kleines Baby greift nach einer Steckdose
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27.06.2019 Hinweis zur Norm

Erläuterungen zur Norm DIN VDE 0100-410

Das für die Norm DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag“ zuständige DKE-Unterkomitee 221.1 „Schutz gegen elektrischen Schlag“ gibt folgende Erläuterungen zu den Änderungen der Norm.

Mit Veröffentlichung dieser Erläuterungsliste wird die Verlautbarung vom 2009-05-15 zu 411.3.3 zurückgezogen.

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Dirk Barthel
Zuständiges Gremium
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Erläuterungsliste im Wortlaut:

(1) Anwendungsbeginn dieser Norm ist 2018-10-01.
Für DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2007-06 besteht eine Übergangsfrist bis 2020-07-07. Die Norm ist für die sofortige Anwendung bei neuen elektrischen Anlagen sowie bei Änderungen oder Erweiterungen vorhandener elektrischen Anlagen vorgesehen.
Eine Anlage, die sich in Planung/Bau befindet, aber erst nach dem 2020-07-07 fertig gestellt sein wird, muss somit den Anforderungen der Ausgabe von Oktober 2018 entsprechen.
Aus den Anforderungen dieser Norm ist eine Nachrüstpflicht für bestehende Anlagen nicht abzuleiten.
Mit dieser Neuausgabe wurde DIN VDE 0100-739 (VDE 0100-739):1989-06 zurückgezogen, weil die Sachverhalte in der neuen Ausgabe enthalten sind.

(2) Der in Abschnitt 411.3.1.2 umformulierte Text, der sich auf den Schutzpotentialausgleich für Metallteile, die in Gebäude eingeführt werden, bezieht, dient der Klarstellung und enthält keine neuen Anforderungen.

(3) Abschnitt 411.3.2.1 fordert nun, dass Schaltgeräte für die Schutzmaßnahme Automatische Abschaltung im Fehlerfall, Trenneigenschaften (siehe IEC 60417, Symbol 6169–1) haben müssen. Geräte zum Trennen und Schalten sind in DIN VDE 0100-530 (VDE 0100-530):2018-06 Anhang B enthalten.
Dies ist die Umsetzung einer Anforderung aus der Sicherheitsgrundnorm für den Schutz gegen elektrischen Schlag (DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11; Abschnitt 8.4) und stellt eine wichtige Voraussetzung für das sichere Arbeiten an elektrischen Anlagen dar (5 Sicherheitsregeln).

(4) Die Anpassung der Abschaltzeiten nach Abschnitt 411.3.2.2 gelten nun auch für Steckdosen mit einem Bemessungsstrom bis einschließlich 63 A, da mittlerweile Betriebsmittel mit höheren Bemessungsströmen (z. B. Ladesäulen) existieren.

(5) Des Weiteren wurde im selben Abschnitt 411.3.2.2, Tabelle 41.1 der Wert für Gleichspannung 120 V < U0 ≤ 230 V von 5 s auf 1 s reduziert. Der neue Wert berücksichtigt weitere physiologische Effekte (z. B. thermische und chemische Prozesse) und nicht wie bisher nur das Herzkammerflimmern als physiologischen Effekt.

(6) Die bisher in 411.3.2.5 beschriebenen Maßnahmen hatten keinen Bezug zur automatischen Abschaltung. Um zu verdeutlichen, dass es sich um eine Ersatzmaßnahme handelt, wurde dieser Sachverhalt in Anhang D verschoben und aktualisiert.

(7) Die Anforderungen in Abschnitt 411.3.3 wurden auf Steckdosen bis einschließlich 32 A Bemessungsströme erweitert. Grund dafür war die Anpassung an international einheitlich festgelegte Bemessungsströme von Steckdosensystemen, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind, z. B. Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge.

(8) In der Anmerkung zu 411.3.3; 1. Spiegelstrich sind Aussagen zur Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) enthalten.
Die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV) gilt für Unternehmen aus dem Handwerk, der Industrie, dem Dienstleistungsbereich und Behörden.
Das Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung ist Aufgabe der Unternehmensleitung. Eine Übertragung dieser Unternehmerpflichten an Führungskräfte oder an externe fachkundige Personen oder Institutionen (ganz oder teilweise) ist möglich.
Die Gefährdungsbeurteilung ist die systematische Ermittlung und Bewertung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten mit dem Ziel, die erforderlichen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit festzulegen.

Auszug aus § 3 BetrSichV „Gefährdungsbeurteilung“

(1) Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und daraus notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten.

(2) In die Beurteilung sind alle Gefährdungen einzubeziehen, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln ausgehen, und zwar von
1. dem Arbeitsmittel selbst,
2. der Arbeitsumgebung und
3. den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden.

(6) Der Arbeitgeber hat Art und Umfang erforderlicher Prüfungen von Arbeitsmitteln sowie die Fristen von wieder¬kehrenden Prüfungen nach den §§ 14 und 16 zu ermitteln und festzulegen, ...

Ferner hat der Arbeitgeber zu ermitteln und festzulegen, welche Voraussetzungen die zur Prüfung befähigten Personen erfüllen müssen, die von ihm mit den Prüfungen von Arbeitsmitteln ... zu beauftragen sind.

