Ein Quantencomputer im Labor
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13.06.2022 Fachinformation

Was ist ein Quantencomputer?

Ein Quantenprozessor oder Quantencomputer nutzt die Gesetze der Quantenmechanik. Er arbeitet damit im Unterschied zum klassischen Computer nicht auf Basis elektrischer, sondern auf Basis quantenmechanischer Zustände.

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Ein Fachbeitrag von Michael A. Mullane

Es wird fälschlicherweise angenommen, dass Quantencomputer schneller sind als klassische Computer, und es ist auch nicht schwer zu erraten, woher diese Annahme kommt. Denn mit abnehmender Größe der Prozessoren sind Computer immer schneller geworden, was zu der Annahme geführt hat, dass Quantencomputer noch schneller sein müssen, da sie mit subatomaren Teilchen arbeiten.

Die Wahrheit ist, dass Quantencomputer nicht wirklich schneller sind, sondern aufgrund der Quanteneigenschaften Superposition, Verschränkung und Interferenz einfach anders funktionieren.

 

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Sebastian Hauschke

Heutige Computer speichern Daten mit Hilfe von Bits, die zwei Zustände haben – entweder an oder aus – dargestellt als 1 oder 0. Sie führen eine boolesche Funktion aus, d. h. eine Art binäre Logik, wie sie häufig bei modernen Suchmaschinen anzutreffen ist und die mit Modifikatoren wie beispielsweise „UND“ oder „NICHT“ arbeitet. Der Transistor empfängt zwei eingehende Signale und je nachdem, was ihm begegnet, sendet er ein neues elektrisches Signal aus.

Informatiker beschreiben klassische Bits als „diskret“, was das Gegenteil von kontinuierlich ist. Für eine effizientere Rechenleistung verwenden sie eine Methode, die Parallelverarbeitung genannt wird. Dabei wird eine Berechnung in Teile aufgeteilt, die gleichzeitig auf verschiedenen Prozessoren, die an dieselbe Maschine angeschlossen sind, ausgeführt werden können.


Digitaler Hauptplatinen-Chip
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Fünf Dinge die jeder über Quantencomputing wissen sollte

Es ist uns erst in der Rückschau möglich, die volle Bedeutung von bahnbrechenden Entwicklungen in Wissenschaft und Technik zu erfassen.

Die Quantentechnologie wird unsere Welt in vielen Bereichen grundlegend verändern. Bis dahin werden allerdings noch einige Jahre vergehen. Und dennoch sollten wir schon heute ein Bewusstsein für diese Technologie schaffen. In der internationalen Normung ist das bereits der Fall.

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Superposition, Verschränkung und Interferenz

Quantencomputer verwenden statt binären Bits sogenannte Qubits („Quanten-Bits“), die mehrere Zustände haben, die sich kontinuierlich ändern. Qubits können unendlich verschiedene Werte annehmen, was bedeutet, dass sie gleichzeitig eingeschaltet, ausgeschaltet oder irgendetwas dazwischen sein können. Durch die Superposition (Überlagerung) können Qubit-basierte Computer weitaus mehr Berechnungen gleichzeitig durchführen und so die Parallelverarbeitung effektiv auf den n-ten Grad bringen.

Wenn sich Qubits verschränken, teilen sie alle möglichen Kombinationen der Quantenzustände der einzelnen Qubits, wodurch die Rechenleistung deutlich gesteigert wird.

Die Quanteninterferenz, ein Nebenprodukt der Superpositon, bestimmt die Funktion des Computers, indem sie das probabilistische Verhalten von Teilchen und Wellen ausnutzt. Bekanntermaßen schwer zu erklären, wird Interferenz normalerweise mit dem Doppelspaltexperiment demonstriert, bei dem einzelne Photonen durch zwei Schlitze auf einen Beobachtungsschirm geschickt werden. Bei dem Experiment scheint der Beobachtungvorgang der Photonen ihr Verhalten zu beeinflussen. Dies impliziert, dass Quantencomputer im Grunde nicht gehackt werden können, da jeder Abhörversuch aller Wahrscheinlichkeit nach die Daten beschädigen würde.

