Solarenergie in Madagaskar
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09.02.2023 Fachinformation

Bezahlbarer, nachhaltiger Strom für alle

Keinen bzw. nur eingeschränkten Zugang zu Strom zu haben, ist eng mit Armut, Hunger und mangelnder medizinischer Versorgung verbunden. Ein Großteil der Menschen, der auch heute noch ohne Strom auskommen muss, lebt südlich der Sahara.

Normung unterstützt die vereinfachte Nutzung von Solar- oder Windenergieanlagen und ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Stromversorgung.

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IEC

Ein Artikel von Catherine Bischofberger

Eines der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, SDG 7, ist die Sicherung des Zugangs zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle bis 2030.

Die IEC hat eine grundlegende Norm veröffentlicht, die Millionen von Menschen, die noch immer ohne Strom auskommen müssen, den Zugang zu Strom ermöglicht.

Nach neuester Schätzung der UN haben ungefähr 759 Millionen Menschen auf der Welt nach wie vor keinen Zugang zu Strom, drei von vier davon leben in Afrika südlich der Sahara. Wenn es überhaupt Strom gibt, dann wird dieser häufig von umweltschädlichen Dieselgeneratoren und Kerosin zur Beleuchtung erzeugt.

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Dominika Radacki
Zuständiges Gremium
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Wirtschaftliche Entwicklung hängt von Zugang zu Strom ab

Keinen bzw. nur eingeschränkten Zugang zu Strom zu haben, ist eng mit Armut, Hunger und mangelnder medizinischer Versorgung verbunden. Gleichzeitig wirkt sich der fehlende Zugang zu Strom negativ auf die meisten anderen UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung aus. Die UN geht davon aus, dass der Zugang zu Strom neue wirtschaftliche Möglichkeiten und Arbeitsplätze bringt; die Position von Frauen, Kindern und Jugendlichen stärkt; bessere Bildung und medizinische Versorgung ermöglicht; nachhaltigere, gerechtere und inklusivere Gesellschaften fördert; und schließlich einen größeren Schutz vor sowie Resilienz gegenüber Klimaveränderungen bietet.

Die IEC arbeitet seit vielen Jahren daran, Gemeinden, die bisher nicht die Möglichkeit hatten, Strom über das herkömmliche Stromnetz zu erhalten, mit zuverlässigem und bezahlbarem Strom zu versorgen. Vor einigen Jahren veröffentlichte sie die technischen Spezifikationen IEC 62257, die Empfehlungen für kleine erneuerbare Energien nutzende Hybridsysteme zur Elektrifizierung des ländlichen Raums enthalten. Die Normenreihe wurde von der Weltbank und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) anerkannt, die 2013 ein Abkommen mit der IEC unterzeichneten. Die Vereinbarung legt fest, dass Entwicklungsländer diese wichtigen technischen Dokumente zu einem deutlich niedrigeren Preis beziehen können, was dabei hilft, abgelegene und benachteiligte Gegenden mit elektrischer Energie zu versorgen.

Ein weiterer wichtiger Schritt zu einem verbesserten Zugang zu Strom ist die Vereinfachung der Nutzung photovoltaischer Solar- bzw. kleiner Windenergieanlagen in Haushalten bzw. Dörfern durch Anwendung der LVDC-Technologie.


Kleine Solarzellenplatten im Garten
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Mini-PV-Anlagen: Normung für steckerfertige Erzeugungsanlagen

Eigentlich sind sie eine gute Sache: Steckerfertige Photovoltaik (PV)-Anlagen, auch bekannt unter den Begriffen „Balkon-PV“ oder „Mini-PV“.

Diese für den Hausgebrauch konzipierten PV-Anlagen ermöglichen auch Mietern, Strom aus Solarenergie in das Hausnetz einzuspeisen und den selbst erzeugten Strom direkt zu nutzen. Warum schmücken sie dann aber nicht Deutschlands Balkone?

