- Was steckt hinter dem Mitnahmeverbot von E-Scootern im ÖPNV?
- Warum sind E-Scooter ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Mobilitätswende?
- Welche Themen werden in der überarbeiten Norm zu Batterien in leichten Elektrofahrzeugen adressiert?
Sicherheit statt Verbot: Neue Norm macht Mitnahme von E-Scootern im ÖPNV möglich
Was hinter dem Mitnahmeverbot von E-Scootern steckt
„Aktuell besteht eine Regelungslücke bei den Sicherheitsstandards der mechanischen Festigkeit von Batterien in E-Scootern. Was auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit oder Formalie wirkt, ist aus Sicherheitsaspekten und in Haftungsfragen ein entscheidender Baustein. Genau deshalb sehen sich die Betriebsverantwortlichen der ÖPNV-Unternehmen aktuell zum Handeln gezwungen.“
Mit dieser Begründung unterstrich der VDV in seiner Pressemitteilung im April 2024 noch einmal die Empfehlung, ein Mitnahmeverbot für E-Scooter in öffentlichen Verkehrsmitteln auszusprechen. Hintergrund dafür waren Vorfälle in London, Barcelona und Madrid, wo es in U-Bahnen und Bussen zu Bränden und Explosionen von E-Scootern kam, die mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben werden.
Zweierlei Maßstäbe
Marko Kesic, DKE Projektleiter, erklärt: „Die ÖPNV-Betriebe haben sich bei ihrem Vorgehen an der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung von 2019 orientiert. Aber genau hier liegt das Problem: Die Verordnung verweist auf die Norm DIN EN 15194 aus 2018, die hinsichtlich der Anforderungen an die Batteriesicherheit nicht umfassend genug war. Die europäische Norm EN 50604-1 aus 2016, die Anforderungen an Lithium-Ionen-Batterien beim Einsatz in Elektrokleinstfahrzeugen beschreibt, wurde hingegen nicht berücksichtigt. Aus meiner Sicht ist somit das Mitnahmeverbot aus Sicherheitsgründen zwar nachvollziehbar – aber die Diskussion wäre vielleicht anders verlaufen, wenn die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung die richtige Norm einbezogen hätte.“
Warum E-Scooter ein Baustein für die Mobilitätswende sind
Dass E-Scooter positive Auswirkungen auf die Wahl des Verkehrsmittels haben können, zeigen verschiedene Studien. Zwar geben laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (DiFu 2022) 73 Prozent der Befragten an, dass sie eine bestimmte Strecke ohne geliehenen E-Scooter zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegt hätten. Allerdings ersetzen bereits elf Prozent der Fahrten mit dem geliehenen E-Scooter eine PKW-Fahrt. Bei Privatnutzern sind es schon 34 Prozent.
Blickt man in die USA, so zeigt sich sogar ein deutlich stärkerer Effekt, wie eine Umfrage der Verkehrsbehörde San Franciscos (2019) illustriert. Dort ersetzen schon bereits etwa 42 Prozent der E-Scooter-Fahrten eine Fahrt mit dem Auto. Auch ein Pilotprojekt in Portland beobachtete einen vergleichsweise hohen Verlagerungseffekt vom PKW zum E-Scooter.
Mobilität von Haustür zu Haustür
Diese ersten Untersuchungen machen deutlich, dass E-Scooter einen positiven Beitrag zur Reduktion des Autoverkehrs in Städten leisten können. Vor allem interessant sind Maßnahmen von Kommunen – wie ein kluges Parkraummanagement oder eine insgesamt rad-, fuß- und rollerfreundliche Infrastruktur –, die darauf abzielen, die letzte Meile zwischen Wohnort und Haltestelle mit einem E-Scooter, statt einem PKW zu absolvieren.
Dass diese Kombination Sinn macht, hatte 2019 auch der VDV festgestellt: „Das passt sehr gut zu uns: Wir bieten nicht nur eine Fahrt mit U-Bahn, Tram-Bahn, Bus von einer Haltestelle zu anderen an, sondern wir bieten Mobilität von Haustür zu Haustür an.“ Um dies wieder zu ermöglichen und eine Rücknahme der Mitnahmeverbote zu erreichen, müssen Risiken minimiert und die Sicherheitsanforderungen an Lithium-Ionen-Batterien erhöht werden.
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Überarbeitete Norm: Mechanische Stabilität, thermische Beständigkeit & Co.
