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14.12.2023 Veranstaltungsrückblick

Europas Klimaneutralität rückt in greifbare Nähe – durch intelligente Energienetze, CO2-freie Stromerzeugung und der Verzahnung von Normung mit allen Stakeholdern

Wie kann Europa 100% CO2-freien Strom erzeugen und nutzen, um seine Pläne hinsichtlich Klimaneutralität und European Green Deal zu unterstützen? Am 5. Dezember widmete sich ein von CEN, CENELEC und DKE organisierter Stakeholder-Workshop der Frage, wie Normen die Verwirklichung einer All Electric Society und den Übergang Europas zu Net-Zero ermöglichen.

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Johannes Stein

Strom spielt eine zentrale Rolle beim Erreichen von Klimaneutralität. Mehr und mehr grüner Strom liefert Energie für Europas Mobilität, Infrastruktur, Energiespeicher, Industrie und intelligente Gebäudetechnik. Gleichzeitig werden diese Bereiche weiter elektrifiziert. Wir sehen heute die größten Elektrifizierungsbemühungen seit der Einführung des Stromnetzes vor mehr als 130 Jahren. Doch wie kann Europa sicherstellen, dass es über die notwendigen Voraussetzungen verfügt, um 100% CO2-freien Strom zu erzeugen, zu speichern und zu nutzen? Und wie können Normen den Weg ebnen?

Um der Frage auf den Grund zu gehen, trafen sich hochrangige Vertreter*innen aus der Industrie, von europäischen Institutionen, Normungsorganisationen und der Zivilgesellschaft in Brüssel. CEN (Europäisches Komitee für Normung) und CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) gemeinsam mit DKE (Deutsche Kommission für Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) veranstalteten hierzu am 5. Dezember 2023 den Workshop mit dem Titel ‚Road to Net Zero: Standards for the All-Electric Society‘. 


Kernthemen waren dabei:

  • der Bedarf an technischen Konzepten und interoperablen Lösungen zum Erreichen der Ziele der Dekarbonisierung und größerer Energieunabhängigkeit,
  • die Rolle der Normung bei der Förderung einer breiteren Akzeptanz für die All Electric Society, 
  • politische Initiativen und neue Konzepte, wie der digitale Produktpass, Datenräume, intelligente Verträge und der Net Zero Industry Act 
  • die Vision der All Electric Society und ihre Herausforderungen im Zusammenspiel mit den Themen

Der Rückblick in Live-Illustrationen

Während des Workshops sind Kunstwerke entstanden, die alle Teile und wichtigsten Botschaften in Englisch zusammenfassen. Die in Brüssel ansässige Künstlerin María Foulquié García hat diese live und vor Ort kreiert.

Normen erleichtern Netzausbau und -erneuerung in Europa und tragen zum Erreichen der All Electric Society bei

Die ganztägige Veranstaltung begann mit einer Begrüßungsansprache von Wolfgang Niedziella, Präsident von CENELEC. Herr Niedziella brachte die aktuellen Diskussionen in einen zeitlichen Kontext, und betonte die Rolle von Strom beim Aufbau der heutigen Gesellschaft. Zudem wies er darauf hin, dass die Veranstaltung wichtige Erkenntnisse dafür liefert, wie die besten Normen für eine All Electric Society entwickelt werden können. 

In ihrem Impulsvortrag brachte Sophie Müller, Head of Unit, Standards Policy, DG GROW der Europäischen Kommission auf die aktuelle politische Lage bei der Dekarbonisierung Europas ein. Laut ihrer Aussage sind die Unsicherheiten in der Energieversorgung Europas noch nicht behoben. Sie hob den EU-Aktionsplan für den Netzausbau hervor und erklärte, dass Normen hierbei Investitionen und Innovationen erleichtern.


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Treffen Sie uns bei der DKE Zukunftswerkstatt Sektorenkopplung!

Nur wenn alle Bereiche von Industrie und Gesellschaft kooperieren und Daten zwischen den Sektoren frei fließen, kann die Vision realisiert werden und das Potential der CO2-freien All Electric Society vollständig ausgeschöpft werden. Am 19. und 20. März 2024 in Berlin treffen sich dazu führenden Expertinnen und Experten aus Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Normung um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Seien Sie dabei.

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Normen schaffen Vertrauen in grüne Energieinfrastruktur, doch die Bedürfnisse der Stromabnehmenden müssen berücksichtig werden – Diskussionen in unterschiedlicher Zusammensetzung

An den Vortrag von Frau Müller schloss sich eine Diskussionsrunde an, an der neben ihr Peter Vermaat, Secretary General EU DSO Entity, und Johannes Stein, Senior Principal Expert bei der DKE, teilnahmen. Sie sprachen über die transformative Wirkung der All Electric Society im Rahmen des Übergangs zu einer CO2-freien Zukunft und setzten sich mit der Frage auseinander, wie Normen die Entwicklung fördern können. Herr Stein sagte insbesondere: „Die Technologie entwickelt sich rasant weiter, und auch die Normen müssen sich weiterentwickeln. Normen werden die mit dieser Entwicklung verbundenen Risiken minimieren und dazu beitragen, Vertrauen bei Industrie und Investoren aufzubauen.“ 

Die anschließenden zwei Diskussionsrunden standen ganz im Zeichen der Perspektive der Stakeholder. Im Mittelpunkt der ersten Diskussion standen die Verbraucher*innen. Christiane Mann, Vice President und Head of Industry Affairs bei Siemens Smart Infrastructure, Chiara Giovannini, Deputy Director-General bei ANEC, und Luise Christmann, Officer for Energy and Performance bei Miele und Secretary des technischen Komitees IEC/TC 59 ‚Performance of household and similar electrical appliances‘, betrachteten, wie die Normung den unterschiedlichen Bedürfnissen von Verbraucher*innen hinsichtlich ihrer Energienutzung Rechnung tragen kann. 

