- Wie versorgen sich Menschen im ländlichen Afrika mit Strom?
- Warum müssen wir künftig mit Unmengen an Elektroschrott rechnen?
- Wie tragen der IEC GIF und Konformitätsbewertungen zur Lösung des Problems bei?
Zugang zu Strom für alle Menschen
Für werdende Mütter in Mrima Wa Ndege im Bezirk Kilifi im ländlichen Kenia ist es am besten, wenn sie nicht in der Nacht entbinden müssen. Das ist kein Aberglaube oder Ammenmärchen, sondern schlicht der Tatsache geschuldet, dass eventuell nicht genug Licht vorhanden ist. Da sie nicht an das landesweite Stromnetz angeschlossen sind, muss das Pflegepersonal in der örtlichen Entbindungsklinik, die für 4.000 Menschen aus einem Umkreis von 24 km zuständig ist, bei Bedarf auf Taschenlampen zurückgreifen. Wenn die Batterien leer sind, greifen sie auf das Licht ihres Mobiltelefons zurück. Vorausgesetzt, es ist ausreichend aufgeladen.
„Bei nur zwei Pflegekräften bedeutet das, eine Person hält das Licht und die andere hilft bei der Geburt“, erklärt Wayne Dwallow, Solar Project Engineer bei Differ Community Power (DCP), einem internationalen Anbieter von Solarenergiedienstleistungen für Kommunen. „Häufig sind Pflegekräfte nicht da, weil sie bis zur nächstgelegenen Station, an der sie ihre Telefone laden können, 30 km weit fahren müssen. Aus diesem Grund ziehen es viele Mütter vor, ihre Kinder zuhause auf die Welt zu bringen, was riskant ist, besonders wenn es Komplikationen gibt“, fügt er hinzu.
Die Klinik in Mrima Wa Ndege steht nicht allein da. Schätzungen zufolge haben 675 Millionen Menschen weltweit keine zuverlässige Stromversorgung und noch viel mehr Menschen haben nicht einmal Zugang zu Dingen wie Gesundheitseinrichtungen mit einer stabilen Stromversorgung, um lebensrettende Behandlungen sicherzustellen.
Explosionsartiger Anstieg von Solarschrott
Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung mit eingeschränktem bzw. gar keinem Zugang zu Elektrizität lebt in Afrika südlich der Sahara. Die Region hat Sonnenschein im Überfluss, weshalb es keine Überraschung ist, dass Investitionen in Solarenergie deutlich zunehmen. Dem Bericht Africa’s Energy transition: solar and wind fuel energy security von Zero Carbon Analytics aus dem Jahr 2023 zufolge, ist die Solarenergie die am schnellsten wachsende Ressource in Afrika und machte zwischen 2010 und 2021 etwa 57 Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien aus. Der Großteil davon wurde in netzunabhängige PV-Solarmodule investiert, die mit batterie- bzw. dieselbetriebenen Generatoren verbunden sind.
Ray Gorman, Director of Business Development bei DCP, zufolge haben sich internationale Geldgeber dazu verpflichtet, innerhalb der kommenden drei Jahre 150.000 Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Regionen in Afrika und Indien mittels Solarenergie mit Strom zu versorgen. Allerdings seien bisher kaum Vorkehrungen für die Entsorgung von ausgedienten Solaranlagen getroffen worden. Das Ergebnis sei eine wachsende Zahl an „Solarfriedhöfen“.
„Die Haushaltszyklen dieser Geldgeber bieten in der Regel einen Anreiz für Kapitalausgaben anstelle von Betriebsausgaben, was bedeutet, dass die meisten installierten Solar-PV-Anlagen am Ende ihrer Lebensdauer nicht gewartet oder repariert werden und bei einem Ausfall oft stattdessen nagelneue Anlagen installiert werden“, sagt er. „Da die meisten dieser Anlagen für eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren ausgelegt sind, werden wir bald mit einem explosionsartigen von Solarabfällen konfrontiert sein.“
Laut der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) werden die kumulierten PV-Abfälle bis 2050 200 Millionen Tonnen übersteigen. Einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge ist das Recycling von PV-Abfällen aufgrund von Herausforderungen wie minderwertiger Recycling-Ausbeute, niedrigen Verwertungsquoten und Schwierigkeiten bei der Entfernung und Behandlung von Materialien nach wie vor begrenzt. Dennoch können Solarmodule bei korrekter Installation und Wartung bis zu 40 Jahre halten, und bei vielen Installationen ist es nur die Batterie, die nicht wiederverwendet werden kann. Der Einsatz von Second-Life-Batterien kann dann eine sehr kostengünstige Möglichkeit sein, sie weiterzuverwenden.