Lithium-Ionen-Batterien sind langlebig, leistungsstark und in vielen elektrischen Kleinstfahrzeugen verbaut. Die Norm DIN EN 50604-1:2016 + A1:2021 hat dafür bereits 2016 Sicherheitsanforderungen festgelegt und Prüfmethoden für Batterien in leichten Elektrofahrzeugen (LEV) definiert. „Es gibt aber technische Entwicklungen und neue Sicherheitsanforderungen, die Anpassungen notwendig gemacht haben,“ sagt Marko Kesic. „Dem tragen die Überarbeitungen der Norm Rechnung, so dass wir in noch in diesem Jahr eine neue Fassung veröffentlichen können.“ Im Fokus der letzten Aktualisierungen standen vier Themenbereiche, die zu noch mehr Sicherheit im Einsatz von Lithium-Ionen-Akkus führen sollen.
1. Unbeschadet über Kopfsteinpflaster
Holprige Straßen, Vibrationen beim Fahren, Stöße beim Abstellen des Fahrzeugs: E-Scooter und ähnliche Fahrzeuge sind im Alltag starken mechanischen Belastungen ausgesetzt. Daher fordert die Neufassung der Norm Prüfungen, die sicherstellen, dass Batterien mechanisch stabil sind und auch bei Vibrationen oder Stößen nicht beschädigt werden. Um ein plötzliches Versagen oder ein Brandrisiko zu vermeiden, werden reale Situationen simuliert, in denen die Batterie sicher funktionieren muss.
2. Unempfindlich gegen hohe Umgebungstemperaturen
In den Sommermonaten oder in Regionen, in denen Fahrzeuge oft direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, werden die Batterien zusätzlich belastet. Prüfungen zur thermischen Stabilität sollen dafür sorgen, dass sie auch bei hohen Umgebungstemperaturen sicher bleiben und sich nicht entzünden oder verformen.
3. Während des Ladens und im Betrieb überwacht
Im Alltagseinsatz ist die elektrische Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien wichtig, da Fehlfunktionen und die Verwendung von fehlerhaften Ladegeräten eine der häufigsten Brandursachen sind. Daher fordert die Norm, dass ein Batteriemanagementsystem integriert wird. Es reguliert die Batterie während des Ladevorgangs und im Betrieb, damit sie nicht überhitzt und das Brandrisiko minimiert wird (Tiefentladungsschutz).
4. Sicher auch bei Unfällen
Schließlich beinhaltet die Norm auch Prüfungen für Extremfälle wie beispielsweise einen Unfall mit dem Fahrzeug. Die Prüfungen umfassen die Simulation von Stößen, Fallen und den Kontakt mit Wasser. So soll sichergestellt werden, dass die Batterie und das Batteriesystem auch unter starken mechanischen Einwirkungen sicher bleiben, keine Gefahr für die Umwelt darstellen und keine schädlichen Substanzen freisetzen.
Es zeigt sich, dass die wachsende Verbreitung und der nachgewiesene Nutzen von Elektrokleinstfahrzeugen wie E-Scootern oder Pedelecs präzise Sicherheitsstandards erfordern. Die Neufassung der DIN EN 50604-1 ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung, da sie Herstellern klare Vorgaben macht, wie Batterien für diesen Anwendungsfall konstruiert und geprüft werden müssen. So kann wieder Vertrauen entstehen und eine schrittweise Rücknahme der Verbote erfolgen.
Kesic resümiert: „Kritische Vorfälle gab und gibt es weltweit, so dass der Bedarf nach mehr Sicherheit kein nationales Thema ist. Die DIN EN 50604-1 wird daher als europäische Norm international vorgelegt und kann zum globalen Standard für die Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien in Kleinstfahrzeugen werden. Damit wird künftig der E-Scooter in U-Bahn, Bus & Co. wieder bedenkenlos an Bord gehen können.“
Awareness schaffen: Lithium-Ionen-Batterien sachgerecht handhaben
Viele Unfälle mit Lithium-Ionen-Batterien können vermieden werden, wenn Anwenderinnen und Anwender mit Geräten und Energiespeichern bewusst und sachgerecht umgehen. Oft zeigt sich, dass Batterien manipuliert oder unsachgemäß behandelt werden – sei es durch den Einsatz nicht zertifizierter Ladegeräte, unsachgemäße Reparaturen oder mechanische Eingriffe. Solche Manipulationen erhöhen das Risiko von Kurzschlüssen, Überhitzung oder Bränden erheblich.
Daher ist es essenziell, nicht nur technische Sicherheitsstandards zu verbessern, sondern auch das Bewusstsein für den richtigen Umgang mit Batterien zu schärfen. Aufklärung und Schulungen für Nutzer und Fachkräfte sind daher entscheidende Maßnahmen, um Risiken zu minimieren und die Sicherheit von Elektrokleinstfahrzeugen nachhaltig zu gewährleisten.
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