Mehr über Mini-PV-Anlagen erfahren

Was ist LVDC?

Wir leben in einer Welt, in der Gleichstrom (en: direct current, DC) eine immer größere Rolle spielt. Die meisten Geräte, die wir in unserem Zuhause, unseren Büros, in Gesundheitseinrichtungen oder Rechenzentren nutzen, werden mit Gleichstrom betrieben. Dazu gehören LED-Lampen, IT-Geräte, Smartphones, Elektrofahrzeuge und sämtliche Geräte, die Batterien enthalten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch bei der Stromerzeugung wird durch die Verbreitung von Kraftwerken, die erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie nutzen, zunehmend auf Gleichstrom gesetzt. Durch die neuesten Fortschritte in der Batterietechnologie hat sich Gleichstrom zudem zur meist genutzten Form der Energiespeicherung entwickelt. Dieses Zusammentreffen technologischer Entwicklungen geht mit einer drastischen Senkung der Kosten für Geräte, die mit Gleichstrom betrieben werden, einher. Ab einem bestimmten Spannungsniveau wird Gleichstrom aber gefährlich, weshalb es erforderlich ist, LVDC-Anforderungen zu vereinheitlichen.

LVDC kann dazu beitragen, entlegene Gemeinden mit Strom zu versorgen, indem sie an netzabhängige oder auch netzunabhängige Solar- oder Windenergieanlagen angeschlossen werden. Das ist gleichzeitig eine energieeffiziente Form der Stromversorgung: Im Idealfall ist es nicht notwendig, Wechselstrom (der üblicherweise dazu genutzt wird, Strom über lange Distanzen in einem gewöhnlich in eine Richtung verlaufenden Stromnetz zu transportieren) in Gleichstrom umzuwandeln, wodurch verhindert wird, dass Energie verloren geht, was bei der Umwandlung von Strom der Fall ist.


Elektroauto mit Solarzapfsäule und Windrädern
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Gleichstrom: Anwendungen in Industrie & Privatwirtschaft

Ohne Strom steht die Welt still, egal mit welcher Stromart das moderne Leben elektrifiziert ist.

Aufgrund des technologischen Fortschritts und wesentlicher Vorteile gegenüber Wechselstrom, nimmt die Bedeutung für Gleichstromanwendungen, über zahlreiche Branchen hinweg, immer weiter zu.

Für die Normung ergeben sich daraus neue Herausforderungen – vor allem im Hinblick auf vorhandene und neue Schutzkonzepte.

Mehr erfahren

Ein neuer Meilenstein

Die IEC hat IEC 63318 veröffentlicht, die erste Norm, die das LVDC-Systemkomitee erarbeitet hat. Rajeev Sharma ist Convenor der Arbeitsgruppe, die dieses Grundlagendokument erstellt hat. „Ich bin überzeugt, dass sich diese Norm als bahnbrechend erweisen wird, da sie nach ihrer Umsetzung die Versorgung von Millionen von benachteiligten Haushalten weltweit mit Strom ermöglicht. Ich möchte der IEC gratulieren und ihr dafür danken, dass sie eine führende Rolle bei der Entwicklung dieser neuen, richtungsweisenden Technologie übernommen hat“, sagt er. „LVDC schafft die wesentlichen Voraussetzungen für den Zugang zu Strom, indem lokal erzeugter Gleichstrom genutzt werden kann, der auf nicht konventionellen Energieträgern basiert. Zudem ermöglicht LVDC eine Verbesserung der Energieeffizienz, da der Energieverlust, der durch die Umwandlung von Wechselstrom zu Gleichstrom entsteht, vermieden werden kann“, merkt Sharma an.

Anwendung des Multi-Tier Framework der Weltbank

Die Norm verfolgt den von der Weltbank entwickelten Ansatz eines mehrstufigen Bewertungssystems, des sogenannten Multi-Tier Framework (MTF), das eine neue Bewertung für Stromzugangsbedingungen festlegt und über die herkömmliche binäre Bewertung nach „angeschlossen oder nicht angeschlossen“ für den Stromzugang hinausgeht.

