Grüne Glaskugel mit grünen Blättern und Morgensonne
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25.10.2021 Fachinformation

Unterstützung von Normenerstellern bei der Behandlung von Umweltfragen

Normen leisten bereits einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Fest steht aber auch, dass hier weiteres Potenzial für die Zukunft besteht. Aus diesem Grund wurde eine Beratergruppe gegründet, ACEA, die Technische Komitees bei Umweltfragen unterstützen soll.

Im Interview mit IEC e-Tech spricht Solange Blaszkowski als ACEA-Vorsitzende über die Arbeit der Beratergruppe, neue Leitfäden, Glaubwürdigkeit und die Zusammenarbeit mit IEC-Komitees.

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Von Natalie Mouyal

Als Anfang 2020 ein Großteil der Welt stillstand, kam der negative Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt zum Vorschein. Für kurze Zeit verbesserte sich die Luftqualität und die CO2-Emissionen sanken. Eine bleibende Konsequenz ist das erneute Interesse an der Nachhaltigkeit.

Immer mehr Regierungen kündigen Pläne an, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und vermehrt auf erneuerbare Energien umzusteigen. Lieferketten werden von der Industrie neu bewertet. Verbraucher wünschen sich das Recht auf die Reparatur von Produkten und wählen einen Lebensstil, der Nachhaltigkeit einschließt.

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In Anerkennung der Tatsache, dass Normen dabei helfen können, den Schutz der Umwelt vor potenziell schädlichen Auswirkungen elektrotechnischer Produkte und Systeme zu thematisieren, hat das Strategic Management Board (SMB) das IEC Advisory Committee for Environmental Affairs (ACEA) in Leben gerufen. Es soll dabei helfen, sicherzustellen, dass Umweltschutzaspekte in IEC-Publikationen Berücksichtigung finden.

Das Online-Magazin IEC e-tech sprach mit der ACEA-Vorsitzenden, Solange Blaszkowski, um mehr über die Arbeit der Beratergruppe zu erfahren.

Interview mit Solange Blaszkowski

e-Tech: Welche Rolle spielt ACEA?

Blaszkowski: ACEA berät Normenautoren dabei, Umweltbelange in ihre Veröffentlichungen einzubeziehen. Wir bieten ein Forum zur Diskussion dieser Themen unter den IEC-Komitees (TCs/SCs/SyCs) und koordinieren dabei die IEC-Arbeit, um Konsistenz sicherzustellen und Doppelarbeit an oder Widersprüche in IEC-Publikationen zu vermeiden. Wir schreiben jedoch keine Normen, das liegt in der Verantwortlichkeit der IEC-Komitees. Stattdessen erarbeiten wir Leitfäden, um sicherzustellen, dass die Normenersteller Themen, die einen Einfluss auf die Umwelt haben, behandeln.

ACEA spielt auch eine Rolle bei der Sensibilisierung des IEC SMB- und IEC-Komitees für neue oder bevorstehende umweltbezogene Themen. Ein Beispiel ist die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft), die in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat.


Bodenverschmutzung durch Elektroschrottrecycling
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Globale Bemühungen zur Bewältigung des Elektroschrottproblems

Elektroschrott ist ein großes Problem, das durch die technologische Weiterentwicklung stetig zunimmt. Es bedarf daher globaler Ansätze, um dieses Problem zielgerichtet zu adressieren.

Die elektrotechnische Normung investiert viele Ressourcen in die Erarbeitung von Normen, Standards und Richtlinien, um die anfallende Menge an Elektroschrott zu verringern.

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e-Tech: Wie hat ACEA das Thema der Kreislaufwirtschaft angesprochen?

Blaszkowski: Im Jahr 2018 hat ACEA eine Umfrage durchgeführt, um den Kenntnisstand und das Wissen über die Relevanz der Kreislaufwirtschaft und der Materialeffizienz der IEC-Komitees zu ermitteln und festzustellen, ob sie zwischen diesen Begriffen unterscheiden können. Wir fanden heraus, dass es bekannte Begriffe sind, deren Bedeutungen jedoch nicht klar sind. Wir haben auch festgestellt, dass viele Komitees zwar nicht dachten, dass diese Begriffe ihre Arbeit betreffen, sie diese aber tatsächlich in Bereichen wie dem Produktdesign oder der Recyclcingfähigkeit von Produkten einsetzen.

