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22.07.2021 Fachinformation

So wird Wasserstoff fit für den Schienenverkehr

Wasserstoff bietet bei der Mobilitätswende großes Potenzial. In der Normung wird bereits daran gearbeitet, Normen für mit Wasserstoff betriebene Schienenfahrzeuge zu veröffentlichen.

Das Online-Magazin e-Tech sprach mit Julien D’Arbigny, der das entsprechende Projekt leitet.

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Der Markt ist bereit für eine Norm zu wasserstoffbetriebenen Bahnsystemen und die IEC arbeitet daran, den Bedarf zu decken.

Die Anwendung von Wasserstoff als Antrieb für Fahrzeuge ist keine neue Technologie: In den 1960er wurde sie genutzt, um Raketen ins Weltall zu befördern und sogar, um auf dem Mond zu landen.

Mit zunehmenden Sorgen um CO2-Emissionen und Klimawandel in der heutigen Welt gewinnt Wasserstoff neuen Schwung. Eines der Gremien der EU, der Europäische Rat, hat bereits eine Reihe von Beschlüssen – unter dem Titel „Auf dem Weg zu einem Wasserstoffmarkt in Europa“ verabschiedet, die von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. In Deutschland und anderswo in der Welt sind verschiedene Prototypen von Zügen mit Wasserstoff-Antrieb im Einsatz. Automobilhersteller in Japan und Korea setzen auf die Brennstoffzelle für Straßenfahrzeuge. In China hingegen werden Straßenbahnen mit Wasserstoff angetrieben und in vielen Ländern auch Busse.

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Artur Schmidt
Zuständiges Gremium
Die bunte Welt des Wasserstoffs

Die bunte Welt des Wasserstoffs

| DKE

Wasserstoff wird mit Sauerstoff in einer Brennstoffzelle gemischt. Die daraus erzeugte Elektrizität wird dann für die Bewegung verschiedenster Transportmittel genutzt. Statt umweltverschmutzender CO2-Emissionen oder anderer Schadstoffe, die von Verbrennungsmotoren emittiert werden, stoßen die Fahrzeuge dann Wasser aus.

Es gibt verschiedene Arten der Wasserstoffbeschaffung, einige sauberer als andere. Die chemischen Stoffe können aus Erdgas und Biomasse aber auch aus Öl oder Kohle erzeugt werden. Indem Elektrizität verwendet wird, die aus Kernkraft oder aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, z. B. Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft, kann Wasserstoff auch ohne CO2-Emissionen produziert werden.

Die IEC ebnet schon den Weg für einen breiten Einsatz dieser Energieform im Transportwesen. IEC/TC 9 (DKE/K 351), das Normen für Ausrüstung und Systeme für Eisenbahnen erarbeitet, hat kürzlich mit der Erarbeitung einer neuen Norm, IEC 63341-1, begonnen, in der Brennstoffzellen für den Antrieb von Eisenbahnen und jegliche Art von Schienenfahrzeugen, einschließlich Stadtbahnen, Straßenbahnen und U-Bahnen, spezifiziert werden sollen.

Das Online-Magazin e-tech sprach mit IEC-Moderator Julien D’Arbigny, der dieses Projekt leitet.

Interview mit Julien D’Arbigny

e-Tech: Was sind die Gründe für dieses neue IEC-Normungsprojekt?

D’Arbigny: Eine erste Generation von Zügen mit Wasserstoff-Antrieb ist schon mit Brennstoffzellen unterwegs, vor allem in Österreich, Deutschland und den Niederlanden, wo sie in den letzten drei Jahren im Personenverkehr eingesetzt wurden. Andere „Wasserstoff-Züge“ sind in vielen Ländern der Welt in Planung. Die Märkte sind schon da. Wir haben aber noch keine Normen zur Integration von Brennstoffzellen für den Antrieb in Bahnsystemen.

Wir haben deshalb ein bunt gemischtes IEC-Projektteam mit Vertretern aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Schweiz, Südkorea, Japan und China gebildet. Sie kommen auch aus verschiedensten Bereichen, zum Beispiel Brennstoffzellenhersteller, Bahnbetreiber wie SNCF in Frankreich sowie Lieferanten und Hersteller von Bahnausrüstungen. Wir wollen die Integration von Brennstoffzellen an Bord von Zügen auf genormte Weise testen und spezifizieren. Andere Länder, die sich in unserer Gruppe beteiligen möchten, sind willkommen. Wir erwarten schon bald eine Beteiligung aus Nordamerika.


