Balkonkraftwerk zur Erzeugung erneuerbarer Energie
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17.10.2022 Fachinformation

Balkonkraftwerke: Wie Einspeisen nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sicher ist

Ein warmer Donnerstagabend im August. Josefine wischt schnell noch einmal mit einem Lappen über die zusammengewürfelten Bänke und Stühle, als die ersten zwei Personen den Hinterhof in Köln Ehrenfeld betreten. Heute ist Eigentümerversammlung. Wie jedes Jahr um diese Zeit. Anders als sonst ist jedoch die Agenda. Denn neben den sonst üblichen Punkten, wie der Betriebskostenabrechnung oder Sanierungsmaßnahmen, steht an diesem Tag auch das Thema „Balkonkraftwerke“ auf dem Plan. Eine Premiere.

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Dominika Radacki
Alexander Nollau
Zuständiges Gremium

Eigenen Strom erzeugen. Wachsendes Interesse.

Stromerzeugung mit einer Mini-PV-Anlage

Stromerzeugung mit einer Mini-PV-Anlage

| DKE

„Neun, zehn, elf – alles klar, wir sind vollzählig“, stellt Josefine fest, die ihre Aufgabe als neue Verwalterin sehr ernst nimmt. Angenehm im Schatten des fünfstöckigen Wohnhauses sitzen die Eigentümer*innen der Immobilie im Halbkreis. Ein bunter Haufen. So wie die Sitzgelegenheiten.

„Danke, dass ihr alle gekommen seid. Fehlt nur noch Michael, der ist heute per Video dabei“, murmelt die junge Frau und platziert ein Tablet auf einem Barhocker. Michael ist ehemaliger Journalist, lebt im Sommer auf Mallorca und winkt zufrieden in die Kamera.

„So, jetzt aber!“, sagt Josefine etwas lauter und öffnet ihr Protokoll auf dem Laptop. „Neben euch Eigentümerinnen und Eigentümern möchte ich heute Abend auch Selma begrüßen. Sie arbeitet als Energieberaterin und wird uns mit ihrer Expertise bei dem Punkt Balkonkraftwerke unterstützen.“

Selma nickt freundlich in die Runde und versucht, jeder Person einmal kurz in die Augen zu schauen. Gar nicht so einfach bei so vielen Menschen. Eigentümerversammlungen sind natürlich nicht ihr Tagesgeschäft, aber mit dem wachsenden Interesse an den kleinen Balkonkraftwerken – und den vielen Fragen dazu – wird sie immer häufiger zu solchen Veranstaltungen eingeladen.

Informieren. Aber bei den richtigen Quellen.

Nachdem die Truppe sich etwa zwanzig Minuten über die Jahresabrechnung ausgetauscht und einstimmig beschlossen hat, die Kellerräume im kommenden Jahr zu renovieren, kündigt Josefine Punkt Nummer drei auf der Tagesordnung an: „Balkonkraftwerke“.

Noch während sie die Worte ausspricht, schnellt Ullis Hand in die Höhe. Der pensionierte Lehrer wohnt im Erdgeschoss des Hauses und hatte mehrmals per Mail darum gebeten, das Thema auf die Agenda zu nehmen. Schließlich wolle er noch in diesem Monat sein eigenes Balkonkraftwerk draußen aufhängen.

„Hier, das war ich!“, ruft er.
„Alles klar, Ulli. Du hast das Wort.“
„Ich habe mir in Facebook-Gruppen ganz viel zu den Balkonkraftwerken durchgelesen und viele Videos auf YouTube angeschaut“, beginnt er. „Also Martina aus dem Dachgeschoss hat sowas ja schon am Laufen.“
Martina richtet sich in ihrem Plastikstuhl auf.
„Und zu ihr kam extra der Handwerker, um eine neue Steckdose, so eine „Energiesteckdose“, einzubauen. Im Internet haben die meisten Leute aber berichtet, dass ihre Balkonkraftwerke auch so funktionieren. Mit einem normalen Stecker. Und ohne Elektriker. Was soll ich denn jetzt machen?“
„Steig erstmal aus den Facebook-Gruppen aus“, lacht Michael auf dem Display.
„Nee, im Ernst Ulli. Es lohnt sich schon, die Quellen zu überprüfen. Nur, weil irgendwelche Menschen online von ihren Erfahrungen erzählen, bedeutet das noch lange nicht, dass alles stimmt. Das ist ja ein heiß diskutiertes Thema.“


Balkonkraftwerke & Mini-PV: Was gilt, was kommt?

