Lkws auf einer Straße
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11.09.2023 Fachinformation

Lastkraftwagen – der vielversprechende Markt für Wasserstoff

Anfang des Jahres hat der deutsche Automobilkonzern BMW eine Flotte von Wasserstoffautos auf den Markt gebracht. Der Markt für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge wird jedoch eher durch den schweren Straßengüterverkehr angetrieben. Hierfür sprechen unter anderem die größere Reichweite und die Schnelligkeit, mit der wasserstoffbetriebene Lastkraftwagen aufgetankt werden können. 

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Wie funktionieren Wasserstofffahrzeuge?

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Von Adrian Pennington

Wasserstofffahrzeuge verursachen genau wie Elektrofahrzeuge keine Schadstoffemissionen durch Abgase. Statt durch Strom angetrieben zu werden, der in einer Batterie gespeichert wird, produzieren Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge (FCEVs) den Strom an Bord mittels einer chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff in einem Brennstoffzellen-Stack. Das Wiederbefüllen von Wasserstofftanks an der Zapfsäule dauert weniger als fünf Minuten und die Reichweite von Brennstoffzellenfahrzeugen ist in der Regel größer als die von Elektrofahrzeugen. Die neue Flotte der in Deutschland hergestellten Fahrzeuge von BMW beispielsweise kann mit einer Tankfüllung 503 km zurücklegen.

Es gibt mehrere Marktbarrieren, die Brennstoffzellenfahrzeuge überwinden müssen, wenn sie mit Elektrofahrzeugen konkurrieren wollen. Allein die Kosten der Brennstoffzelle verdoppeln den Preis eines Standard-Pkw gegenüber einem vergleichbaren Elektrofahrzeug. Eine weitere Herausforderung für Wasserstofffahrzeuge ist die Notwendigkeit, das Gas auf sehr hohen Druck zu verdichten, um die richtige Kraftstoffdichte an Bord zu erreichen, was die Reichweite erhöht, erklärt Brendan Bilton, CTO eines Betreibers von Wasserstofftankstellen mit Sitz in UK. „Bei Pkw ist das eine enorme Herausforderung. Aus diesem Grund gehen viele Automobilhersteller zu SUV-Modellen über, bei denen mehr Platz für die Unterbringung der Tanks vorhanden ist.“

Elektrofahrzeuge mit Batterien haben ein ähnliches Problem, aber die Batterien für Elektrofahrzeuge sind kleine flache Packs, die im ganzen Fahrzeug verteilt werden können. Wasserstoff wird in vergleichbar großen Gasbehältern an Bord aufbewahrt und es gibt nur eine beschränkte Anzahl von Bereichen im Fahrzeug, wo sie untergebracht werden können. Stauraum ist bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen hingegen weniger problematisch.

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Infrastruktur für die Betankung. Es gibt nur ungefähr 230 Wasserstofftankstellen innerhalb der EU und UK, die meisten davon in Deutschland. Die Clean Energy Partnership, ein Zusammenschluss deutscher Fahrzeughersteller und Tankstellenbetreiber, hat sich dazu verpflichtet, das deutsche Wasserstofftankstellennetz bis 2025 von 100 auf 400 Tankstellen auszubauen, wobei das immer noch ein Bruchteil der 14.500 herkömmlichen Tankstellen des Landes sein wird.

„Beim Wasserstoffantrieb haben wir ein Henne-Ei-Problem“, erklärt Axel Rücker, Program Manager Hydrogen Fuel Cell beim deutschen Automobilkonzern BMW. „Solange das Netz von Wasserstofftankstellen derart dünn ist, wird die geringe Nachfrage der Kunden keine rentable Serienproduktion von Brennstoffzellenautos ermöglichen. Und solange kaum Wasserstoffautos auf den Straßen fahren, werden die Betreiber ihr Tanknetz nur zögerlich ausbauen.“

Die Gleichung geht bei Lastwagen besser auf. Da sich die großen Lkw-Hersteller verpflichten, Dieselfahrzeuge bis 2040 schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen, ist die größere Reichweite und die Schnelligkeit, mit der Wasserstofffahrzeuge betankt werden können, eine attraktive Alternative für den Straßengüterverkehr, der oft rund um die Uhr auf langen Strecken unterwegs ist.