Je länger Produkte leben desto mehr werden Normen gebraucht, um Produktsicherheit, Leistung und Zuverlässigkeit sicherzustellen. Da Aspekte im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz mit anderen Anforderungen in Konflikt stehen können, müssen sich die IEC-Komitees damit auseinandersetzen, wie Sicherheitsanforderungen erfüllt werden, wenn die Lebensdauer der Produkte und Bauteile durch die Wiederverwendung von Produkten, die Verwendung gebrauchter Komponenten, der Einsatz von recycelten Materialien oder durch Reparaturen steigt. ACEA ist bereit, in diesen Fällen zu unterstützen.

Als weiteren Schritt haben wir, zum Beispiel mit Workshops und Webinaren, eine Informations- und Aufklärungskampagne für die IEC-Community gestartet. Mit dem Gremium IEC/TC 111 (DKE/K 191) arbeiten wir sehr eng zusammen an Normen, die den Materialkreislauf in die umweltbewusste Gestaltung genauso wie ein allgemeines Verfahren zur Bewertung des Anteils wiederverwendeter Komponenten in Produkten einführen.

Normen spielen insofern eine sehr wichtige Rolle, als dass sie eine einheitliche Terminologie und dasselbe Verständnis für gegenwärtig als schwierig geltende Begriffe in der Kreislaufwirtschaft schaffen. ACEA unterstützte die Bildung der gemeinsamen Arbeitsgruppe innerhalb vom Gremium IEC/TC 1 (DKE/K 111), um die Terminologie in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft, insbesondere die Materialeffizienz, festzulegen.


Nachhaltigkeitskonzept, dargestellt mit Sprechblasenstickern
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Circular Economy – Normung als Rückgrat einer nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Produktion

Die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) ist das Gegenmodell zur Linearwirtschaft, die seit Beginn der Industrialisierung die weltweiten Wirtschaftsmodelle dominiert hat. Ziel dieser Circular Economy ist eine Erhöhung der Ressourceneffizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere mit Blick auf die endlichen Ressourcen des Planeten.

Normen und Standards helfen dabei, dieses Ziel schon bei der Produktion zu berücksichtigen.

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e-Tech: ACEA ist dabei, eine Reihe neuer Leitfäden zu erarbeiten. Können Sie uns mehr über die neuen Leitfäden zur Festlegung von Terminologie zum Halogengehalt in IEC-Publikationen berichten?

Blaszkowski: Die weit verbreitete Verwendung von Halogenen in elektrischen und elektronischen Produkten kann auf drei Faktoren zurückgeführt werden:

  • ihre Leistungseigenschaften,
  • die relativ geringen Kosten und
  • die hohe Verfügbarkeit des Rohstoffs.

Wegen der hohen Hitzebeständigkeit, die einige von Halogenen abgeleitete Verbindungen aufweisen und die die Verbrennung im Brandfall einschränken kann, werden Halogene häufig als Flammschutzmittel eingesetzt. Während Halogene viele Vorteile bieten können, werden einige Verbindungen mit Gesundheits- oder Umweltrisiken in Verbindung gebracht und so ist ihr Einsatz in verschiedenen Ländern der Welt gesetzlich geregelt.

In der verwendeten Terminologie und den damit verbundenen Anforderungen bestehen jedoch Widersprüche. Teilweise werden unterschiedliche Begriffe wie halogenfrei, nicht halogeniert, Null-Halogen und halogenarm benutzt, um einen ähnlichen Halogengehalt auszudrücken. Trotz Verwendung desselben Begriffs werden hin und wieder unterschiedliche Grenzwerte verwendet. In Einzelfällen werden gleiche Begriffe in Bezug auf verschiedene Halogene benutzt.

Hier werden deshalb Leitlinien benötigt, um die Terminologie für halogenbezogene Angaben einheitlich und eindeutig zu gestalten. Auch bei der Auswahl der Prüfmethodik zur Bestimmung des Halogengehalts ist eine gründliche Abwägung nötig. Daher erstellt ACEA einen Leitfaden für Normenersteller zu diesem Thema.


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e-Tech: Ein anderes Thema, mit dem sich ACEA beschäftigt, ist die Glaubwürdigkeit. Wieso ist es wichtig, einen Leitfaden zu diesem Thema zu erarbeiten?

Blaszkowski: Wir müssen das Vertrauen der Anwender in die Aussagen zur Umweltverträglichkeit von Produkten bewahren und evtl. sogar wiedergewinnen. Deshalb sollten auf die Umweltleistung bezogene Prüfnormen den Anwendern das gleiche Maß an Sicherheit bieten wie z. B. Sicherheitsprüfnormen.

