E-Auto mit Ladestation und Solarplattenhaus mit Windraedern
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16.04.2024 Fachinformation

Integration von Elektrofahrzeugen in das Stromnetz

Mit der zunehmenden Elektrifizierung des Straßenverkehrs werden die Stromnetze immer weiter gefordert. Elektrofahrzeuge werden durch bidirektionales Laden zum Energiespeicher. Sicherheit und Interoperabilität müssen dabei weiter im Fokus bleiben. Auf internationaler Normungsebene arbeiten zahlreiche Komitees an Lösungen. Ein Überblick.

Von Frances Cleveland für IEC e-tech.

Kontakt
Sebastian Kosslers
Zuständiges Gremium

Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Herausforderungen bei der Integration von Elektrofahrzeugen ins Stromnetz
  • Rolle und Bedeutung des internationalen Systemkomitees Smart Energy
  • Technische Komitees der IEC und deren thematische Schwerpunkte

Elektrofahrzeuge als dezentrale Energiequellen

Energieversorgungsunternehmen weltweit sind besorgt, dass der Ladevorgang von Elektrofahrzeugen zu einer deutlich höheren Belastung der Stromnetze führen wird. Die Ladelast könnte den bestehenden Bedarf von Privatverbraucherinnen und -verbrauchern zu Spitzenzeiten vielerorts übersteigen. Da immer mehr Ladestationen für Elektrofahrzeuge eingerichtet werden, gewinnt die Steuerung der Flexibilität sowohl der Leistung als auch des Zeitpunkts der Ladung zunehmend an Bedeutung.

Seit Jahren wird in wissenschaftlichen Abhandlungen vorgeschlagen, die Batterien von Elektrofahrzeugen als Energiespeicher zu nutzen, der selbst beim reinen Ladevorgang Dienste für das Stromnetz bereitstellen kann. Inzwischen gibt es weltweit zahlreiche Forschungs- und Pilotprojekte, die einen bidirektionalen Energiefluss (Laden und Entladen) nutzen – entweder in Form von Vehicle-to-Grid (V2G), d. h. Elektrofahrzeuge als mobile Stromspeicher für das öffentliche Netz, oder in Form von Vehicle-to-Home (V2H), d. h. Anbindung des Elektrofahrzeugs an das Hausnetz.

Elektrofahrzeuge sind dabei in der Lage, Strom an das Hauptnetz zu verkaufen und sogar das Energiemanagement von Mikronetzen zu unterstützen. Eine der treibenden Ideen hinter diesen Projekten ist es, eine Möglichkeit zur Speicherung von Energie aus variablen erneuerbaren Energiequellen, wie Solar- und Windenergie, bereitzustellen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Das impliziert, dass Elektrofahrzeuge tatsächlich als eine Art dezentrale Energiequelle (en: digital energy resource, DER) gesehen werden.


Eine Aufladestation mit einem weißen E-Auto
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Bidirektionales Laden: Energiewende mit E-Fahrzeug-Akkus ermöglichen

Einer Überproduktion von erneuerbarer Energie an sonnen- und windreichen Tagen steht eine Unterversorgung des Energienetzes mit Erneuerbaren Energien an bewölkten und windstillen Tagen entgegen. Die Technologie des bidirektionalen Ladens könnte eine Möglichkeit sein, dieses Problem partiell zu lösen und für Stabilität im Stromnetz zu sorgen.

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Beteiligung vieler Technischer Komitees der IEC

Innerhalb der IEC arbeiten verschiedene Komitees und Arbeitsgruppen gemeinsam daran, Normen und Leitlinien dafür festzulegen wie die Elektrofahrzeuge, die diese neuen Funktionen bieten, in die Stromnetze integriert werden sollten. Es gibt mehrere technische Gruppen, die sich mit den physikalischen und Sicherheitsaspekten verschiedener Systeme befassen, während sich andere damit beschäftigen, wie die verschiedenen Systeme von Elektrofahrzeugen in das Stromnetz integriert werden.