Quantencomputer verstehen

Es gibt nicht die eine Methode, einen Quantencomputer zu bauen. Zu den verwendeten Technologien gehören gefangene Ionen, Silizium-Quantenpunkte, topologische Qubits, Diamantgitter mit Leerstellen und Photonik. Sie alle haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Momentan sind Gate-basierte Computer mit supraleitenden Schleifen am weitesten verbreitet. Sie arbeiten ähnlich wie klassische Computer und bauen auf der bestehenden Halbleiterindustrie auf.

Die größte Herausforderung besteht darin, die geringe Anzahl der heute möglichen Qubits auf ein industrielles Maß zu erhöhen, was schwierig ist, da es nicht ganz einfach ist, die Qubits in ihrem Quantenzustand zu halten. Die Qubits funktionieren nur dann „kohärent“ wenn sie auf nur Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden, was sie auch vor den destabilisierenden Auswirkungen von Strahlung, Licht, Schall, Vibrationen und Magnetfeldern schützt. Zudem sind sie fehleranfällig. Nur wenn es möglich ist, die Anzahl der Qubits zu erhöhen, werden wir Computer haben, die leistungsfähig genug sind, um Quantenalgorithmen wie den Shor-„Entschlüsselungs“-Algorithmus auszuführen. Bis dahin liegt der Fokus auf der Entwicklung aussagekräftiger Algorithmen für die heutige NISQ-Technologie („Noisy Intermediate Scale Quantum“).

Computer, die auf Quanten-Annealing basieren, verfolgen einen komplett anderen Ansatz. Quanten-Annealer führen adiabatische Quantencomputer-Algorithmen aus. Statt eine Verschränkung aller Qubits zuzulassen, schaffen sie eine Umgebung, in der nur eingeschränkte, lokale Verbindungen möglich sind. Wenn sie eine Superposition erreichen, können sie dazu verwendet werden, längere Kohärenzzeiten zu erhalten und zu kontrollieren. Dies macht sie für ein wesentlich engeres Aufgabenspektrum geeignet, beispielsweise für die Lösung von Optimierungsproblemen, d. h. die Wahl der besten Lösung aus allen möglichen Lösungen.

Quanten-Annealer wurden bereits zur Lösung solcher Probleme unter anderem im Finanzbereich und in der Luft- und Raumfahrtindustrie genutzt. Der einzige limitierende Faktor für potentielle Nutzer sind die Kosten von 10 Millionen Dollar aufwärts für ein entsprechendes Gerät. Wie beim Gate-basierten Quantencomputer ist die Dekohärenz eine wesentliche Herausforderung für Quanten-Annealer und auch sie erfordern massive Kühleinheiten. Die begrenzte Anzahl von Aufgaben, die Quanten-Annealer ausführen können, bedeutet beispielsweise, dass sie auch den Shor-Algorithmus nicht ausführen können.


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Während es noch 10 bis 15 Jahre dauern kann bis sich Quantencomputer durchsetzen, bieten andere quantenbasierte Technologien bereits bewährte kommerzielle Lösungen. Der Quantenschlüsselaustausch (en: quantum key distribution, QKD) beispielsweise ist ein sicheres Verschlüsselungsverfahren, das Nachrichten mit Hilfe der Eigenschaften von Lichtteilchen verschlüsselt. Die einzige Möglichkeit für Hacker, den Code zu entschlüsseln, ist, die Teilchen zu messen, aber schon nur durch den Messvorgang wird das Verhalten der Teilchen verändert, wodurch Fehler entstehen, die Warnmeldungen auslösen.

Im Bereich der Quantensensorik und -metrologie werden zur Zeit weltweit verschiedene Prototypen entwickelt. Dazu gehört die Entwicklung von bildgebenden Verfahren in der Medizintechnik, die in der Lage sind, Krebszellen zu entdecken, die fünfmal kleiner sind als alles, was die modernsten Magnetresonanzgeräte finden können.

Quanten-LiDAR-Prototypen versprechen, die Sicherheit autonomer Fahrzeuge zu verbessern, indem tote Winkel beseitigt und Objekte auf eine Entfernung von 200 km und mehr entdeckt werden. Andere arbeiten an Geräten zur Untersuchung von Gestein, die in der Lage sind, Erdfälle und vulkanische Aktivitäten zu erkennen, die momentan auch von den besten Sensoren nicht entdeckt werden.

