Eine fortschrittliche CPU, bedruckt mit einer Flagge der Europäischen Union
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25.04.2024 Veranstaltungsrückblick

Trusted Chips sollen Europa unabhängiger vom Weltmarkt machen: Young Professionals entwickeln mit DKE Expert*innen eine Normungsroadmap im Auftrag der Europäischen Kommission

Mehr Chips „Made in Europe“: Die Europäische Union möchte sich unabhängiger von Herstellern außerhalb der EU machen. Das im September 2023 verabschiedete Gesetz des „European Chips Act“ soll den Ausbau der europäischen Mikrochipindustrie vorantreiben. 2020 wurden 1 Billion Mikrochips weltweit hergestellt, lediglich 10 % davon in der EU. Rund 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen wurden bereits bereitgestellt, um die Steigerung der europäischen Produktionskapazitäten bis 2030 auf 20 % des Weltmarktes zu steigern. 

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Alena Widder
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Die Normung wurde als Schlüsselfunktion erkannt und die Europäische Kommission hat die DKE beauftragt, gemeinsam mit relevanten Expert*innen aus Normung, Industrie und anderen Interessensvertretern eine Normungsroadmap zu erstellen, die helfen soll, Standards für zuverlässige und sichere Mikrochips (engl. trusted and secure chips) zu entwickeln. Zum Start des Projektes fand bereits im November 2023 in Frankfurt eine Veranstaltung der DKE statt, zu der auch junge Ingeneur*innen der Next Generation DKE und des VDE Young Net eingeladen wurden, um die Zukunft der europäischen Mikrochipindustrie aktiv mitzugestalten.


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Trusted Microchips for Europe - what is missing?

Semiconductors 'Made in Europe' should be trustworthy. Help us figure out gaps in standardisation for the European Union. Join DKE's 2nd Workshop on Trusted Chips, May 28, 2024 at DKE near Frankfurt, Germany.

All national and international experts interested in secure chips are invited.

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In seinem Bericht gibt Milan Ferus-Comelo einen persönlichen und umfassenden Überblick über den Entscheidungsfindungsprozess zwischen den globalen Interessenvertretern. In enger Zusammenarbeit mit internationalen Experten möchte Milan wertvolle Einblicke in die europäische Gesetzgebung und Politik geben, um die Transparenz bei der Erstellung der Normungs-Roadmap zu erhöhen.

Milan Ferus Comelo - Portrait

Milan Ferus-Comelo

Milan ist Mitglied der Next Generation DKE und studiert derzeit Embedded Systems Engineering an der DHBW Stuttgart. Zudem arbeitet er als dualer Student bei Kärcher. 

Milan Ferus Comelo - Portrait

Milan ist Mitglied der Next Generation DKE und studiert derzeit Embedded Systems Engineering an der DHBW Stuttgart. Zudem arbeitet er als dualer Student bei Kärcher. 

Seine Motivation: "Als jemand, der sich leidenschaftlich für die Kombination von Hardware und Software im Bereich der Robotik interessiert, sehe ich im Trusted Chips Young Professional Program die einzigartige Gelegenheit, meine Leidenschaft weiter zu vertiefen und die Zukunft der europäischen Mikrochip-Industrie mitzugestalten."

Persönliche Einblicke in die Erarbeitung der Normungsroadmap Trusted Chips

Ein Bericht von Milan Ferus-Comelo

Im Oktober 2023 hatte ich die Ehre, als einer von vier Young Professionals in Deutschland ausgewählt zu werden, um am Trusted Chips Young Professional Programm teilzunehmen und die Zukunft der europäischen Halbleiterindustrie durch die Entwicklung einer Normungs-Roadmap für sichere und vertrauenswürdige Chips im Rahmen des EU Chips Act mitzugestalten.

