- Anwendung von KI im Bahnbereich
- Sicherheit in komplexen Systemen durch Normen
- Beispiele für zukünftige Entwicklungen durch den Einsatz von KI
Schienenverkehr profitiert von KI – mehr Effizienz, geringere Kosten und optimierte Fahrpläne
Interview mit Dr. Maximilian Eichhorn
DKE: Herr Dr. Eichhorn, Sie haben kürzlich die Bedeutung von digitalen Produkten und Dienstleistungen für die Zukunft der Industrie hervorgehoben. Es scheint, dass die Integration von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in die Bahnindustrie ein wesentlicher Schritt ist, um die Effizienz und Sicherheit im Schienenverkehr zu verbessern. Seit wann beschäftigt sich Knorr-Bremse mit künstlicher Intelligenz?
Eichhorn: Knorr-Bremse wurde im Jahr 1908 gegründet und ist seit vielen Jahren Weltmarktführer für Bremssysteme sowie Lieferant weiterer Subsysteme für Eisenbahnfahrzeuge. Innovation ist Teil unserer DNA, aktuell halten wir über 12.000 Patente. Auch Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen spielen dabei bereits seit vielen Jahren eine immer größere Rolle.
KI im Einsatz: Prozesse, Produktentwicklung und Predictive Maintenance
DKE: Könnten Sie einen Überblick darüber geben, wie Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge derzeit Künstliche Intelligenz im Schienenverkehr einsetzt und welche Initiativen und Projekte in diesem Bereich aktuell laufen?
Eichhorn: Aktuell sehe ich drei Anwendungsgebiete: Erstens bei internen Prozessen. Hier nutzen wir Künstliche Intelligenz, um etwa in der Produktion und Logistik die Effizienz und Abläufe zu verbessern. Als weiteres Beispiel kommt KI im Umfeld des Einkaufs und des Forderungsmanagements zum Einsatz.
Zweitens: Die Produktentwicklung. Hier nutzen wir KI beispielsweise im Umfeld von virtuellen Simulationen, um das Verhalten komplexer Bremssysteme und Bauteilbelastungen zu prüfen. Oder wir analysieren operative Betriebsdaten unserer Türsysteme, um Rückschlüsse auf Verbesserungspotenziale im Produktdesign oder der Produktion zu erhalten. Zudem nutzen wir KI in der Erstellung und beim Testen von Software diverser Steuerungen.
Drittens: Wir entwickeln Algorithmen, die während des operativen Bahnbetriebes dem Betreiber Hinweise geben, wann welches Subsystem wie gewartet werden soll. Zustandsbasierte und vorausschauende Wartung ist ein wichtiger Hebel zur Verbesserung von Zugverfügbarkeit und Betriebseffizienz bei den Betreibern.
KI und Daten spielen in der Bahnbranche eine zunehmend größere Rolle
DKE: Welche konkreten Vorteile sieht Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge im Einsatz von KI im Bahnbereich sowohl aus betrieblicher als auch aus Kundensicht?
Eichhorn: Der Nutzen von KI steht noch ganz am Anfang. Wie bei allen neuen Technologien dauert es, bis die Anwendung skaliert werden kann und sich der Nutzen einstellt. KI und andere neue Methoden im Umfeld von Daten werden allerdings besonders schnell wirksam werden.
Letztendlich versuchen wir drei Hebel zu adressieren: Sicherstellen von Sicherheit und Zuverlässigkeit unserer Systeme im Betrieb, Reduktion des ungeplanten Ausfalls einer Komponente sowie eine Reduktion der Kosten über den Lebenszyklus für unsere Kunden. Das steigert den Nutzen für unsere Kunden und, noch wichtiger, für deren Kunden. Denn die Kunden unserer Kunden, zum Beispiel die Reisenden oder die Frachtversender, sollen ja die Produkte und Services unserer Kunden nutzen.
Insgesamt sehen wir, dass Daten – und KI – in der Bahnbranche zunehmend eine zentrale Rolle spielen, und wir tragen in wichtigen Bereichen dazu bei.