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Der IEC Global Impact Fund hilft, Elektroschrott zu vermeiden
DCP ist der erste Partner, der mit Hilfe des Global Impact Fund der IEC (IEC GIF) ein Projekt durchführt, das auf dieses Thema ausgelegt ist. Unter Berücksichtigung internationaler Normen und Konformitätsbewertungen trägt das Projekt dazu bei, die Belastung durch Elektroschrott aus Solar- und Batterieanlagen zu verringern und sichere und zuverlässige Elektrizität an Orten bereitzustellen, an denen sie wirklich benötigt wird. Indem der gesamte Lebenszyklus der Anlage berücksichtigt und die lokalen Gemeinschaften in die Lage versetzt werden, die Wartung fortzusetzen, überträgt das Projekt den Wert internationaler Normen in technisches Know-how, das den Gemeinschaften noch lange nach Projektende zugutekommen kann.
Die Initiative ist bereits in vollem Gange: Sieben Grundschulen und zwei Gesundheitszentren auf dem Land wurden bereits dafür ausgewählt, darunter Mrima Wa Ndege. Die Mkang'ombe Primary School in Kwale County gehört ebenfalls dazu. Die Schule verfügt über fünf Solaranlagen, aber keine davon funktioniert. Dwallow erzählt, dass einige der Schüler*innen unter der Woche dort leben, weil sie entweder zu weit weg wohnen oder weil sie das Risiko minimieren wollen, auf dem Heimweg wilden Tieren, wie Elefanten, zu begegnen. „Wir haben Schüler*innen gesehen, die zum Lernen nur das Licht kleiner Prepaid-Solarlampen haben, was teuer ist, weshalb die Zeit sehr begrenzt ist“, sagt er. „Mit einer zuverlässigen Stromquelle können sie nicht nur Geld sparen, sondern können dann auch gespendete Geräte wie Tablets oder Projektoren nutzen.“ Außerdem werde es dazu beitragen, die Abwesenheit von Lehrer*innen zu minimieren, fügt er hinzu.
Weite Strecken zurücklegen zu müssen, nur um ihr Mobiltelefon aufzuladen, ist einer der Hauptgründe, warum viele Lehrer*innen nicht in ländlichen Gebieten arbeiten. Die Folge davon sind häufige Wechsel von Lehrer*innen und viele Kinder pro Klassenzimmer. „Dasselbe gilt für die Pflegekräfte im Krankenhaus. In Notfällen sind sie nicht immer vor Ort, weil sie 30 km vom nächsten Stromanschluss entfernt sind. Und sie brauchen ihre Telefone, um das nächstgelegene Krankenhaus zu erreichen, wenn es ein Problem gibt, für das sie nicht die benötigte Ausstattung haben.“
Elektrizität ermöglicht ihnen außerdem, die aktuell außer Betrieb befindlichen Kühlschränke für die Lagerung und Verteilung lebenswichtiger Medikamente, wie Impfstoffe, zu nutzen. „Impfungen durchzuführen ist eine Herausforderung”, erklärt Dwallow, „da es bedeutet, eine Stunde bei 35 °C Hitze zu fahren, um Eis für die Lagerung der Impfstoffe zu kaufen, doch bei ihrer Rückkehr ist das Eis zur Hälfte geschmolzen und sie haben nur einen sehr kurzen Zeitraum, um Impfungen durchzuführen. Diese Vorgehensweise ist unhaltbar.“
Kommunen stärken
Das ist nicht das erste Mal, dass internationale Organisationen helfen wollten. „Es gab in der Vergangenheit viele Geldgeber, die diesen Kommunen helfen wollten“, erzählt Celestine Atieno, Project Finance Engineer bei DCP, die an dem Projekt arbeitet. „Aber sie agieren isoliert voneinander, bieten unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Anlagen bzw. Systeme an. Und wenn eine Anlage ausfällt, dann bietet ein anderer Geldgeber etwas anderes an und am Ende gibt es viele nicht funktionierende Geräte, die herumliegen.“
Das Projekt des Global Impact Fund zielt darauf ab, dies zu ändern und die Gemeinden in die Lage zu versetzen, die Anlagen während ihres gesamten Lebenszyklus zu verwalten. Matt Doherty, leitender Berater des Fonds, sagt, das Projekt sei eine Gelegenheit, den Wert und die Auswirkungen zu sehen, die die Konformität mit internationalen Normen auf Kommunalebene haben können. „Bei korrekter Messung und Beobachtung können wir auch die Bedeutung auf nationaler Ebene sehen. Unsere Hoffnung ist, dass die durch dieses Projekt generierte Datenmenge und das dabei erworbene Wissen dazu genutzt werden, die Arbeit der IEC weiter zu verbessern“, erklärt Doherty.