In enger Zusammenarbeit mit internationalen Experten aus dem Halbleiterbereich ist es unser Hauptziel, die Gesetzgebung und Politik der Europäischen Union zu unterstützen, indem wir einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Halbleiterstandardisierung geben. Während der 1,5-jährigen Laufzeit des Programms werden wir Lücken und Bereiche mit Änderungsbedarf in der aktuellen Normung identifizieren und Verbesserungen vorschlagen, sowie die Überarbeitung der europäischen Normungsergebnisse vorbereiten. Diese Überarbeitung ist zwingend notwendig, damit  es ein EU-weit gültiges Werk an Regeln und Anforderung an die Entwicklung und Qualitätssicherung von Halbleiterprodukten gibt. Damit kann die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit und das Vertrauen in die europäische Halbleiterindustrie auf dem globalen Markt stärken, um den europäischen Anteil am globalen Halbleitermarkt bis 2030 auf 20 % zu verdoppeln.

Das technische Komitee IEC/TC 47 "Semiconductor Devices" befasst sich mit der globalen Normung von Halbleitern und konzentriert sich auf die Erstellung internationaler Normen für Design, Produktion, Nutzung und Wiederverwendbarkeit von diskreten Halbleiterbauelementen. In dem Bestreben, die europäische Beteiligung in diesem Bereich zu verstärken, hat CENELEC das technische Komitee CLC/TC 47X gegründet, das die Aktivitäten des IEC/TC 47 auf europäischer Ebene widerspiegelt. Unter der Leitung von Uwe Rüddenklau nimmt Deutschland in diesem Komitee eine zentrale Rolle ein und trägt aktiv zur Standardisierung von vertrauenswürdigen Chips innerhalb Deutschlands, in Europa und auf internationaler Ebene bei.

Dies wirft jedoch die Frage auf: "Was sind Trusted Chips?" Genau diese Frage wird im Rahmen des “Trusted Chips”-Programms beantwortet!

Bilder vom ersten DKE Trusted Chips Workshop 2023

Das "Trusted Chips"-Programm – ein Projekt der DKE im Auftrag der Europäischen Kommission

Mit dem Ziel, eine neue Gesetzgebung zu schaffen, um die Engpässe in der Verfügbarkeit von Chips zu reduzieren und die Abhängigkeit von außereuropäischen Halbleiterherstellern zu verringern, veröffentlichte die Europäische Kommission 2022 das jährliche Arbeitsprogramm der Union (AUWP). Dieses Dokument hebt den Bedarf an neuen Standards zur Unterstützung der Zertifizierung von Chips hervor, um zu garantieren, dass diese sicher, authentisch und zuverlässig sind (AUWP 2022). Damit wurde der Grundstein für den European Chips Act gelegt, um ein hochmodernes europäisches Chip-Ökosystem zu fördern, die Innovationsfähigkeit und Versorgungssicherheit zu stärken und neue Märkte für bahnbrechende europäische Technologien zu öffnen (Arbeitsprogramm der Kommission 2022).

Der European Chips Act wurde am 21. September 2023 unterzeichnet, um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit in der Halbleiterindustrie mit Investitionen von 42 Milliarden Euro zu stärken. Darüber hinaus wurden in diesem Gesetz Maßnahmen zur Vorbereitung, Antizipation und schnellen Reaktion auf künftige Unterbrechungen der Lieferkette festgelegt. Da im Jahr 2020 weltweit über 1 Billion Mikrochips hergestellt wurden und die EU nur einen Anteil von 10 % an diesem Markt hat, zielt das Gesetz darauf ab, die europäischen Halbleiterproduktionskapazitäten bis 2030 zu verdoppeln. Weil die Erreichung dieses Ziels sorgfältige Überlegung und Planung erfordert, erhielten die Lenkungs- und Koordinierungsgremien von CENELEC (CLC/BT) eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen durch die Europäische Kommission. Die DKE als CENELEC-Mitgliedsorganisation schlug ein Sponsoring-Projekt vor, um die Roadmap zu entwickeln, die die Gesetzgebung und Politik der Europäischen Union unterstützt. Dieser Vorschlag wurde dann nach der Genehmigung durch die Europäische Kommission am 6. Mai 2022 in Kraft gesetzt.

Das im August 2023 gestartete, zweijährige Projekt ist in zwei Phasen unterteilt, die jeweils von 2023 Q4 bis 2026 Q1 laufen:

  • Phase 1: Diese Phase zielt darauf ab, den aktuellen und zukünftigen Bedarf an Chips zu ermitteln, eine Problemanalyse durchzuführen und die Unterstützung der europäischen Interessenvertreter in Politik und Wirtschaft zu gewinnen, um den Ablaufplan zu validieren.
  • Phase 2: Parallel zu Phase 1 wird die Europäische Kommission die Vorschläge im Rahmen des CLC/TC 47X umsetzen.

