Solarpark in Wüstenlandschaft
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25.07.2022 Fachinformation

Eine Elektroingenieurin verbindet Genderthematik, Zugang zu Elektrizität und Nachhaltigkeit

In einem Interview spricht Anne Wacera Wambugu darüber wie ihre Arbeit in der Normung und ihre akademische Forschung miteinander in Verbindung stehen.

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Von Natalie Mouyal

Anne Wacera Wambugu ist Elektroingenieurin Elektroingenieurin, die in den Bereichen Gleichstellungsfragen, Energiezugang und Nachhaltigkeit arbeitet. Aktuell ist sie als Projektmanagerin an der Strathmore University beschäftigt und für eine Reihe von Forschungsprojekten verantwortlich, die sich mit den Themen Gender Mainstreaming im Zusammenhang mit Technologien für erneuerbare Energieträger, Einsatz von Elektrotechnik zur Verbesserung des Gesundheitssystems in Afrika südlich der Sahara und der Datensammlung und -analyse in der Energiewirtschaft beschäftigen.

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Alena Widder
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Zuvor war Anne Wacera Wambugu als Elektroingenieurin im Bereich erneuerbare Energien mit Schwerpunkt auf dem Zugang zu Energie tätig. Durch diese Arbeit beschäftigte sie sich erstmals mit Fragen im Zusammenhang mit der Qualität, Standardisierung und Konformitätsbewertung elektrischer Energiesysteme. Diese Themen sind seitdem Bestandteil ihrer akademischen Arbeit. Dabei verfolgt sie einen soziologischen Ansatz, um herauszufinden, welche Faktoren den Kauf elektrischer Haushaltsgeräte beeinflussen.

Anne Wacera Wambugu beteiligt sich seit 2017 an der Arbeit der IEC. Das Online-Magazin e-tech von IEC sprach mit ihr, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie ihre Arbeit in der Normung und ihre akademische Forschung in Verbindung zueinander stehen.


Windraeder in einer Reihe - Offshore
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Grün ist das neue Schwarz

Weltweit wird der meiste Strom aus fossilen Brennstoffen (Kohle, Öl und auch Gas) erzeugt. Erneuerbare Energien sind daher ein unverzichtbarer Bestandteil, wenn es darum geht, unsere Zukunft sauber sowie nachhaltig zu gestalten.

Die internationale Normung nimmt sich diesem Thema seit vielen Jahren an und erarbeitet Normen und Standards für regenerative Energie aus Sonne, Wind und Wasser. Auch die Energiespeicherung gewinnt hierbei zunehmend an Bedeutung.

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Interview mit Anne Wacera Wambugu

e-tech: Erzählen Sie uns von Ihrer Arbeit im Zusammenhang mit dem Zugang zu Energie.

Wacera Wambugu: Meine Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf Fragen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Elektrizität und betrachtet sie aus verschiedenen Perspektiven. Zunächst betrachte ich netzgekoppelte Systeme und die Kriterien, nach denen Haushalte sich für den Kauf von Geräten entscheiden. Wenn ein Haus neu an das Stromnetz angeschlossen wird, dann sind die ersten Geräte, die angeschafft werden, Lampen. Aber was kommt danach?

Ich betrachte auch die Frage der Zuverlässigkeit der Stromversorgung mit dem Fokus auf Einrichtungen des Gesundheitswesens. Der Anschluss ans Stromnetz allein genügt nicht, wenn der Zugang zu Elektrizität nur sporadisch gegeben ist. Das ist ein ganz wichtiges Thema, besonders jetzt in der COVID-19-Pandemie. Welche Auswirkungen hat es auf Patienten, wenn Diesel als Backup genutzt wird, damit medizinisches Gerät während eines Stromausfalls weiter in Betrieb bleibt?

Und schließlich betrachte ich elektrotechnische Qualitätsstandards aus der Sicht des Endnutzers. Wir gehen davon aus, dass Konsumenten Produkte basierend auf deren Zertifizierung bzw. Gütesiegel kaufen. Tatsächlich haben wir jedoch herausgefunden, dass Verbraucher nicht unbedingt auf das Gütesiegel achten, sondern Geräte eher auf Empfehlungen von Freunden kaufen bzw. danach, was auf dem Markt zu finden ist. Dieser Bereich ist deutlich weniger koordiniert als viele gerne glauben würden und erfordert eine soziologische Betrachtung.

e-tech: Sie beschäftigen sich in Ihrer Arbeit auch mit Gender-Fragen.

Wacera Wambugu: Wenn wir über Zugang zu Elektrizität sprechen, haben wir uns bisher eher selten die Frage nach der Gender-Komponente gestellt. Wir müssen zum Beispiel fragen, welche Geräte Haushalte priorisieren, wenn sie Zugang zu Elektrizität bekommen. In den meisten Gesellschaften ist es gewöhnlich die Aufgabe der Frau, sich um Dinge wie Wäschewaschen und Geschirrspülen zu kümmern. Beides Dinge, die von Hand erledigt werden. Aufgrund dieser „unsichtbaren Arbeit“ werden Geräte wie Waschmaschinen oder Spülmaschinen nicht als notwendig angesehen, denn die Arbeit wird ja bereits erledigt. Aber wenn diese Geräte angeschafft werden, haben Frauen mehr Zeit, andere Dinge zu tun. Und das ist die Gender-Komponente – die Frage, welche Wertschätzung wir der Arbeit und Zeit von Frauen entgegenbringen.