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e-Tech: Können Sie mehr über die Anforderungen erzählen, die Sie in der Norm abdecken müssen?

D’Arbigny: Wir konzentrieren uns auf die Definition der Schnittstelle sowie auf eine Beschreibung von Umgebungsbedingungen, beispielsweise Temperatur- und Luftfeuchtepegel, Schocks, Schwingungen und Schall. Wir werden darüber hinaus die Entwurfsanforderungen beschreiben, um sicherzustellen, dass die Brennstoffzellenanlage Bahnanwendungen entspricht. Andere Abschnitte der Norm werden Sicherheits-, Zuverlässigkeits- und Schutzanforderungen enthalten, die für den Entwurf und die Installation der Brennstoffzellenanlage notwendig sind, sowie die Vorgehensweise bei der Validierung dieser Anforderungen.

e-Tech: Sind Brennstoffzellen-Züge nicht geräuschlos?

D’Arbigny: Die Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in Elektrizität ist ein absolut leiser Vorgang. Aber zur Erzeugung der erforderlichen Luft für die Lieferung von Sauerstoff an die Brennstoffzelle ist ein Kompressor erforderlich, der laut sein kann, und ein Gebläse zum Abführen der von der Brennstoffzelle erzeugten Wärme kann auch Geräusche verursachen.

e-Tech: Würden Sie zustimmen, dass Züge, abgesehen vom neuen Schwung für Wasserstoff, als nachhaltigere Transportweise des 21. Jahrhunderts auf dem Vormarsch sind?

D’Arbigny: Ja. Züge sind extrem effiziente Transportmittel. Vor allem im Vergleich zu anderen Beförderungsarten wie Flugzeugen oder Autos, verbrauchen sie wenig Energie pro Kopf und Kilometer. Mit Wasserstoff angetriebene Züge werden noch nachhaltiger, besonders dann, wenn Wasserstoff mit sauberer Energie erzeugt wird.


Fahrzeug transportiert Wasserstoff im Stahlbehaelter
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Wasserstoff: Chemischer Winzling mit riesiger Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende

Gerade einmal 0,000000031 mm klein und dennoch mit riesigem Potential – das ist Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird als Energieträger der Zukunft gehandelt, allen voran im Mobilitätssektor. Allerdings ist der Umgang mit Wasserstoff auch nicht ungefährlich. Fachleute engagieren sich daher in der Normung, um die Nutzung von Wasserstoff für unterschiedliche Anwendungsbereiche sicher zu gestalten.

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e-Tech: Wie fällt der Vergleich zwischen Brennstoffzellen und Lithium-Ionen-Batterien oder anderen Batterien als grüner Weg für den Antrieb von Zügen aus?

D’Arbigny: In unserer Firma sehen wir beides als Schlüsseltechnologien an, die für nachhaltiges Bahnfahren genutzt werden können. Die zwei Technologien ergänzen sich. Brennstoffzellen bieten mehr Autonomie, die längere Fahrstrecken ermöglicht. Aber Batterien in Zügen werden für kürzere Strecken verwendet und sie können für Hybrid-Lösungen mit Brennstoffzellen kombiniert werden. Batterien ermöglichen Zügen auch die Rückgewinnung und Speicherung von Energie aus Bremsvorgängen.

e-Tech: Die umweltfreundlichste Option von allen ist die Nutzung von Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien statt mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Wird die Norm dies berücksichtigen?

D’Arbigny: Die Norm ist zweiteilig geplant. Der erste Teil wird sich exklusiv auf die Integration von Brennstoffzellen-Technologie an Bord von Zügen fokussieren. Ein zweiter Teil wird sich besonders mit der Wasserstoffspeicherung in Fahrzeugen befassen. Eine andere Arbeitsgruppe innerhalb von IEC/TC 9 beschäftigt sich vor allem mit diesem Thema. Die Art der Wasserstofferzeugung wird in keinem der Teile thematisiert.

e-Tech: Wie ist die zeitliche Planung für die Norm?

D’Arbigny: Wir erwarten einen ersten Entwurf des Komitees bis zum Sommer.


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