Das MTF beginnt mit der niedrigsten Stufe für Stromzugang (Stufe 1). Bei dieser Stufe haben Haushalte für ein paar Stunden am Tag einen begrenzten Zugang zu geringen Mengen an Strom, die sie für elektrische Beleuchtung oder das Aufladen des Mobiltelefons nutzen können. Diese Zugangsstufe kann durch eine kleine Solaranlage realisiert werden. Höhere Zugangsstufen zeichnen sich durch höhere Kapazität und längere Versorgungszeit aus und ermöglichen die Nutzung von Geräten mit mittlerem oder hohem Stromverbrauch (wie beispielsweise Waschmaschinen oder Klimaanlagen). IEC 63318 nimmt Bezug auf die Stufen 2 und 3 des Bewertungssystems der Weltbank.


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Von IEC 63318 adressierte Herausforderungen

Die Norm musste mehrere technologische Herausforderungen lösen, wovon einige speziell das Nebeneinander von Gleichstromanlagen und Wechselstromnetz betreffen. Sharma nennt noch weitere Herausforderungen: „Festlegung einer Spannung, die sicher ist und nur geringe Verluste bei der Stromverteilung zur Folge hat; Aspekte der Erdung; die Einhaltung anderer bestehender Normen bei gleichzeitiger Adressierung aktueller Bedürfnisse; Schaffung der Voraussetzungen für ihre Entwicklung hin zu einer künftigen Microgrid-Norm; und schließlich die Sicherstellung der Skalierbarkeit und eines nachhaltigen Ökosystems bestehend aus Teilen und Versorgern.“

Das Bureau of Indian Standards (BIS), unter dessen Dach sich das indische IEC-Nationalkomitee befindet, hat einen maßgeblichen Beitrag zu der Norm geleistet. „Das BIS hat die Norm IS 16711 Guidelines für 48-V-LVDC-Verteilnetze veröffentlicht. Diese Publikation befasst sich mit den Anforderungen an eine besonders niedrige 48-V-Gleichstromquelle. Die Norm war uns eine große Hilfe bei der Formulierung von IEC 63318. Wir haben allerdings einige Veränderungen vorgenommen, um weltweiten Best Practices Rechnung zu tragen, gleichzeitig haben wir den hilfreichen Input von internationalen Fachleuten berücksichtigt“, erläutert Sharma.

Indien war führend bei der Umsetzung eines LVDC-Ökosystems. Grund hierfür waren die ehrgeizigen Ziele der indischen Regierung, wonach selbst die entlegensten Regionen des Landes mit Strom versorgt werden sollen.

Die Norm erhielt zudem in sämtlichen Phasen ihrer Entwicklung die Unterstützung und aktive Beteiligung von internationalen Fachleuten. „Ohne diese Unterstützung wäre die Norm nicht möglich gewesen“, fügt Sharma hinzu.

Was die Zukunft bringt

Dem Beispiel Indiens folgend hält es Sharma für wichtig, die notwendigen Voraussetzungen für die Nutzung von LVDC zu schaffen, indem ein geeigneter Business Case „für die wirtschaftliche und verlässliche Nutzung solcher Technologien“ entwickelt wird. Er ist ferner überzeugt, dass zur angemessenen Förderung von LVDC-Energieanlagen „die Normung der Wartung sowohl von Netzspannung und wesentlichen Komponenten, wie Stecker/Steckdosen, als auch von Sicherheitsgeräten sowie die Entwicklung von Ökosystemen für reaktionsschnelle Wartungsnetze und -systeme nach der Installation wichtig sind“.

Interessengruppen erwarten, dass in den nächsten Jahren viele weitere LVDC-Normen veröffentlicht werden, die dazu beitragen werden, diese Ziele zu erreichen.


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