Die Aufgabe des IEC-Systemkomitees Smart Energy (DKE/K 901) besteht darin, dazu beizutragen, die verschiedenen Arbeiten über die verschiedenen technischen Komitees und Arbeitsgruppen der IEC hinweg zu koordinieren und zu steuern. Eines seiner aktuellen Projekte ist die Erarbeitung des Dokuments IEC 63460, das die Architektur und Anwendungsfälle beschreibt, in denen Elektrofahrzeuge das Netz durch entsprechende Funktionen unterstützen können, besser bekannt unter der Bezeichnung „EV-as-DER“.

Viele Mitglieder der EV-as-DER-Gruppe sind gleichzeitig Mitglieder der anderen technischen Gruppen, die sich mit Elektrofahrzeugen befassen, was zu lebhaften Diskussionen und hoffentlich einem guten Konsens führt. Der Großteil der Norm wird sich mit der Identifikation realistischer Lade- und Entladekonfigurationen für Elektrofahrzeuge und der Kommunikation und Steuerung zwischen den verschiedenen Akteuren, Netzbetreibern, Aggregatoren, Gebäudeenergiemanagement und Ladesystemen für Elektrofahrzeuge befassen.

Die Ergebnisse des Dokuments sollen anderen Technischen Komitees helfen, die Fähigkeiten von Elektrofahrzeugen im Hinblick auf die Unterstützung des Stromnetzes bei der Entwicklung ihrer eigenen Normen zu berücksichtigen.


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Verstehen der Perspektive der Energieversorger

Elektrofahrzeuge so in die Stromnetze zu integrieren, dass sie das Netz nicht überlasten und tatsächlich die Netzzuverlässigkeit unterstützen können, erfordert jedoch, die Perspektive der Stromversorgungsunternehmen zu verstehen.

Bei der IEC gibt es viele verschiedene Gruppen, die sich mit Aspekten von Elektrofahrzeugen und deren Aufladung am Netz befassen. Was die physikalischen Aspekte anbelangt, so arbeiten IEC/TC 8 (DKE/K 261) und dessen Subkomitees an den Gesamtsystemaspekten der Stromversorgungsnetze. IEC/TC 120 (DKE/UK 261.1) ist verantwortlich für die Normung im Bereich netzintegrierter Energiespeichersysteme. IEC/TC 69 (DKE/K 353) erstellt Publikationen zu Strom-/Energieübertragungssystemen für elektrisch angetriebene Straßenfahrzeuge, inklusive Normen zu kabelgebundenen Anschlüssen für Ladegeräte, wie IEC 61851.

IEC/TC 69 hat auch gemeinsam mit ISO daran gearbeitet, Ladekommunikationsprotokolle, wie ISO/IEC 15118, zu entwickeln. Es hat gemeinsame Arbeitsgruppen mit anderen Technischen Komitees der IEC eingerichtet, um der allgemeinen Ladeinfrastruktur mit Anwendungsfällen und Kommunikationsprotokollen Rechnung zu tragen und erarbeitet die Normen IEC 63110 und IEC 63382.

IEC/TC 57 (DKE/K 952) hat die Perspektive der Energieversorger und hat Kommunikations- und Automatisierungsnormen für Steuerungsanlagen und Leitstellensysteme von Energiesystemen entwickelt. Zu diesen Normen gehört IEC 61850 für Schaltstationen, automatisierte Verteilung und seit kurzem auch DER. Das sog. Common Information Model (CIM), das Gegenstand von IEC 61968, IEC 61970 und IEC 62325 ist, konzentriert sich auf Netzmanagementanwendungen und Marktinteraktionen.

Zudem hat IEC/TC 65 (DKE/K 941) einige Normen entwickelt, die Energiemanagementsysteme für industrielle Anlagen beschreiben, während das Subkomitee IEC SC 23K an Normen für das Energiemanagement in privaten und gewerblichen Gebäuden arbeitet. IEC TC 13, das Normen für die Messinfrastruktur entwickelt, ergänzt diese Energiestandards.

IEC/TC 69 folgte ursprünglich dem Gedanken, dass das Laden von Elektrofahrzeugen über Ladestationen, ähnlich wie Tankstellen, gesteuert wird, aber heute ist klar, dass die Fahrerinnen und Fahrer von Elektrofahrzeugen häufig Mobiltelefonanwendungen, Cloud-basierte Systeme und Remote Service Provider nutzen, um den Ladevorgang zu steuern. Dieses veränderte Verhalten kompliziert auch die Ausgestaltung der Normen für Elektrofahrzeuge.