Unklare Prüfverfahren oder Prüfverfahren, die die Möglichkeit verschiedener Interpretationen bieten, sind anfällig dafür, missbraucht oder, anders formuliert, umgangen zu werden. Auch bei der Entwicklung einer Prüfvorschrift, die sich direkt oder indirekt auf eine Umweltleistung bezieht, ist es wichtig, die von den Verbraucher*innen in der Praxis angewandten Bedingungen korrekt abzubilden. Bei der Formulierung von Prüfvorschriften ist es zwingend notwendig, ihre Aussagekraft für die tatsächliche Nutzung zu erhöhen und das Risiko einer Umgehung zu behandeln und zu minimieren.

Der Leitfaden mit dem Titel „Securing the credibility of IEC publications containing environmentally relevant provisions“ behandelt neben den klassischen Messgrundsätzen (wie z. B. Reproduzierbarkeit, Wiederholbarkeit und Genauigkeit) und den Kosten auch die Begriffe Realitätsnähe und Umgehungsschutz. Damit wird der Spielraum für „Greenwashing“ reduziert und das Vertrauen in IEC-Publikationen erhöht.


Nachhaltigkeit und Verantwortung - Label
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Leitlinien für die Vermeidung von Umgehungen in Normen

Manipulierte Testergebnisse sind kein Kavaliersdelikt. Und die Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft können unter Umständen katastrophal sein. Auch für die Normung ist das Thema dieser „Umgehungen“ von sehr großer Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die EU-Ökodesign- und Energiekennzeichnungsvorschriften.

Neue Leitlinien sollen das Bewusstsein bei den Komitees und Arbeitsgruppen von IEC schärfen.

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e-Tech: ACEA arbeitet auch an einer Überarbeitung von IEC Guide 109 und erarbeitet Leitlinien zur Unterstützung der Einführung des IEC Guide 108.

Blaszkowski: Die dritte Ausgabe von Guide 108 legt Regeln für die Behandlung horizontaler Aufgaben und Veröffentlichungen fest. ACEA bereitet hierbei zur Unterstützung der Implementierung einen Leitfaden vor, der sich auf Umweltaspekte bezieht, einschließlich festgelegter Prozesse, erforderlicher Informationen, Definitionen usw. In die Überarbeitung von Guide 109 werden Informationen zu neuen Themen wie Kreislaufwirtschaft, Risikomanagement, Klimawandel und erneuerbare Energien aufgenommen.

e-Tech: Im Rahmen seines Normungsauftrags unterstützt ACEA die Koordinierung zwischen den IEC-Komitees und mit anderen Normungsorganisationen. Wie ist der aktuelle Stand?

Blaszkowski: Da es der Umwelt „egal“ ist, ob sie durch ein elektronisches (IEC) oder nicht elektronisches (ISO) Produkt zerstört wird und die Technologien zunehmend miteinander verschmelzen, gewinnt die Zusammenarbeit von ISO und IEC auf den Gebieten Umwelt und Kreislaufwirtschaft an Bedeutung.

Momentan erarbeitet IEC/TC 1 in Zusammenarbeit mit ISO eine Terminologie zu Kreislaufwirtschaft und IEC/TC 111 arbeitet zusammen mit ISO/TC 207, Umweltmanagement, an der Materialdeklaration. Zusätzlich vertreten Mitglieder von ACEA die IEC im ISO Climate Change Coordination Committee (CCCC). ACEA hat auch die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Gruppen in ITU-T und bei CEN/CENELEC aufgebaut. Die Beratergruppe hat aktuell Liaisons zu zahlreichen Technischen Komitees von IEC und die Mitgliederzahl ist in den letzten Jahren um 40 Prozent gestiegen.

e-Tech: Inwieweit ist die Arbeit von ACEA von Bedeutung für die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN?

Blaszkowski: Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN erkennen an, dass nachhaltige Entwicklung wirtschaftliches Wachstum, soziale Eingliederung und Umweltschutz erfordert. Wenn wir wirtschaftliches Wachstum und zugleich eine nachhaltige Entwicklung erreichen wollen, müssen wir unseren ökologischen Fußabdruck verkleinern, indem wir die Art und Weise ändern, wie wir Waren und Rohstoffe produzieren und verbrauchen.

Der effiziente Umgang mit Rohstoffen und die Art und Weise, wie wir Abfälle und Schadstoffe entsorgen, stellen eine wichtige Grundlage dar, diese Ziele zu erreichen. ACEA hilft den IEC-Komitees, Normen zu erarbeiten, mit denen diese Ziele erreicht werden können.


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