„Größere Fahrzeuge, die schwere Lasten ziehen oder mit einer Kühleinheit oder einem Bordkran zum Heben von Gütern ausgestattet sind, stellen eine enorme Herausforderung für die Leistungskapazität elektrischer Batterien dar. Wenn Transportunternehmen auf Elektro-Lkw umsteigen, müssten sie ihr Betriebsmodell komplett umstellen. Wasserstoff wird die einzige realisierbare, emissionsfreie Energieform für diesen Sektor sein“, erklärt Bilton.


Fahrzeug transportiert Wasserstoff im Stahlbehaelter
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Wasserstoff: Chemischer Winzling mit riesiger Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende

Gerade einmal 0,000000031 mm klein und dennoch mit riesigem Potential – das ist Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird als Energieträger der Zukunft gehandelt, allen voran im Mobilitätssektor. Allerdings ist der Umgang mit Wasserstoff auch nicht ungefährlich. Fachleute engagieren sich daher in der Normung, um die Nutzung von Wasserstoff für unterschiedliche Anwendungsbereiche sicher zu gestalten.

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Gütertransport treibt Wasserstoff voran

Es werden Netze von Wasserstofftankstellen gebaut, die auf diesen Markt abzielen. Das Unternehmen von Bilton plant, dieses Jahr 30 Wasserstofftankstellen zu bauen, die sich auf die 147 Fernfahrerrastplätze des Vereinigten Königreichs konzentrieren, und schätzt, dass es etwa fünf einzelne Zapfpistolen pro Rastplatz (insgesamt 800) bis 2027 brauchen wird, um eine landesweite Abdeckung mit Wasserstofftankstellen zu ermöglichen.

„Wir können ein Grundnetz einrichten mit 100 Meilen zwischen den einzelnen Tankstellen, das den Transportunternehmen die Gewissheit gibt, dass sie auf den großen Fernverkehrsstraßen problemlos von A nach B kommen und unterwegs bei Bedarf tanken können“, sagt er. „Bei einem Fahrzeug mit einer Reichweite von 300 bis 400 Meilen ist das logistisch kein Problem.“

Die IEC ebnet den Weg, damit diese Energieform im Transportsektor weite Verbreitung findet. Das Technische Komitee IEC/TC 9 (DKE/K 351), das Normen für Eisenbahnausrüstung und -anlagen erstellt, hat kürzlich mit der Entwicklung einer neuen Norm, IEC 63341-1, begonnen, die Brennstoffzellen für den Antrieb von Zügen sowie allen Arten von rollenden Transportmitteln, inklusive Stadtbahnen, Straßenbahnen und U-Bahnen, spezifiziert. IEC/TC 105 (DKE/K 384) entwickelt Normen für Brennstoffzellen.

IECEx hat kürzlich sein Zertifizierungssystem für die Kompetenz von Personen, die in explosionsgefährdeten Bereichen arbeiten, um die Wasserstoffsicherheit erweitert. Hierfür wurde eine Kompetenzeinheit "Ex 011" hinzugefügt, die sich mit grundlegenden Kenntnissen über die Sicherheit von Wasserstoffsystemen befasst.


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Projekt: Normungsroadmap Wasserstofftechnologien

Das Projekt Normungsroadmap Wasserstofftechnologien beschäftigt sich gemeinsam mit zahlreichen Fachexpert*innen aus Industrie und Wirtschaft damit, die Standardisierung zu Wasserstofftechnologien zu sortieren und zu vervollständigen. Ziel ist es, auf diese Weise den Markthochlauf von Wasserstoff insgesamt zu beschleunigen.

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EU unterstützt Umstellung auf Wasserstoff

Die EU unterstützt die Wasserstoffinfrastruktur, um die „Dekarbonisierung des europäischen Transportsektors“ voranzutreiben und konzentriert sich hierbei auf den Gütertransport. Einer Studie des „Fuel Cell and Hydrogen Joint Undertaking“ (FCH JU) der EU aus dem Jahr 2020 zufolge sind Wasserstoffbrennstoffzellen „eine sehr vielversprechende emissionsfreie Antriebslösung für den Schwertransporter-Sektor”. 