Ein neues White Paper empfiehlt, dass die IEC einen Mechanismus entwickeln sollte, um zu bewerten, wann diese und andere neue Technologien bereit für die Normung sind. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit anderen Organisationen erfolgen, „um die Kommerzialisierung über einen fairen und offenen globalen Markt zu fördern“. Die Autoren argumentieren, dass Normen nicht nur auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten, sondern auch „durch die Bedürfnisse der Industrie getrieben und flexibel genug sein sollten, um konkurrierende Technologien nicht voreilig zu eliminieren“.


IEC White Paper Quantum information technology - preview

IEC White Paper Quantum information technology

| IEC

IEC White Paper Quantum information technology

Das Projektteam des IEC Market Strategy Board (MSB) für Quanteninformationstechnologie unter der Leitung von Professor Dongsub Kim, Mokpo National University (Korea), erarbeite ein Whitepaper “Quantum information technology“, mit wichtigen Beiträgen des Projektpartners Korea Institute of Machinery and Materials (KIMM).

In diesem Whitepaper werden eine Vielzahl von Fragen im Zusammenhang mit Quantentechnologien und der Rolle der Normung behandelt. Es bietet einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand aus der Perspektive von Forschung und Technologie, Industrie und Marktreife.

Drüber hinaus gibt das Whitepaper auch einen Überblick über den aktuellen Stand der laufenden Normungsaktivitäten. Es befasst sich mit der Normungsbereitschaft und ihrem Zusammenhang mit dem Stand der technologischen Bereitschaft sowie mit den Herausforderungen für eine effektive Normung.

White Paper kostenlos bei IEC downloaden

Normungsarbeit in der IEC

Die IEC und ISO haben eine Arbeitsgruppe (WG 14) in ihrem gemeinsamen Technischen Komitee JTC 1 eingerichtet, um den Normungsbedarf für Quantencomputer zu ermitteln.

Es ist zu hoffen, dass ihre Arbeit die Entwicklung des Quantencomputers unterstützen kann, indem sie eine Grundlage für bereits definierte Systeme und Verfahren bildet. Eine solche Grundlage würde es Entwicklern ermöglichen, ihre Aufmerksamkeit auf die nächsten Herausforderungen zu richten, anstatt ihre Projekte von vorne zu beginnen. Eine Norm, die sich mit der Terminologie und dem Vokabular hinsichtlich Quantencomputern befasst, könnte bereits im nächsten Jahr zur Verfügung gestellt werden.

Zwei IEC-Gruppen suchen derzeit nach Möglichkeiten zur Entwicklung einer quantenresistenten Kryptographie:

  • ISO/IEC JTC 1/ Subkomitee 27 ist vor allem für die Normenreihe ISO/IEC 27000 zu IT-Cybersecurity-Normen bekannt.
  • Das Technische Komitee IEC TC 65 (DKE/K 931) Leittechnik für industrielle Prozesse entwickelt die Normenreihe IEC 62443 "IT-Sicherheit für industrielle Automatisierungssysteme".

Das IEC TC 86 (DKE/UK 412.6) erarbeitet Normen für Glasfasersysteme, -module, -geräte und -komponenten, die in erster Linie im Bereich von Kommunikationsgeräten zum Einsatz kommen sollen. Seine Arbeit umfasst Terminologie, Eigenschaften, entsprechende Prüfungen, Kalibrierungs- und Messverfahren sowie funktionelle Schnittstellen, optische, umwelttechnische und mechanische Anforderungen zur Sicherstellung der zuverlässigen Leistung der Systeme.


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Die starke Vernetzung unserer Infrastrukturen ruft einige Bedrohungen der Informationssicherheit und des Datenschutzes bei Systemen hervor. Innerhalb der DKE werden im Arbeitsfeld Cybersecurity wichtige Sicherheitsfragen behandelt, die sich über die gesamte Laufzeit eines Systems bzw. einer Systemkomponente erstrecken. Ein Hauptziel aus Normungssicht ist dabei, Cybersecurity als Innovationsthema zu verstehen und in den relevanten Bereichen ganzheitlich zu adressieren.

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