Niedrigenergiehäuser, Parkplätze mit Ladesäulen
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30.06.2025 Fachinformation

Positive Energy Districts oder wie CO2-neutrale Stadtviertel die Klimaziele unterstützen

Städte sind für 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Mit zunehmender Urbanisierung ist davon auszugehen, dass der Anteil noch weiter steigen wird. CO2-neutrale Stadtviertel, sog. Positive Energy Districts (PEDs), sind eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen – mit Hilfe internationaler Normen.

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Janina Laurila-Dürsch
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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Was sind Positive Energy Districts?
  • Welche Ziele verfolgen Positive Energy Districts?
  • Wo liegen die Herausforderungen bei Positive Energy Districts?

Die Einwohner*innen von Fleuriaye West, einem Stadtviertel in der Metropolregion Nantes, Frankreich, müssen im Winter nicht heizen, selbst wenn die Außentemperaturen auf einstellige Werte sinken. Sie müssen im Sommer auch nicht kühlen, obwohl es ziemlich heiß werden kann. Fauna und Flora gedeihen und die Einwohner*innen können zahlreiche Dienstleistungen vor Ort nutzen, ohne ins Auto steigen zu müssen. Wenn sie die ehrgeizigen Klimaziele des Stadtentwicklers erfüllen, erhalten sie sogar kostenlos ein Elektrofahrrad.

Fleuriaye West gehört zu der wachsenden Zahl an Positive Energy Districts (PEDs), die innovative Wege bei der Nutzung von Technologien wie Solar- und Lüftungsanlagen, der Gestaltung und Planung gehen, um eines Tages mehr Energie zu produzieren als sie verbrauchen.

Förderung von Positive Energy Districts in Europa und darüber hinaus

Die Stadtviertel tragen zu dem ehrgeizigen Ziel der Europäischen Kommission bei, 100 PEDs bis 2025 zu errichten. Nach Überzeugung der EU Kommission ist die Entwicklung von PEDs entscheidend für den Übergang zu klimaneutralen Städten in Europa. Sie sind Teil ihres Strategieplans für Energietechnologie (SET-Plan) zur Erfüllung der Energie- und Klimaziele der EU und zur Etablierung Europas als weltweiter Vorreiter in Sachen saubere Energie und Energieeffizienztechnologien.

Das Projekt wird von Österreich geleitet und von 19 weiteren europäischen Ländern im Rahmen der Joint Programming Initiative (JPI) Urban Europe unterstützt. JPI Urban Europe definiert PEDs wie folgt: „Positive Energy Districts sind energieeffiziente und energieflexible städtische Gebiete, die keine Treibhausgasemissionen verursachen und eine jährliche lokale bzw. regionale Überschussproduktion erneuerbarer Energien aktiv steuern. Dazu bedarf es der Integration verschiedener Anlagen und Infrastrukturen sowie der Interaktion von Gebäuden, Nutzenden und regionaler Energie-, Mobilitäts- und IKT-Systeme, während gleichzeitig die Lebensqualität im urbanen Umfeld im Einklang mit gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit optimiert wird“.

Zwar scheint es, als wären PEDs eine überwiegend von Europa vorangetriebene Idee, doch das Modell wird von der Internationalen Energieagentur weltweit gefördert. Auch anderswo gibt es das Konzept unter anderem Namen, wie Hefei National High-tech Industry Development Zone in China.

Michael Mulquin, Experte für Smart Cities, sagt: „Der Gedanke ist, dass eine Stadt aus lauter PEDs besteht, die alle zusammen auf dieses eine Ziel hinarbeiten. Die Idee ist also, sie in großem Maßstab zu errichten.“ Michael Mulquin arbeitet seit beinahe 30 Jahren zusammen mit Städten, ländlichen Gebieten und der Industrie daran, herauszufinden, wie die Technologie ihre Arbeit verbessern kann. Er ist außerdem Vorsitzender des IEC-Systemkomitees für Smart Cities.

Ihm zufolge sollen PEDs ein Gebiet innerhalb der Stadtgrenzen schaffen, das in der Lage ist, mehr Energie zu erzeugen als verbraucht wird, aber das gleichzeitig flexibel genug ist, auf Veränderungen im Energiemarkt zu reagieren. Mehr Energie zu erzeugen als verbraucht wird, soll jedoch nicht das einzige Ziel sein, sondern es sollte auch versucht werden, die Auswirkungen auf die zentralen Energienetze zu reduzieren, indem andere Optionen geboten werden, wie Eigenverbrauch und Speichertechnologien.

PEDs sind auf intelligente Technologien zur Messung des Verbrauchs und der Erzeugung sowie zur Optimierung des Energieverbrauchs angewiesen. Mittels intelligenter Steuerung, sog. Smart Controls, kann beispielsweise dafür gesorgt werden, dass Energie dann verbraucht wird, wenn der Zeitpunkt ideal ist, und es können Sensoren zur Messung des Energieverbrauchs und der Energieerzeugung genutzt werden. Digitale Zwillinge werden eingesetzt, um realistisch zu simulieren, wie Dienste effektiv und effizient zusammenarbeiten können. Interaktion und Interoperabilität der vielen unterschiedlichen Komponenten eines Stadtviertels sind extrem wichtig, wie zum Beispiel zwischen Gebäuden, Bewohner*innen, Energieanlagen, Mobilitäts- sowie Informations- und Kommunikationstechnologienetzen.

