Interview mit Alexander Nollau - Kollage
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14.10.2022 Fachinformation

Der Normentwurf für Mini-PV ist erschienen – was bedeutet das für die Öffentlichkeit?

Der Entwurf der Produktnorm DIN VDE V 0126-95 "Steckersolargeräte für Netzparallelbetrieb – Grundlegende Sicherheitsanforderungen und Prüfungen" wird heute veröffentlicht.

Im Interview erklärt Alexander Nollau, Abteilungsleiter Energy, warum die Erstellung eines Normentwurfs gerade für dieses Thema von besonderer Bedeutung ist.

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Alexander Nollau

Ein Normentwurf lässt Einsprüche zu

DKE: Herr Nollau, heute erscheint der Entwurf der Produktnorm. Was bedeutet das? 

Nollau: Die Veröffentlichung eines Entwurfs bietet der Öffentlichkeit und interessierten Kreisen die Möglichkeit, an der Erarbeitung teilzunehmen. Wie Sie sich vorstellen können, hat bei diesem Projekt mit einem solchen öffentlichen Interesse leider nicht jede*r die Gelegenheit, von Beginn an im Gremium mitzuarbeiten. Daher wird von uns ein Entwurf veröffentlicht, der nun von allen kommentiert werden kann.  

Die Erarbeitung von Normen folgt einem festgelegten Prozess

DKE: Wer hat den Entwurf erarbeitet?

Nollau: Prinzipiell ist es so, dass Expert*innen aus möglichst allen interessierten Bereichen Normen und Standards gemeinsam erarbeiten. Man spricht an dieser Stelle auch von einem Gremium. Unsere technischen Expert*innen kommen aus den Bereichen Verbraucher, Dienstleister, Wissenschaft oder staatliche Organisation. Innerhalb dieser Gremien erarbeiten sie Normen und Standards und berücksichtigen dabei im Dialog sämtliche Anliegen und Einwände, um alle Interessen einzubeziehen.

Ein Gremium entwickelt Normen auf Grundlage des praxisnahen Wissens der beteiligten Expert*innen. In diesem Fall besteht das zuständige Gremium aus Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), vom Verbraucherschutz, Forschungsinstituten, aus der Elektroindustrie und Handwerker*innen. Sie bringen ihre Erfahrungen und ihr Know-how aus ihren jeweiligen Branchen in die Normungsarbeit ein. Auf diese Weise erarbeitet das Gremium möglichst aktuelle und von allen mitgetragene Ergebnisse, so dass die Normen dem Konsens entsprechen und schließlich der Öffentlichkeit als Entwurf vorgestellt werden.

Das gemeinsame Ziel ist also, konsensbasierte, allgemein anerkannte, marktorientierte, technisch aktuelle Regeln und Leitlinien zu entwickeln, die letzten Endes der zuständige Ausschuss veröffentlicht.


Normungsprozess

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Alles rund um den Normungsprozess

Der Begriff „Norm" findet in vielen Lebensbereichen wieder: als soziale Norm, Rechts- oder Arbeitsnorm sowie im technischen Bereich als „anerkannte Regel der Technik". Normung beschreibt in dem Fall die Formulierung, Herausgabe und Anwendung von Regeln, Leitlinien oder auch Merkmalen durch eine anerkannte Organisation. Aber wie genau funktioniert der Normungsprozess eigentlich?

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Jeder kann Verbesserungsvorschläge einreichen

DKE: Wie kann ich kommentieren?

Nollau: Sie haben mehrere Möglichkeiten, diesen Entwurf zu kommentieren. Der einfachste und schnellste Weg ist über die Anmeldung in unserem Entwurfsportal. Dort haben Sie die Möglichkeit, direkt und einfach zu den jeweiligen Stellen des Entwurfs einen Kommentar abzugeben. 

Die Registrierung im Entwurfsportal ist kostenfrei. Während dieser Kommentierungszeit können Sie das Dokument online komplett einsehen und kommentieren (bei diesem Entwurf beträgt sie vier Monate bis zum 14.2.2023). Ich möchte hier gerne drauf hinweisen, dass wir nur Kommentare berücksichtigen, die auch einen Verbesserungsvorschlag, das heißt technische Gründe, beinhalten. Das ist ein Grundprinzip der Normungsarbeit und hilft dem Gremium dabei, Ihren Kommentar besser zu verstehen.

