Labor

Das Züchten von Tieren für Fleisch gilt als ein Hauptverursacher von CO2-Emissionen. Künstlich im Labor hergestelltes Fleisch ist eine der Möglichkeiten, CO2-Emissionen zu reduzieren. Laut Good Food Institute wurden allein im Jahr 2020 knapp 3,1 Mrd. US-Dollar in die Herstellung von künstlichem Fleisch investiert. 2021 wurde Singapur das erste Land, das im Labor hergestelltes Fleisch über seine Lieferdienstplattform Foodpanda angeboten hat.

Das Verfahren der Fleischherstellung beginnt mit der Entnahme einer kleinen Menge an Muskelzellen von lebenden Tieren. Im Labor werden die gewonnenen Zellen in einen Bioreaktor gelegt, bevor sie in ein Nährstoffbad kommen. Die Zellen wachsen, vermehren sich und produzieren dabei echtes Muskelgewebe. Diese im Labor erzeugten Zellen können in verschiedene Arten von Fleisch verwandelt werden.

Künstlich erzeugtes Fleisch hat seine eigenen Energieanforderungen, die ebenfalls Treibhausgasemissionen verursachen. Jedoch ist es möglich, Labore mittels erneuerbarer Energie mit Strom zu versorgen. Mindestens fünf technische Komitees der IEC entwickeln Normen für erneuerbare Energieanlagen, unter anderem IEC/TC 82, das Normen für photovoltaische Solaranlagen erstellt, und IEC/TC 88, das Normen für Windenergieanlagen entwickelt.

Aktuelle Schätzungen bzgl. der Produktionskosten für im Labor hergestelltes Fleisch belaufen sich auf 363 US-Dollar bis 2.400 US-Dollar pro Pfund Rindfleisch, wodurch es deutlich teurer in der Herstellung ist als normales Fleisch. Normen sollten auch hier dazu beitragen, die Kosten in dieser neuen Branche zu senken. Ein Bereich, mit dem sich die IEC und andere Normungsorganisationen auseinandersetzen werden.


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