Die zweite Diskussionsrunde wurde mit einer Videobotschaft von Petter Isaksson, CEO von Ahlins I Habo AB, als KMU-Vertreter, eröffnet, der die Notwendigkeit einer energieeffizienten Produktion und ganzheitlichen Betrachtung unterschiedlicher Energieträger hervorhob. Die anschließende Diskussion befasste sich mit der Perspektive der Vertreter*innen der Industrie. Zu den Teilnehmenden gehörten Yann Fromont, Deputy President von T&D Europe und Vorsitzender des CEN und CENELEC Industry Advisory Forums, und Pascal Terrien, Chief Standardization Officer bei Électricité de France (EDF) und Mitglied des Standardization Management Board (SMB) der IEC. Die Referenten diskutierten über die Auswirkung der Elektrifizierung auf verschiedene Sektoren und Geschäftsmodelle und hoben hervor, inwiefern Normung die Koordinierung zwischen Sektoren erleichtern kann. 

Die All Electric Society ist heute bereits in der Realität zu betrachten – Impulsvorträge und Diskussionen zur technischen Weiterentwicklung

Der Nachmittag begann mit einer Präsentation von Frank Possel-Dölken, Chief Digital Officer bei Phoenix Contact, der ein Beispiel der All Electric Society in der Praxis vorstellte und aufzeigte, wie eine nachhaltige und voll elektrifizierte Zukunft aussehen könnte. Er gab einen Einblick in die Gestaltung eines neuen, energiepositiven Produktionsgebäudes, das Wind- und Solarenergie verwendet, sowie in neue Konzepte wie Gleichstromnetze und Eisspeicher zur Verbesserung der Energieeffizienz. 

Die Präsentation lieferte Denkanstöße für die folgenden beiden sog. Technology Chats, bei denen neue Technologien im Mittelpunkt standen. Am ersten Gespräch zum Thema Sektorenkopplung und Energiemanagement nahmen Gabriel Bareux, Direktor F&E und Innovation, Réseau de Transport d'Electricité France (RTE), Geert Deconinck, Professor und Leiter der Forschungsgruppe ELECTA (Electrical Energy Systems and Applications) an der KU Leuven, und Luka De Bruyckere, Senior Programme Manager bei ECOS, teil. Die Gesprächsteilnehmenden unterstrichen den Bedarf an innovativen und sektorübergreifenden Ansätzen im Energiemanagement und die Notwendigkeit von Interoperabilität bei der Datenkommunikation zwischen Sektoren. Ferner gingen sie der Frage nach, ob die Industrie auf die aktuellen Veränderungen vorbereitet sei.

Im zweiten Technology Chat standen Datenkommunikation und die Rolle der Digitalisierung bei der Förderung von Informationsaustausch im Vordergrund. Neben Frank Possel-Dölken nahmen Antonello Monti, Professor und Direktor am Institut für Automatisierung komplexer Energiesysteme (ACS) der RWTH Aachen, und Svetoslav Mihaylov, Policy Officer, IoT Unit, bei DG CONNECT der Europäischen Kommission, an der Diskussion teil. Das Beispiel der Containerschifffahrt verdeutlichte die Notwendigkeit von semantischer Interoperabilität für den „Datenversand“ über Unternehmen, Branchen und Sektoren hinweg. Die Gesprächsteilnehmenden stellten ferner aktuelle Projekte und Bemühungen hinsichtlich Energiedatenräume vor, die diese Interoperabilität unterstützen sollen.

Normung brechen Komplexität und erfordern die Zusammenarbeit aller Stakeholder 

Am Ende der Veranstaltung analysierte Frederic Vaillant, Vice President Technical von CENELEC, welche wesentlichen Erkenntnisse die Veranstaltung hervorbrachte und machte einen Vorschlag, wie es für die Normung weitergehen könnte. Er sagte: „Energie ist Leben. Es ist etwas, das alle betrifft. […] Jede*r bringt ein Puzzleteil ein. Es wird komplexer werden und muss entsprechend koordiniert werden. Normen tragen dazu bei, diese Komplexität zu vereinfachen.“

Elena Santiago Cid, Director General CEN und CENELEC, betonte abschließend, wie wichtig es sei, so viele Stakeholder wie möglich in die Normung einzubeziehen, um die Ziele der All Electric Society zu erreichen. 

CEN, CENELEC und DKE setzen sich nachdrücklich für die Twin Transition und die Entwicklung hin zu einer All Electric Society und Klimaneutralität in Europa ein. Der Workshop ‚Standards for the All-Electric Society‘ war eine von vielen Initiativen, die die Stakeholder aus verschiedenen Organisationen zusammenbringen, um diese Ziele zu erreichen. Die Twin Transition ist ein wichtiger Treiber der gemeinsamen Strategie 2030 von CEN und CENELEC und des DKE Commitment 2030. CEN und CENELEC sind bestrebt, technische Lösungen bereitzustellen, die die Verbreitung sauberer Technologien in Europa erhöhen.


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