Im Rahmen der Diskussionen der „EV-as-DER“-Gruppe des Systemkomitees Smart Energy wurden bisher zwei Gruppen von Anwendungsfällen identifiziert: diejenigen, in denen es um Marktaspekte des Ladens geht, und diejenigen, in denen es um Netzleistungen im Zusammenhang mit den Auswirkungen von Ladevorgängen auf das Stromnetz geht.

IEC/TC 69 und SC 23K arbeiten aktuell an Anwendungsfällen, in denen es um die Preise und das Timing beim Energiemanagement geht. Normalerweise geht es bei Energiemanagementsystemen in erster Linie darum, die Energiekosten zu optimieren, vorbehaltlich möglicher Einschränkungen oder gewünschter Reaktionen, die vom Netzbetreiber festgelegt wurden. Sie müssen nicht nur die Energieflüsse, sondern auch die verschiedenen Handelsverträge verwalten. Hierbei handelt es sich um einen sich weltweit schnell entwickelnden Bereich, für den es zwangsläufig unterschiedliche Geschäftsmodelle in verschiedenen Ländern und Regionen gibt und für den fortschrittliche und flexible Informations- und Kommunikationstechnologien erforderlich sein werden.

Aus Sicht der Netzintegration liefern die Komitees IEC/TC 8, IEC/TC 57 und IEC/TC 120 Anwendungsfälle und Informationsmodelle im Zusammenhang mit den physikalischen Auswirkungen der Netzanschlüsse, insbesondere das Konzept der Netzfunktionen zur besseren Steuerung der Spannung und Frequenz und zur Überbrückung im Fall von Ausnahmesituationen. Die Anwendungsfälle basieren auf nationalen Grid Codes, die ursprünglich für die Integration von Ressourcen zur zentralen Massenerzeugung entwickelt wurden und die inzwischen ausgeweitet werden, um kleineren verteilten Energieressourcen und Batteriespeichern Rechnung zu tragen. Die Mehrzahl der Anwendungsfälle wird gleichermaßen für Ladesysteme für Elektrofahrzeuge gelten und wird eine Übertragung der Steuerungsparameter auf die Steuerungssysteme der Leistungselektronik erfordern.

Das ist eine spannende Zeit, da das Energiemanagement von Elektrofahrzeugen nicht nur Ladeaspekte betrifft, sondern auf die Fähigkeiten in Bezug auf V2G und V2H. Die „EV-as-DER“-Gruppe des Systemkomitees SyC-SE arbeitet daran, das Denken innerhalb der verschiedenen Silos der Gruppen, die Normen in Bezug auf Elektrofahrzeuge entwickeln, zu hinterfragen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des „großen Ganzen“ erfüllt werden.

Über Frances Cleveland

Frances Cleveland hat einen Abschluss in Elektrotechnik und Angewandter Physik von der Harvard Universität und einen weiterführenden Abschluss in Elektrotechnik und Informatik von der University of California in Berkeley.

Sie leitet und berät seit mehr als 35 Jahren Projekte zu Smart-Grid-Informations- und Steuerungssystemen in der Stromwirtschaft. Ihr fachlicher Fokus liegt in erster Linie auf Interoperabilitätsstandards zu Smart-Grid-Informationen, Cybersecurity-Aspekten, Resilienz von Stromnetzen, intelligenten Wechselrichterfunktionen für verteilte Energieressourcen (DER) und Integration von Systemen, inklusive DERs, Plug-In-Elektrofahrzeugen (PEV), fortschrittlichen Messinfrastrukturen, automatisierter Verteilung, automatisierte Schaltanlagen und dem Energiemarkt.

Bei der IEC leitet sie den Bereich Leitlinien zu Cybersecurity und Resilienz im IEC Systemkomitee Smart Energy. Sie ist Convenor der Arbeitsgruppe WG 15, die Normen zu Aspekten der Daten- und Kommunikationssicherheit im Stromnetz erarbeitet. Die Arbeitsgruppe gehört zu zum Komitee IEC/TC 57, das grundlegende Normen für das intelligente Stromnetz entwickelt.


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