Abgesehen von den offensichtlichen Auswirkungen auf die Umwelt, gibt es noch viele weitere Vorteile. Bürger*innen können bessere Entscheidungen hinsichtlich ihres Energieverbrauchs treffen und leben gleichzeitig in einer gesünderen Umwelt. Ihre Fahrt zur Arbeit ist potentiell kürzer. Sämtliche Akteure müssen zusammenarbeiten und Stadtviertel werden vielleicht ein wenig sicherer.


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Was sind die Nachteile?

Es gibt natürlich viele Herausforderungen. PEDs erfordern eine Menge Fachwissen aus den verschiedensten Bereichen. Es braucht ein hohes Maß an Konsens und Zusammenarbeit, damit die vielen verschiedenen Komponenten zusammenlaufen und das Ganze funktioniert. Neue Stadtviertel sind einfacher an das Konzept anzupassen als bereits bestehende, aber um einen weltweiten Effekt zu erreichen, reicht es nicht aus, nur neue Viertel entsprechend auszurichten.

Eine in der Fachzeitschrift Renewable and Sustainable Energy Reviews veröffentlichte Studie im Jahr 2024 hat die Notwendigkeit ganzheitlicher, flexibler und effizienter Methoden für die Gestaltung von PEDs hervorgehoben. Sie wies auf die vielen verschiedenen Definitionen des Konzepts und die unterschiedlichen Arten zur Messung der erzielten Fortschritte hin.

Mulquin teilt die Ansicht, dass es in erster Linie Klarheit und Einigkeit darüber braucht, was ein PED tatsächlich ist und welche Indikatoren gemessen werden müssen, damit sich das Konzept durchsetzen kann. „Zum Beispiel, wie groß soll der PED sein und was soll er alles umfassen? Sollen Verkehrsnetze Teil davon sein und wie können sie miteinander verbunden werden, um noch größere Energieeinsparungen zu erzielen?

Momentan verwenden intelligente Gebäude mit Sensoren für Beleuchtung und ähnliches bewährte Technologien. Aber wie können wir das Ganze weiter über Stadtviertel und Regionen hinweg optimieren, sodass ein Überschuss an Energie, der in einem Viertel erzeugt wird, einem anderen Viertel zugutekommen kann? Wir hoffen, all diese Fragen klären zu können und Normen wird hierbei eine wichtige Rolle zukommen“, fügt er hinzu.

Mulquin zufolge gibt es viele relevante Normen, die dazu beitragen können, PEDs zu errichten und zu versorgen, wie jene zu intelligenter Beleuchtung, Batteriespeichern, Energie und so weiter, aber diese befinden sich aktuell alle in Silos. „Wir brauchen Systemnormen, damit diese Bereiche miteinander sprechen und einen gemeinsamen Ansatz verfolgen. PEDs sind nicht möglich ohne die Zusammenarbeit vieler Sektoren innerhalb und außerhalb der Gebiete, und das ist nur mit Normen möglich.“

Technischer Bericht des Systemkomitees

Das ist das Ziel des Arbeitsprogramms, das vor kurzem für SyC Smart Cities beschlossen wurde. Das erste Projekt ist ein technischer Bericht, der eine Definition für PEDs liefert, die Herausforderungen und Möglichkeiten beschreibt sowie aufzeigt, welche bestehenden Normen sie unterstützen können und was noch gebraucht wird. Die Idee dahinter ist, einen klaren Ansatz zu schaffen, um das Konzept zu beschreiben und voranzutreiben, und so mehr Komitees mit ins Boot zu holen. Darauf aufbauend kann eine Normungsroadmap erstellt werden.

Begriffe und Definitionen, Referenzarchitekturen, Sammlung und Abgleich von Anwendungsfällen sowie Abgleich von Normen sind die wichtigsten Prioritäten neben der Zusammenarbeit mit anderen Normungsorganisationen, um sicherzustellen, dass alle Bereiche abgedeckt sind.

Auch wenn die Entwicklung noch am Anfang steht, entscheiden sich immer mehr Städte dazu, PEDs umzusetzen. Es ist Dringlichkeit geboten. Aber das Tolle daran ist, sagt Mulquin, dass sie innerhalb kurzer Zeit eine positive Veränderung vorweisen und etwas bewegen können. „Bei PEDs sprechen wir über 5-Jahres-Ziele und nicht über 30 Jahre. Ein Stadtviertel kann innerhalb kurzer Zeit etwas bewegen, Stück für Stück. Es geht um praktische Initiativen, die keine große politische Zustimmung benötigen, die die Dinge verzögern könnte.“


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