DKE: Kann ich meinen Kommentar persönlich beim Gremium vortragen?

Nollau: Ja, das ist möglich. Im Rahmen einer öffentlichen Sitzung zur Einspruchsberatung können alle Kommentierenden, deren Kommentare abgelehnt wurden, noch einmal persönlich ihren Standpunkt darlegen. Wir möchten damit sicherstellen, dass die Argumentation hinter einem Kommentar vom Gremium wirklich verstanden wurde.

DKE: Was passiert mit meinem Kommentar? Wird er überhaupt beachtet?

Nollau: Ja, jeder Kommentar wird beachtet und berücksichtigt. Alle Kommentare werden am Ende der Kommentierungsphase dem Gremium zur Bearbeitung vorgelegt. Im Gremium werden dann die Kommentare beraten und entweder angenommen oder abgelehnt. Durch die Registrierung im Entwurfsportal werden Sie darüber informiert, wie mit Ihrem Kommentar verfahren wurde. Sie können sich vorstellen, dass das je nach Anzahl der Kommentare eine gewisse Zeit dauert.


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Um die Grundsätze und Grundprinzipien der Normung verstehen zu können, bedarf es nur der Kenntnis weniger Aspekte. Die Grundlagen beinhalten Definitionen, Grundbegriffe und Erklärungen zu Prozessen und Zielen als auch weitergehende Informationen zu Normen und Standards.

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Schlichtungsverfahren sind im Normungsvertrag verankert

DKE: Das Gremium lehnt meinen Kommentar weiterhin ab. Was kann ich machen?

Nollau: Für diesen Fall haben wir das sogenannte Schlichtungsverfahren vorgesehen. Das bedeutet, dass Sie der Entscheidung des Gremiums bis einen Monat nach der öffentlichen Einspruchsberatung widersprechen können. Auch hier müssen wieder technische Gründe dargelegt werden, warum Ihr Kommentar angenommen werden soll. Im nächsten Schritt entscheidet eine neutrale Stelle endgültig über Ihren Kommentar. Dies ist ebenfalls ein Grundprinzip der Normung und so im Vertrag mit der Bundesregierung verankert.

Gemeinsam die Zukunft gestalten

DKE: Was ist Ihr Ziel für die Kommentierung, Herr Nollau?

Nollau: Wir möchten so viel Engagement in der Normung wie möglich. Wir haben ein aktuelles Thema, das nicht nur wichtig für die Energiewende, sondern für die Bürger*innen ist, die mit dieser Technik einen Beitrag dazu leisten – und das möchten wir sicher gestalten und voranbringen. Daher ist mir die rege Beteiligung der Öffentlichkeit ein Anliegen und wir versuchen damit natürlich auch, eine größtmögliche Transparenz im Normungsprozess aufzuzeigen.

Das öffentliche Einspruchsverfahren gibt es für jeden Entwurf und darzustellen, wie die Mechanismen in der Normung funktionieren, ist immer relevant. Schließlich ist das ein Thema für alle und daher sollten sich alle beteiligen. Wenn man dabei den Sinn und die Vorgehensweise in der Normung kennenlernt, ist das umso besser.

DKE: Vielen Dank für das Gespräch!

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

Zum VDE VERLAG

Wir bedanken uns für dieses Interview bei

Portraitfoto Alexander Nollau

Alexander Nollau

Abteilungsleiter Energy, DKE

Verantwortlich für alle Normen im Bereich regenerative Energieerzeugung, Energiemessung und Energietransport.

Portraitfoto Alexander Nollau

Abteilungsleiter Energy, DKE

Verantwortlich für alle Normen im Bereich regenerative Energieerzeugung, Energiemessung und Energietransport.

Weitere Aktivitäten:

  • Mitglied „Ausschuss Gateway-Standardisierung“ des BMWK zur Digitalisierung in der Niederspannungsebene
  • Mitglied „World Energy Council“
  • Mitglied VDE Ausschuss Sicherheits- und Unfallforschung 

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