„Wir werden diese Informationen außerdem mit der internationalen Gruppe von Geldgebern teilen, die knappe Ressourcen verwalten, und die enger mit der internationalen Normungs-Community zusammenarbeiten sollten, um sicherzustellen, dass ihre Investitionen über den aktuellen Stand hinausgehen.“ Dazu gehört, dass an vielen Standorten die PV-Solaranlagen komplett neu verdrahtet werden. Örtliche Elektriker*innen und Techniker*innen werden darin geschult, wie die Sicherheits- und Leistungsanforderungen der Normen eingehalten werden. Die Ergebnisse sollen mit den beteiligten Akteuren, wie Unternehmen und politischen Entscheidungsträger*innen, geteilt werden, um das Projekt in großem Maßstab replizieren zu können.
IECEE: Konformitätsbewertung für elektronische und elektrische Produkte
Hersteller haben es mit einer stetig steigenden Menge an Regularien, Vorschriften und Gesetzen zu tun. Wer global Handel betreibt, stößt immer wieder auf Herausforderungen beim Marktzugang.
IECEE bietet die Möglichkeit, elektronische und elektrische Produkte daraufhin zu überprüfen, ob sie die Anforderungen aus über 3.000 Normen einhalten. Das gilt auch bei aktuellen Themen wie Cybersecurity, Internet der Dinge (IoT) & Co.
Geeignete Kontrollen sind eingerichtet
Eine Verifizierung, dass die Arbeit den Normen entspricht, ist der Schlüssel zum Erfolg des Projekts und dabei spielen die Konformitätsbewertungssysteme der IEC eine zentrale Rolle. IECEE (IEC System of CA Schemes for Electrotechnical Equipment and Components) bietet eine Konformitätsbewertung für Batterien. Sie können im Hinblick auf Sicherheit, Leistung, Interoperabilität der Bauteile, Energieeffizienz und elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) geprüft werden.
IECEE stellt außerdem Methoden und Dienstleistungen zur Verifizierung der Konformität zahlreicher Elemente des Stromanschlusses wie Lampen, elektrische Schalter und Kabel bereit. Im Rahmen des Projekts teilen die beratenden Expert*innen von IECEE ihr Wissen und ihre Erfahrung hinsichtlich Konformitätsbewertungen in Bezug auf die Anlagen und beraten bei der Frage, auf welche Aspekte der Fokus zu legen ist, um sicherzustellen, dass sie eine gute Leistung erbringen und sicher sind.
Wolfram Zeitz, Executive Secretary von IECEE, sagt, dass das Projekt zudem eine Möglichkeit sei, um ein besseres Verständnis bezüglich der Bedürfnisse ländlicher Kommunen, die nur einen beschränkten bzw. unzuverlässigen Zugang zu Elektrizität haben, zu gewinnen. „Durch die Arbeit mit Techniker*innen und der Bevölkerung vor Ort können wir nicht nur unser Wissen dazu weitergeben, wie man prüft, ob Anlagen sicher und effektiv arbeiten, sondern wir können auch mit eigenen Augen die Umgebung sehen, in der sie leben“, erklärt Zeitz. „Das gibt uns auch einen besseren Einblick in die Notwendigkeit von und Anforderungen an Prüfungen und Verifizierungen im Hinblick auf reparierte bzw. recycelte Geräte. Das ist sehr wertvoll für uns angesichts dessen, dass sich ein Großteil der Konformitätsbewertungsarbeit auf neue Produkte bezieht, da dies im Hinblick auf Handel und Zugang zu globalen Märkten hilft.“
Da der Zugang zu Strom eine grundlegende Voraussetzung für die Lösung vieler Probleme auf der Welt ist, hat die Oxford Poverty and Human Development Initiative eine Verbindung zwischen fehlendem Zugang zu Strom und Armut, Mangel an Bildung, unhygienischen Lebensbedingungen, Mangelernährung und schlechter Gesundheit hergestellt. Zugang zu Strom trägt außerdem unmittelbar zu SDG 7 (bezahlbare und saubere Energie) bei, was wiederum dazu beiträgt, viele der anderen UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, wie SDG 1 (keine Armut), SDG 2 (kein Hunger), SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen), SDG 4 (hochwertige Bildung) etc.
Die internationalen Normen und Konformitätsbewertungssysteme der IEC sind wichtige Werkzeuge für den Zugang zu Strom überall auf der Welt, und durch IEC GIF werden diese Werkzeuge geliefert und den Menschen an die Hand gegeben.
Redaktioneller Hinweis:
Der englischsprachige Originalartikel von Clare Nadan erschien erstmals auf etech.iec.ch in der Ausgabe 05/2024 unter:
https://etech.iec.ch/issue/2024-05/power-to-the-people
Inhaltliche Beschreibungen, Darstellungen und Meinungen in diesem IEC-Text können von denen der DKE abweichen.