Ein Industriewerk in der Morgendaemmerung
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28.09.2021 Fachinformation

Normen zur Quantifizierung von Treibhausgasemissionen

Treibhausgasemissionen entstehen primär durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Weltweit entfällt der größte Anteil auf die Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung, den Transportsektor sowie die Industrie.

IEC 63372 bezieht sich speziell auf elektrische und elektronische Produkte und bietet Grundlagen, Methoden und Leitlinien zur Quantifizierung von Treibhausgasemissionen sowie eine Methode zur Berechnung von vermiedenen Emissionen.

Takako Hiruta leitet IEC/TC 111/WG 17 und spricht im Interview mit IEC e-Tech über die Norm, den Unterschied zu bestehenden Normen darüber, was vermiedene Emissionen sind.

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Von Natalie Mouyal

Weltweit versuchen zahlreiche Länder, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur einzudämmen, indem sie sich ehrgeizige Ziele zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen setzen, was Teil ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen ist.

So haben sich Japan und die Vereinigten Staaten beispielsweise dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen um jeweils 46 % bzw. 50 % bis zum Jahr 2030 zu senken.

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Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es jedoch einer größeren Transparenz hinsichtlich der ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen. Aus diesem Grund hat der Finanzsektor die „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) ins Leben gerufen. Das Expertengremium unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Kommunikation bezüglich klimabezogener Informationen.

Das „Carbon Disclosure Project“ (CDP), eine Non-Profit-Organisation, die sich für die Veröffentlichung von Umweltdaten einsetzt, hat ein System eingerichtet, das Kommunen und Unternehmen dabei hilft, ihre Auswirkungen auf den Klimawandel zu steuern und zu verringern.

Des Weiteren werden Anstrengungen unternommen, um die Treibhausgasemissionen, die durch elektrische und elektronische Produkte verursacht werden, zu reduzieren. Beispiele hierfür sind u. a. Verbesserungen bei der Rohstoffbeschaffung und der Herstellung von Produkten, die Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und die Begrenzung bzw. der Ersatz von Stoffen, die zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen führen. Laut einem vom Europäischen Umweltbüro (EEB) veröffentlichten Bericht würde die Verlängerung der Lebensdauer aller Waschmaschinen, Smartphones, Laptops und Staubsauger um ein Jahr in der Europäischen Union zu Einsparungen von etwa vier Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid jährlich bis 2030 führen.

In diesem Zusammenhang arbeitet die IEC aktuell an einer neuen horizontalen Norm, IEC 63372, die Grundlagen, Methoden und Leitlinien zur Quantifizierung und Kommunikation von Treibhausgasemissionen, Emissionssenkungen und vermiedenen Emissionen durch elektrische und elektronische Produkte sowie Dienstleistungen und Systeme enthalten wird.

Der Entwurf für IEC 63372 erweitert den Anwendungsbereich von zwei bestehenden technischen Berichten, IEC TR 62725 und IEC TR 62726, und enthält zusätzlich vermiedene Emissionen, d. h. die Treibhausgasmenge, die durch den Gebrauch digitaler Systeme nicht ausgestoßen wird.

Zum besseren Verständnis dieser Entwurfsnorm hat e-tech mit Takako Hiruta, Convenor von IEC/TC 111/WG 17, „Greenhouse gas“, gesprochen.


Baum wächst auf Computerplatine
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Normungsgremium DKE/K 191 Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei Produkten in der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik

Im Normungsgremium werden Querschnittsnormen und Leitfäden zur umweltgerechten Gestaltung von Produkten der Elektrotechnik und Elektronik erarbeitet. Einen Schwerpunkt bilden hierbei Normen und Standards zur Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Auch das Thema „Re-use“, also die Behandlung von Elektronik-Altgeräten, welche für eine weitere Verwendung vorgesehen sind, wird von den Experten des Gremiums diskutiert.

Zum Normunsgremium DKE/K 191

Interview mit Takako Hiruta

e-Tech: Warum braucht es diese Norm?

Hiruta: Maßnahmen zum Klimaschutz sind dringend erforderlich und Unternehmen müssen über ihre Verpflichtungen, Pläne und Ergebnisse berichten bzw. diese offenlegen (z.B. CDP, TCFD). Aus diesem Grund benötigen Unternehmen eine internationale Norm für die Quantifizierung von Treibhausgasemissionen, Emissionssenkungen und vermiedenen Emissionen. Durch die Verwendung einheitlicher Berechnungsmethoden können Unternehmen aus der Elektro- bzw. Elektronikindustrie die Emissionsmenge für die sie verantwortlich sind bestimmen. Zudem sehen wir die Gefahr von „Greenwashing“ und mit dieser Norm können wir bestätigen, dass die Ergebnisse den vereinbarten Anforderungen und Leitlinien Rechnung tragen.