Um den Fortschritt zu messen, wurde das Projekt in zwei Arbeitspakete (WPs) unterteilt, die jeweils eigene Ergebnisse liefern sollen:

  • WP1: Organisation, Koordination und Spezifizierung des Projektumfangs und Identifizierung der Interessenvertreter; Zwischenleistungen; Zwischenbericht (13 und 25 Monate nach Beginn)
  • WP2: Terminologie, Status Quo, Marktbedürfnisse und -lücken sowie zukünftige Aktivitäten; Zwischenleistungen: Roadmap (30 Monate nach Beginn)

Ein gemeinsames Verständnis der Definitionen „Trusted Chips“ als Startpunkt des Projektes

Als Trusted Chips Young Professional hatte ich das Privileg, am 13.11.2023 am DKE Stakeholder Workshop Semiconductors in Frankfurt teilzunehmen und konnte dadurch aktiv an der Definition der Terminologie und der Entwicklung der Roadmap mitwirken. Im Rahmen des Workshops ist mir die Subjektivität in der Bedeutung von Sprache bewusst geworden, die eine große Herausforderungen beim Festlegen klarer Definitionen darstellt, was allerdings zwingend notwendig ist, um den Rahmen des Trusted-Chips-Programms abzustecken. Das Resultat stundenlangen Diskutierens und Ringens um eine Zusammensetzung von Wörtern mit eindeutiger Bedeutung war die folgende Definition für den Begriff des “Trusted Chip”:

Trusted chips [is defined] in terms of hardware and firmware along the entire supply chain, from chip design to final assembly manufacturer. Every step should be secure and authentic.

Nach genauer, rückblickender Überlegung bin ich jedoch der Meinung, dass diese Definition durch die Formulierung im AUWP 2022 der EG verbessert werden kann: “Trusted Chips is defined in terms of hardware and firmware along the entire supply chain, from chip design to integration in end products, wherein every step is secure, reliable, and authentic, ensuring verified trust in the integrity of the chip.” Am wichtigsten ist meines Erachtens vollständige Transparenz und eine sorgfältige Offenlegung aller Zulieferer und Herstellungsbedingungen. Dieser Punkt muss jedoch zunächst auf unserer nächsten Tagung Anfang 2024 weiterbearbeitet werden.


Das Netzwerk junger Menschen in der DKE

Die Next Generation DKE ist das Netzwerk der nächsten Generation zu allen Themen rund um die Zukunft der Normung und Standardisierung bei der DKE. Unser Ziel ist es, Studenten und Young Professionals zukünftig im Normungs- und Standardisierungsprozess der DKE sowie den jeweils dazugehörigen Gremien gezielt und stärker einzubinden.

Zum Next Generation DKE Programm

Fazit: Mitarbeit ermöglicht tiefe Einblicke und erfordert Verantwortungsbewusstsein

Durch meine Position als Trusted Chips Young Professional habe ich einen interessanten Einblick in die Welt der Normung und in das, was im Hintergrund geschieht, um sicherzustellen, dass Verbraucher sichere, innovative und vertrauenswürdige Produkte kaufen können, erhalten. Durch diese Gelegenheit kann ich aktiv an der politischen Gestaltung und den Verhandlungen zwischen den globalen Interessenvertretern mitwirken, um die Zukunft mitzugestalten und ich möchte dieses Privileg nutzen, um den Entscheidungsprozess mit meinem Bericht transparenter zu machen. Ich bin Alena Widder, Rosalia Virga, Stipe Mandic, Christian Marian und Uwe Rüddenklau sehr dankbar für ihre kontinuierliche Unterstützung während des Programms. 

Weitere Veranstaltungen und die Möglichkeit der Mitarbeit am Trusted Chips Programm sind geplant. Interessierte finden hier alle Informationen zum kommenden 2. Workshop des Trusted Chips Programm. Bei Fragen zum Programm, wenden Sie sich bitte bei Stipe Mandic


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