(7) Die Gefährdungsbeurteilung ist regelmäßig zu überprüfen. Dabei ist der Stand der Technik zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, sind die Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln entsprechend anzupassen …

Technische Schutzmaßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen und vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen.
Das Benutzen von Arbeitsmitteln an Steckdosen ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach BetrSichV betriebsspezifisch festzulegen.

Folgender Aspekt der Verlautbarung vom 2009-05-15 ist mit der Erläuterung zu Anmerkung 411.3.3, 1. Spiegelstrich zur Betriebssicherheitsverordnung (siehe oben) abgedeckt:
„Im gewerblichen und industriellen Bereich kann es nach Auffassung des UK 221.1 gemäß Abschnitt 2.3 von VDE 0022:2008-08 vertretbar sein, dass von den normativen Festlegungen der DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2007-06 abgewichen wird, wenn durch Planer/Auftraggeber und Errichter einer elektrischen Anlage im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ein anderer mindestens gleichwertiger Schutz sichergestellt wird. Das durch das Arbeitsschutzgesetz vorgegebene Schutzziel muss nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) auch während der Betriebsphase dauerhaft sichergestellt sein.“


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Erläuterungsliste #2

(9) Zu 411.3.3 – IT-System
Ein IT-System wird geplant, weil es vorteilhaft ist, dass beim Auftreten des ersten Fehlers eine Unterbrechung der Stromversorgung von angeschlossenen elektrischen Verbrauchsmitteln nicht erfolgt. Dieser „erste Fehler“ soll so schnell wie praktisch möglich beseitigt werden.
Die Berührungsspannung bleibt beim ersten Fehler signifikant unterhalb der zulässigen Berührungsspannung. Der Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) in IT-Systemen ist daher immer nur dann sinnvoll, wenn deren Funktion durch Messung oder Berechnung nachgewiesen wird.
Weil die in Deutschland üblichen IT-Systeme, siehe 411.6.1, die durch die Struktur und die Ausdehnung eine ordnungsgemäße Funktion einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nicht gewährleisten, ist deren Einsatz in Steckdosenstromkreisen nicht erforderlich.

In ausgedehnten IT-Systemen (Verteilungsstromkreisen) ist im Falle eines ersten Fehlers mit einem Fehlerstrom > 15 mA zu rechnen. Derartige IT-Systeme werden in Deutschland nicht angewendet.

(10) Mit dem neuen Abschnitt 411.3.4 wird gefordert, dass Beleuchtungsstromkreise eines TN- oder TT-Systems in Wohnungen durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom nicht größer als 30 mA geschützt werden.
Diese Ergänzung ist unter anderem notwendig, weil es zunehmend Leuchten gibt, bei denen die Leuchtmittel nicht auswechselbar sind und diese Leuchten komplett angeschlossen bzw. gewechselt werden.
Diese Anforderung gilt nicht in z. B. Industriehallen, Einkaufszentren, Beleuchtungsanlagen im Freien.

(11) Die Anforderung in Abschnitt 411.4.1 an einen Fundamenterder gilt nach DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540) unabhängig vom Netzsystem für alle neuen Gebäude.

(12) Die Bedingung RA x Id ≤ 120 V für Gleichstromsysteme wurde in Abschnitt 411.6.2 gestrichen, weil im DC-IT-System beim ersten Fehler kein Ableitstrom fließen kann, da hier nur Netzableitkapazitäten aufgeladen werden und somit ein Fehlerstrom Id beim ersten Fehler nicht auftreten kann.
Es gilt jedoch weiterhin, dass ein Erdungssystem errichtet werden muss.

(13) Zu Abschnitt 411.6.3.1: In Deutschland werden ausschließlich Isolationsüber-wachungsgeräte (IMD) nach DIN EN 61557-8 (VDE 0413-8) eingesetzt. Nur diese sind dazu geeignet, einen „ersten Fehler“ bzw. „Isolationsfehler an unterschiedlichen aktiven Leitern“ zu melden.

(14) Die Anforderungen aus Abschnitt 412.2.4.1 an Kabel- und Leitungsanlagen für die Verwendung bei der Schutzmaßnahme doppelte oder verstärkte Isolierung wurden in mehreren Punkten neu gefasst.

Für diese Schutzmaßnahme wird für die Basisschutzvorkehrung der Schutz durch Isolierung aktiver Teile angewendet. Die Fehlerschutzvorkehrung wird durch eine zusätzliche Isolierung erreicht. Alternativ kann eine verstärkte Isolierung, die den Basisschutz und den Fehlerschutz gleichermaßen erfüllt, angewendet werden.
Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von folgenden Kabel- und Leitungen im Hauptstromversorgungssystem in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Schutzmaßnahme „Schutz durch doppelte und verstärkte Isolierung“: NYM, NYY, NYCWY oder H07RN-F (beispielhafte Aufzählung). Weiterhin sind Beispiele in DIN VDE 0298-3 (VDE 0298-3):2006-06, Tabelle 4 enthalten.


Das zuständige Normungsgremium DKE/UK 221.1 behält sich vor, nach Bedarf die Erläuterungshilfe zu ergänzen.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

Zum VDE VERLAG

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