Das bringt mich zu dem nächsten Bereich meiner Arbeit, nämlich Weiterbildung. Wir bilden Frauen als Solartechnikerinnen aus, um ihnen zu helfen, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Ihre Zertifizierung ist ein wichtiges Instrument, damit ihr Fachwissen anerkannt wird. Darüber hinaus gibt die Zertifizierung den Frauen mehr Selbstvertrauen. Ich sage scherzhaft, dass ich von Beruf Elektroingenieurin bin, die sich mit Gender- und Sozialfragen beschäftigt.


Unterschrift Diversity Declaration

Michael Teigeler, Geschäftsführer der DKE, unterzeichnet die UNECE Declaration for Gender Responsive Standards and Standards Development

| DKE

Geschlechtergerechtigkeit in der Normung – DKE unterzeichnet UNECE-Deklaration

Unsere Welt wird durch Normen und Standards entscheidend geprägt. Indem Normen die Eigenschaften von Produkten bestimmen, auf die wir tagtäglich angewiesen sind, beeinflussen sie unser Leben in fast allen Bereichen. Sie unterstützen das wirtschaftliche Wachstum, erleichtern den Handel und spielen eine Rolle beim Schutz von Gesundheit und Sicherheit. Aus dem Grund ist es umso wichtiger, dass Normen und Standards die Bedürfnisse von Frauen und Männern stets abbilden und allen gleichermaßen Nutzen bringen.

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e-tech: Können Sie uns mehr über Ihre Beteiligung an den Projekten der IEC erzählen?

Wacera Wambugu: Ich bin Mitglied des Technischen Komitees IEC/TC 82 (DKE/K 373), Photovoltaische Solarenergie-Systeme, sowie des „Systems Committee on Low Voltage Direct Current (SyC LVDC)“. Da ich mich mit Geräten beschäftige, die Gleichstrom (en: direct current, DC) verwenden, gibt mir SyC LVDC die Möglichkeit, herauszufinden, wie wir Gleichstrom aus erneuerbaren Energiequellen wie der Sonne erzeugen können, ohne ihn zuerst in Wechselstrom und dann wieder zurück in Gleichstrom umzuwandeln.

e-tech: Sie haben auch an dem IEC-Programm für „Young Professionals“ teilgenommen.

Wacera Wambugu: Ja, ich habe 2018 an dem Workshop teilgenommen. Aktuell bin ich Vorsitzende der „Young Professionals“ in Kenia sowie Vorsitzende des Programms „Young Professionals and Gender“ der „African Electrotechnical Standardization Commission (AFSEC)“. Ich glaube, dass es wichtig ist, eine Mentorin für junge Menschen zu sein. Wir hatten ein paar Rückschläge in beiden Bereichen aber versuchen nun, die nationalen und kontinentalen Programme umzugestalten. Ich weiß, dass ich vielleicht nicht mehr erleben werde, wie sich die volle Wirkung meiner Arbeit entfaltet – damit habe ich meinen Frieden geschlossen. Was mich antreibt, ist das Wissen, dass meine Arbeit wichtig ist – anderenfalls werden wir eine Generation haben, die nicht versteht, wie wichtig Normung ist.


SDG 7

SDG 7

| UN

SDG 7 – Bezahlbare und saubere Energie

Wie lassen sich die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen erreichen?

Die DKE leistet direkt und indirekt, einen bedeutenden Beitrag, diese Ziele mit Normen und Standards, Fachleuten und Fachgremien, Positionspapieren, Roadmaps und Veranstaltungen zu erreichen.

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e-tech: Wie können Normen die Nachhaltigkeitsziele der UN unterstützen?

Wacera Wambugu: Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (en: sustainable development goals, SDGs) haben die einzelnen Ziele festgesetzt, aber es fehlt noch immer ein Bindeglied und da können Normen helfen. Im Hinblick auf den Zugang zu Energie sind erneuerbare Energien extrem wichtig, da sie saubere Energie liefern und uns helfen, unsere Klimaziele zu erreichen. Wir müssen zudem sicherstellen, dass Verbraucher Produkte guter Qualität erhalten, die eine lange Lebensdauer haben. Dadurch können wir dazu beitragen, die Kohlendioxidemission und Umweltbelastung zu senken – indem wir sicherstellen, dass wir den für ihre Herstellung benötigten Kohlenstoff „kompensieren“ und die Menge an Elektro- bzw. Elektronikabfall beschränken. Ich bin überzeugt, dass Normen der Schlüssel zu diesem Ziel sind.


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In der alltäglichen und gesellschaftlichen Diskussion ist sie ein ebenso großes Thema wie in der DKE – die Rede ist von der Energie. Unsere Normungsexperten bringen ihr Wissen aber nicht nur ein, um die Energieversorgung und -verteilung zukünftig „smart“ und dezentral zu machen, sondern leisten einen ebenso hohen Beitrag für den Betrieb elektrischer Anlagen und bei der flächendeckenden Verbreitung erneuerbarer Energien. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im

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