Bagatellgrenze, Anmeldeverfahren, Stecker und Produktnorm – auf der ISH 2023 gab Alexander Nollau dem haustec.de-Redakteur Oliver Janßen ein ausführliches Interview über die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen bei Mini-PV-Anlagen und was der VDE vorschlägt, um die Installation und den Betrieb zu vereinfachen.

Quelle: https://www.youtube.com/@haustectv


Gefahren vermeiden. Energiesteckdose schützt.

Nun meldet sich Martina: „Das hat mich bei meiner Recherche damals auch sehr irritiert. Ich habe mich dann direkt beim VDE informiert. Der Verband ist einerseits unabhängig und auf der anderen Seite kennen die sich mit elektronischen Geräten aus.“

„Das wäre auch meine Empfehlung“, sagt Selma, die auf ihren Einsatz gewartet hat. Plötzlich sind alle Blicke auf sie gerichtet.

„Martina ist schon den besten Weg gegangen“, erklärt sie. „Die Energiesteckdose schützt euch vor einem elektrischen Schlag und der kann ganz schön gefährlich sein. Deshalb sollten Balkonkraftwerke nicht einfach an eine übliche Haushaltssteckdose mit Schutzkontaktstecker angeschlossen werden. Auf den Metallstiften kann nämlich Spannung sein. Das beschreibt der VDE in seinen Sicherheitsgrundnormen.“

Jetzt meldet sich Sven aus dem zweiten Obergeschoss: „Das verstehe ich nicht. Mein Staubsauger oder mein Mixer haben auch so einen normalen Stecker. Und dafür brauche ich doch auch keine extra Steckdose?!“
Selma: „Das stimmt natürlich. Aber du darfst nicht vergessen, dass ein Balkonkraftwerk den Strom nicht empfängt, sondern zurückspeist. Das ist bei deinem Staubsauger oder Mixer nicht der Fall. Deshalb braucht es eine Energiesteckdose.“
Sven nickt langsam: „Verstehe, verstehe. Daran hatte ich gar nicht gedacht.“

Die Norm VDE-AR-E 2100-550 (VDE-AR-E 2100-550) legt fest, dass Steckdosen und Stecker so installiert sein müssen, „dass berührbare Steckerstifte in nicht gestecktem Zustand nicht unter Spannung stehen.“

Aktuell erhältliche Balkonkraftwerke erfüllen diese Anforderung häufig nicht. Deshalb empfiehlt die Normung, eine Energiesteckdose zu verwenden.


Wie sicher sind Balkonkraftwerke wirklich?

Wie sicher sind Balkonkraftwerke wirklich?

| Welt der Wunder

Wie sicher sind Balkonkraftwerke wirklich?

Mit einer Mini-Solaranlage auf dem Balkon oder im Garten können alle Bürgerinnen und Bürger einen eigenen Beitrag zur Energiewende leisten – und dabei auch noch Kosten sparen.

Im Interview mit Welt der Wunder spricht Alexander Nollau, Experte beim Verband der Elektrotechnik, über die aktuelle Sicherheitsdiskussion, wie effizient Mini-PV-Anlagen wirklich sind und warum Energie neu gedacht werden muss.

Quelle: Welt der Wunder (Ausgabe 04/2023)

Interview lesen

Safety first: Mitmenschen und Eigentum schützen.

Martina: „Ich habe zwei Balkonkraftwerke. Die durfte ich auch nicht einfach mit einem Dreierstecker verbinden und in die Steckdose stecken. Beide brauchen jeweils eine separate Sicherung.“
„Absolut richtig“, stimmt Selma ihr zu.

