Blitzeinschlag über Feld
Bastian Haaf
03.12.2021 Hinweis zur Norm

Berührungsschutz bei Blitzeinschlägen

Das für die Norm DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2011-10 „Blitzschutz Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen“ zuständige DKE Komitee K 251 „Blitzschutzsysteme und Blitzschutzbauteile“ gibt als Hilfe für die Anwendung folgenden Hinweis zur Norm.

Verlautbarung zu DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2011-10

Kontakt
Henriette Boos
Zuständiges Gremium

Schlägt ein Blitz in eine Fangstange ein, so wird der Strom des Blitzes gegen Erde abgeleitet. Dabei kommt es zu mindestens einem unipolaren Stromimpuls, dem weitere Blitzimpulse folgen können. Da Blitze stochastische Ereignisse sind, können bei einem Blitzeinschlag mehrere Teilimpulse mit unterschiedlichen Bedrohungsparametern auftreten. Nach DIN EN 62305-3 ist zum Personenschutz bei einem Blitzeinschlag ein Berührungsschutz erforderlich. Ein gefährlicher Stromfluss über das Herz eines Menschen ist auszuschließen. Generell gilt, dass sich die Berührungsspannung für einen Menschen, der eine Ableitung während eines Blitzeinschlages berührt, aus der Summe des Spannungsfalls über der Ableitung ("Induktionsspannung") und zwischen Erdanschlusspunkt und Standort auf der Erdoberfläche ("Standortspannung") ergibt. Für den Berührungsschutz sind daher zwei unterschiedliche physikalische Effekte und damit verbundene Bedrohungsparameter relevant:

a)  Der Spannungsfall über den Menschen, welcher sich am Standort des Menschen aufgrund der "Standortspannung" auf der Erde ergibt. Als Bedrohungsparameter ist hier die maximale Stromhöhe und die Dauer des Impulses entscheidend, daher geht die maximale Bedrohung vom positiven Erstblitz (10/350 µs) aus.

b)  Der Spannungsfall über den Menschen, welcher aufgrund der Induktionswirkung als "Induktionsspannung" auftritt. Hier sind die Stromsteilheit und die Stirnzeit relevant, weshalb hier die maximale Bedrohung vom negativen Erstblitz (1/200 µs) und den möglichen darauffolgenden negativen Folgeblitzen (0,25/100 µs) ausgeht.

In der aktuellen Norm DIN EN 62305-3 fehlen folgende wichtige Parameter, die für den Berührungsschutz relevant sind:

1.  Für einen positiven Erstblitz darf die Berührungsspannung für Effekt a) nach letzten Erkenntnissen maximal 2 kV über den Menschen betragen. [RZK2015]

Da sich die zu schützende Person bei Berührung einer Ableitung in direkter Nähe des Potentialtrichters befindet, sind zulässige Berührungsspannungen nur dann einhaltbar, wenn eine Isolation des Erdbodens oder der Ableitung zur Person erfolgt, oder eine Potentialsteuerung im Erdboden existiert, die den Potentialabbau im Erdboden an einen Ort außerhalb der Griffweite verschiebt. Einfluss auf die Potentialanhebung im Erdboden haben die Anzahl der Ableitungen, der Erdausbreitungswiderstand und die Stromhöhe des in die Erde abgeleiteten Impulses. Die zu isolierende Spannung kann bereits bei Blitzschutzklasse BSK III innerhalb des ersten Meters bis zu mehrere 100 kV betragen. Diese Spannung ist proportional zum Stromverlauf und tritt daher für die gesamte Dauer eines Erstblitzes (10/350 µs) auf.

Das Einhalten einer zulässigen Berührspannung ist daher in der Regel nicht ohne eine Potentialsteuerung im Erdboden zu erreichen. Die Vorgaben an eine Isolation zur Realisierung eines Berührungsschutzes, wie sie derzeit in DIN EN 62305-3 gefordert sind, sind nicht ausreichend.

Um einen Berührungsschutz zu realisieren, muss immer eine Überprüfung der auftretenden Standortspannung erfolgen und ggf. Maßnahmen zur Potentialsteuerung im Erdboden ergriffen werden.

2.  Unabhängig von Punkt 1 zuvor induziert die Stromänderung des Blitzereignisses eine zusätzliche Spannung in die Schleife, die durch den Menschen beim Berühren der Ableitung gebildet wird. Eine Potentialsteuerung im Erdboden ist bei diesem Effekt wirkungslos. Eine Lösung bieten geprüfte isolierte Ableitungen. Zur Abschätzung der "Induktionsspannung" wird die Griffhöhe des Menschen an eine isolierte Ableitung mit 1,5 m, die Griffweite mit 1 m und der Innenwiderstand des Menschen mit 1 kΩ angenommen. Die hierbei entstehenden Spannungen können mehrere 100 kV betragen, treten jedoch nur für die Dauer der Stromänderung (Stirnzeit des Blitzstoßstromes) auf. Die "Induktionsspannung" ist abhängig von der Zahl der Ableitungen, der Stromsteilheit und der Beanspruchungszeit. Eine Isolation muss somit Spannungsimpulse mit einer Dauer von 1 µs (neg. Erstblitz) und 0,25 µs (neg. Folgeblitz) beherrschen. Innerhalb dieser Beanspruchungsdauer dürfen keine Durch- oder Überschläge von einer die isolierte Ableitung berührenden Person zur ungeschützten Ableitung erfolgen. Vereinfachte Hochspannungstests mit einer abgeschnittenen Blitzstoßspannung (1,2/50 µs) können nachweisen, dass es innerhalb der ersten Mikrosekunde zu keinem Durchschlag oder Gleitüberschlag an einer Isolation zwischen ungeschützter Ableitung bzw. Erdanschluss und Griffpunkt kommt.

Je nach Blitzschutzklasse und Zahl der installierten Ableitungen kann eine isolierte Ableitung nötig sein, die nachweislich bei abgeschnittener Stoßspannungsbelastung an der relevanten Isolationsschicht überschlags- und durchschlagfrei ist.

[RZK2015] Grenzwerte für Schritt- und Berührspannungen an Blitzschutz-Ableitungseinrichtungen und -Erdungsanlagen, M. Rock, W. Zischank, J. Kupfer, VDE ABB Blitzschutztagung, Neu-Ulm, 2015


Interessiert an weiteren Inhalten zu Core Safety?

Fokusbild Core Safety & Information Technologies

Core Safety & Information Technologies umschließt alle Aspekte der Sicherheit: grundlegende  Sicherheitsanforderungen, funktionale Sicherheit, Informationssicherheit sowie deren Wechselwirkungen. Außerdem befasst sich Core Safety mit wichtigen Querschnittsthemen und definiert grundlegende Anforderungen die allgemein einzuhalten sind – zum Beispiel für Elektromagnetische Verträglichkeit, Umwelt- und Ressourceneffizienz, Schadstoffe, Größen, Einheiten und Kennzeichnungen. Weitere Inhalte zu diesem Fachgebiet finden Sie im

DKE Arbeitsfeld Core Safety & Information Technologies

Relevante News und Hinweise zu Normen