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Nutzen sichtbar und Auswirkungen von Anwendungen verständlich machen
DKE: Wie beurteilt Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge die gesellschaftliche Bedeutung des Einsatzes von KI auf der Schiene? Welche Schritte könnten unternommen werden, um das Verständnis und die Akzeptanz dieses Themas in der Öffentlichkeit zu erhöhen?
Eichhorn: Auch hier gilt: Neue Technologien brauchen Zeit, Erklärung und konkrete Anwendung. Wenn sich der Nutzen sichtbar nachweisen lässt und die Auswirkungen der Anwendung verstanden werden, dann wird die Akzeptanz in der Öffentlichkeit zunehmen. Wichtig ist hierbei, dass die Auswirkungen ganzheitlich betrachtet werden.
Dabei gilt es, unter anderem folgende Fragen zu adressieren und zu beantworten: „Welche neuen technischen, kommerziellen oder ethischen Risiken können im direkten aber auch im indirekten Umfeld der Anwendung entstehen?“, „Welche Auswirkungen hat die Anwendung auf den individuellen Menschen?“ oder „Welche Auswirkungen hat die Anwendungen auf die Gesellschaft?“.
Ein System muss bei Fehlfunktion immer in einen sicheren Zustand übergehen
DKE: Welche Herausforderungen sind bei der Integration von KI in den Schienenverkehrsbetrieb aufgetreten und wie wurden diese bewältigt? Welche Herausforderungen müssen noch gelöst werden und wie könnte dies geschehen?
Eichhorn: Der Schienenverkehr ist ein überaus komplexes System aus Infrastruktur, Fahrzeugen, Energieversorgung, Signal- und Leittechnik sowie von betrieblichen Abläufen und Regelungen. Die Anforderungen an funktionale Sicherheit sind sehr hoch und hängen aufgrund der Integration der Systeme eng zusammen. Sehr gut beschrieben ist das in den Standards EN 50126, EN 50128 und EN 50129. Diese Standards implementieren die Sicherheitsgrundnorm IEC 61508 für die Bahnindustrie.
Vereinfacht lautet der Grundsatz: Ein System muss bei Fehlfunktion immer in einen sicheren Zustand übergehen. Und hier brauchen wir und die Zulassungsbehörden bei der Anwendung von KI im sicherheitskritischen Umfeld noch Zeit und insbesondere innovative Ansätze für die Zulassung KI-gestützter Systeme, da die bisherigen Zulassungsverfahren eher auf deterministischen Grundlagen basieren. Eine wichtige Rolle spielen für uns dabei statistische und physikalisch motivierte, erklärbare KI-Verfahren.
KI und maschinelles Lernen fördern die hohe Automatisierung im Bahnbereich
DKE: Könnten Sie uns einen Einblick in Ihre Vision für die Zukunft des autonomen Bahnfahrens und den Beitrag von KI dazu geben?
Eichhorn: Die Zukunft der Bahn wird in vielen Bereichen in hohem Maße automatisiert sein – sei es im Betrieb, in der Wartung oder in der von der Nachfrage abhängigen Disposition.
Fahrerlose Züge beispielsweise gibt es schon seit einigen Jahren in Metro- bzw. U-Bahn-Anwendungen. Erste Test- und operative Systeme sind inzwischen auch in den etwas komplexeren Anwendungen im Straßenbahnumfeld oder in aktuell noch eingegrenzten Fernverkehrsnetzen vorhanden bis hin zum "größten Roboter der Welt“: den automatisierten Güterzügen der RioTinto in Australien. Bewegliche Roboter werden den Menschen bei Wartungstätigkeiten immer mehr unterstützen können. Ersatzteile werden abhängig von dem Zustand eines Subsystems in das richtige Depot geliefert. Fahrplananpassungen und Streckenkapazitäten können nahezu live simuliert und angepasst werden.
Und bei allen Themen werden KI und maschinelles Lernen eine immer größere Rolle spielen.
DKE: Herzlichen Dank für das Interview!
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