Ganz links räuspert sich Frank.
„Ja, bitte“, moderiert Josefine.
„Also ich kann euch das als Sachbearbeiter einer Versicherung mal aus meiner Perspektive erläutern. Unser schönes Haus hier stammt aus dem Jahr 1911. Niemand weiß, wie genau es in den Wänden aussieht. Wie alt die Leitungen sind – oder wie stabil. Reichen die überhaupt zum Einspeisen? Falls nicht, können die überlasten und es kann zum Kabelbrand kommen. Und wer dann keine Elektrofachkraft konsultiert und das schriftlich hat, haftet für den Schaden. Denkt mal an die Altbauten, die es überall noch gibt, da sieht es nicht anders aus.“

Sven: „Ach, Frank. Ich bitte dich! Wir haben mittlerweile über 200.000 solcher Balkonkraftwerke in Deutschland. Und es ist noch nie etwas passiert. Wie viele solcher Versicherungsfälle hattest du bis heute auf deinem Schreibtisch?“

Frank: „Das stimmt, aber was du nicht vergessen darfst, ist, dass nicht jeder Schaden gemeldet wird. Niemand weiß, wie viele kleinere Unfälle schon durch eine unsachgemäße Installation oder fehlende Prüfung passiert sind. Es muss ja nicht immer das ganze Haus abbrennen. Der Schaden ist trotzdem da.“

Selma: „Das ist ein sehr guter Punkt, Frank. Wenn ihr euch nachweislich an die Anforderungen haltet, ist das für alle Bewohnerinnen und Bewohner am sichersten – und ihr habt im Ernstfall das Recht auf eurer Seite. Deshalb hat der VDE solche Anforderungen ebenfalls in seinen Normen beschrieben. Mit einem einzigen Ziel: Eure Sicherheit zu gewährleisten.“
„Das klingt logisch“, meint Ulli.

Sven schüttelt den Kopf: „Nee, sorry, für mich ist das alles einfach sehr hypothetisch und bürokratisch. Ist ja kein Wunder, dass wir die Energiewende nicht vorantreiben, wenn wir Normen haben, die so hohe Anforderungen stellen.“

„Schau mal, Sven“, sagt Martina. „Es geht vor allem darum, dass diese Normen auch für eine gewisse Sicherheit sorgen – und zwar für alle. Wir sprechen hier über Verbraucherschutz. Auf YouTube findest du etliche Videos, in denen Leute sich Balkonkraftwerke aus verschiedenen Komponenten zusammenbasteln, an die Steckdose anschließen und andere zum Nachmachen auffordern. Das hat aber nichts mit Sicherheit zu tun. Und schon gar nicht für alle!“

Normen sind in der Regel nicht rechtsverbindlich, sondern haben einen empfehlenden Charakter – und sind damit freiwillig in der Anwendung.

Sie werden von Expertinnen und Experten aus den jeweiligen Fachgebieten im Konsens erarbeitet und leisten so eine abgestimmte technische Vorgabe. Wenn jedoch ein Schaden entsteht, die normativen Anforderungen jedoch beachtet wurden („Aktueller Stand der Technik“), lässt der Gesetzgeber die Vermutung zu, dass den Sorgfaltspflichten nachgekommen wurde.

Innovation braucht Wettbewerb. Wettbewerb braucht Regeln

Michael: „Als Journalist habe ich mich viel mit Innovationen beschäftigt und gelernt, dass sich Ideen erfahrungsgemäß erst dann durchsetzen, wenn klar ist, wie die Regeln dazu lauten. Also wenn ein gemeinsamer Standard herrscht. Wie zum Beispiel bei Steckern für Elektroautos. Es sei denn, du bist Tesla, dann kannst du machen, was du willst.“
Alle lachen. 

Sogar Sven schmunzelt: „Die Argumente verstehe ich. Aber lohnen sich die Anschaffungskosten für ein Balkonkraftwerk, eine Energiesteckdose und den Elektriker dann überhaupt noch? Das kostet ja alles Geld.“

Martina: „Also bei mir läuft alles super. Wenn ich mir anschaue, was ich in diesem Sommer an Strom erzeugt habe, dann ist das schon klasse. Vor allem in Anbetracht der steigenden Energiepreise. Ich freue mich über jede Sonnenstunde! Trotzdem rechnet sich mein Balkonkraftwerk erst nach ein paar Jahren. Das ist ja klar. Es ist eben eine langfristige Investition – für uns, aber auch für die Gesellschaft.“

Josefine legt ihren Laptop vom Schoß und erhebt sich. „Danke Martina, das war ein gutes und schönes Schlusswort.“

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

Zum VDE VERLAG

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