Die Norm kann dazu genutzt werden, Informationen zu CO2-Emissionen, Emissionssenkungen und vermiedenen Emissionen für jede/s elektrische bzw. elektronische Produkt, Lösung und System mitzuteilen bzw. offenzulegen. Durch die Offenlegung von Informationen kann die Elektro- bzw. Elektronikbranche den Anspruch erheben, dass ihre Produkte, Lösungen und Systeme dafür sorgen, dass die Emissionen von den Nutzern gesenkt und/oder vermieden werden können und dazu beitragen, ein wesentliches gesellschaftliches Problem zu lösen. Dies verstärkt die Verknüpfung zwischen dem allgemeinen Bedürfnis der Gesellschaft, den CO2-Ausstoß zu senken, und dem Beitrag, den die Elektro- bzw. Elektronikindustrie dazu leisten kann.

e-Tech: Wie unterscheidet sich diese Norm von IEC TR 62725 und IEC TR 62726?

Haruta: IEC TR 62725 wurde 2013 veröffentlicht, während IEC TR 62726 im Jahr 2014 herausgegeben wurde und seitdem hat sich unglaublich viel verändert. Es gibt drei wesentliche Punkte, die ich hier hervorheben möchte.

Erstens handelt es sich hierbei nicht mehr um einen Technischen Bericht, sondern um eine internationale Norm, wodurch sie ein größeres Gewicht hat als die bestehenden Veröffentlichungen, da eine Norm bestimmte Anforderungen enthält.

Zweitens wurden vermiedene Emissionen in den Anwendungsbereich mit aufgenommen. Dabei wird die Treibhausgasmenge berechnet, die beim Gebrauch von elektrischen bzw. elektronischen Produkten und Systemen, egal ob digital oder nicht, nicht ausgestoßen bzw. vermieden wird.

Der letzte Punkt betrifft neue digitale Technologien. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge (IoT) und digitale Zwillinge („digital twins“) bieten ein enormes Potenzial zur Emissionsvermeidung. Ein wesentliches Ziele dieser Norm ist es, mit Hilfe dieser neuen Technologien Methoden zur Bewertung der vermiedenen Emissionen zu etablieren.


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e-Tech: Wie definieren Sie vermiedene Emissionen?

Haruta: Vermiedene Emissionen beziehen sich auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die außerhalb der Grenzen des berichtenden Unternehmens als direkte Folge des Gebrauchs seiner Produkte stattfindet. Wenn wir beispielsweise einen Kühlschrank mit hoher Energieeffizienz verwenden, können wir den CO2-Ausstoß im Vergleich zum hypothetischen Gebrauch eines herkömmlichen Kühlschranks, der mehr Strom verbraucht, senken. Es ist also der Unterschied zwischen den Treibhausgasemissionen eines fortschrittlichen Produkts bzw. einer Dienstleistung oder Lösung und den hypothetischen Treibhausgasemissionen eines herkömmlichen Produkts, das als Referenzwert dient.

Vermiedene Emissionen sind als „Greenwashing“ kritisiert worden, wenn durch die Einführung neuer Produkte oder auch durch ein Wachstum des Marktes die Treibhausgasemissionen ansteigen.

e-Tech: Was unterscheidet diese Norm von anderen, wie beispielsweise jenen, die vom Greenhouse Gas Protocol entwickelt wurden, ISO 14067 usw.?

Haruta: Diese Norm bezieht sich speziell auf elektrische und elektronische Produkte. Während sie sich grundsätzlich an anderen Normen, wie dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) und der ISO 14067, orientiert, konzentriert sie sich speziell auf Treibhausgasemissionen, Emissionssenkungen und vermiedene Emissionen bei elektrischen und elektronischen Produkten, Dienstleistungen und Systemen. Keine andere Norm bietet eine Methode zur Berechnung von vermiedenen Emissionen. Sie ist die detaillierteste und fortschrittlichste Norm zu diesem Thema.

e-Tech: Wie trägt diese Norm den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) Rechnung?

Haruta: Es freut mich, dass ich sagen kann, dass wir mit dieser Norm im Auftrag der Elektro- bzw. Elektronikindustrie dazu beitragen, SDG 13 zum Klimaschutz zu erreichen.


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