Auch die öffentlich-private Clean Hydrogen Partnership der EU hat festgestellt, dass der Einsatz von Wasserstoffbrennstoffzellen in Langstreckenfahrzeugen „einen ausreichenden Reifegrad erreicht“ habe. Ein Zusammenschluss von Fahrzeugherstellern hat sich dazu verpflichtet, 100.000 Brennstoffzellen-Lkw und 1.500 Wasserstofftankstellen bis 2030 in der EU in Betrieb zu nehmen.

Der EU zufolge ist bis 2030 sicherzustellen, dass sich mindestens alle ca. 150 km eine Wasserstofftankstelle entlang des Transeuropäischen Verkehrsnetzes befindet. Damit würde es ein hinreichend dichtes Netz an Wasserstofftankstellen geben, um eine angemessene länderübergreifende Vernetzung sicherzustellen und die 60.000 Wasserstoff-Lkw zu versorgen, die nach Schätzung der EU bis Ende dieses Jahrzehnts auf ihren Straßen unterwegs sein werden.

Es ist zu erwähnen, dass diese Schätzungen auf der Annahme beruhen, dass die Kosten für die Erzeugung von Wasserstoffkraftstoff unter den aktuellen Wert von 6 USD/kg fallen, sodass der Verkaufspreis an der Zapfsäule bei 2 EUR/kg oder weniger liegen wird. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist optimistisch, dass Wasserstoff bis 2030 weniger als 1,80 EUR pro Kilogramm kosten wird.

Bilton teilt diese Ansicht und merkt an, dass der Preis für Onshore-Windkraft und Solarenergie sinkt und dass die EU die Herstellungskosten für Wasserstoff unter 2 Euro pro Kilogramm senken kann (werden die Kosten für den Transport und die Verdichtung an den Zapfsäulen eingerechnet, würde sich der Wert mindestens verdoppeln). „Kann der Preis für Wasserstoff auf 10 Euro pro Kilogramm oder weniger gesenkt werden, dann kommt man in den Bereich, wo die Kosten pro Meile für Wasserstoff niedriger sind als für Benzin oder Diesel.“

Dies bezieht sich jedoch auf die Kosten von „grünem“ Wasserstoff. Das ist die Form von Wasserstofferzeugung, die notwendig ist, um die Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen, aber die aktuell im Vergleich zu „grauem“ Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, noch deutlich teurer in der Herstellung ist.


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Wie grün ist Wasserstoff?

Etwa 95 Prozent des Wasserstoffs fallen aktuell in die Kategorie „grauer“ Wasserstoff und ihre Nutzung als Antrieb für Fahrzeuge würde die Fortschritte bei der Senkung der CO2-Emissionen massiv untergraben.

„Grüner“ Wasserstoff wird durch die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt. Bei dem Wasserelektrolyseprozess wird nur eine geringe Menge an Kohlendioxid ausgestoßen, aber er ist energieintensiv, was bedeutet, dass hierfür erneuerbare Energiequellen (Wind, Sonne, Wasser) genutzt werden müssen, um als „grün“ bezeichnet zu werden. Die Gesamtenergiebilanz von Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge muss auch den Transport und die Speicherung des Wasserstoffs beinhalten, was aufwändiger ist als bei Benzin oder Diesel. So müssen Gasleitungen, die für Methan genutzt werden, eventuell nachgerüstet werden, bevor sie für Wasserstoff geeignet sind, was die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur erhöht.

Hier können wieder die IEC-Normen helfen. IEC/TC 31 (DKE/K 241), das Normen für Geräte entwickelt, die in explosionsgefährdeten Umgebungen zum Einsatz kommen, beschäftigt sich mit dem Thema. Das technische Komitee hat ein Wasserstoff-Beratungsgremium eingerichtet, um den Input von IEC/TC 31 und seinen Subkomitees mit anderen relevanten technischen Komitees, die an dem Thema Wasserstoff arbeiten, zu koordinieren.

Um mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge zu einer zukunftsfähigen – und nachhaltigen – Alternative zu Verbrennerfahrzeugen oder auch Elektrofahrzeugen zu machen, muss der Fokus auf diese umweltfreundlicheren Möglichkeiten der Herstellung von Wasserstoff verlagert werden.


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