Glasfaserkabel Bündel vor Blau
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09.10.2023 Fachinformation

LWL-Sensoren und kritische Infrastruktur

Kritische Infrastrukturen haben für das Funktionieren unserer Gesellschaft eine hohe Bedeutung. Um deren Schutz zu gewährleisten, denken wir häufig an Cybersecurity-Maßnahmen. Aber: Auch andere Technologien kommen zum Einsatz, beispielsweise die DAS-Technologie. Den Weg dafür ebnen internationale Normen und Standards, allen voran die Normenreihe IEC 61757.

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Von Werner Daum und Fred Heismann, Experten im IEC/TC 86

Gas-, Wasser-, Treibstoff- und Ölpipelines sowie Strom-, Telekommunikations- und Datenübertragungskabel sind die lebenswichtigen Nervenbahnen moderner Gesellschaften und der Weltwirtschaft. Sie sind Teil der sogenannten Kritischen Infrastruktur, zu der auch Brücken, Tunnel, Gleisanlagen und Autobahnen gehören. Die heutigen Volkswirtschaften sind mehr denn je auf Dienste angewiesen, die über diese physische und digitale Infrastruktur bereitgestellt werden. Die Unterbrechung wesentlicher Dienste, sei es als Ergebnis von Naturkatastrophen oder vorsätzlicher Angriffe, kann schwerwiegende Folgen für das Wohl der Bevölkerung haben und der Wirtschaft beträchtlichen Schaden zufügen, wodurch das Vertrauen in unsere demokratischen Systeme erschüttert wird.

Eine der obersten Prioritäten ist aktuell der Schutz von Pipelines und der Leitungsinfrastruktur, wie die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Beide können auf unterschiedliche Weise beeinträchtigt bzw. geschädigt werden. Physische Angriffe vor Ort können beispielsweise dadurch erfolgen, dass das Kabel der Datenübertragungsleitung durchtrennt wird oder indem an einer Pipeline militärische oder improvisierte Sprengkörper angebracht werden, die dann aus der Ferne gezündet werden. Angriffe können auch mit Drohnen oder ferngesteuerten Robotern erfolgen, die Sprengkörper einsetzen oder andere Formen physischer Zerstörung verursachen könnten.

Verteilte faseroptische akustische Sensorik (DAS)

Die Erkennung und Lokalisierung ungewöhnlicher Aktivitäten in der Nähe der Pipeline oder Kabelinfrastruktur in Echtzeit ist eine Möglichkeit, um frühzeitiges Handeln zu ermöglichen, wie das Ergreifen sofortiger Gegenmaßnahmen, um größere Schäden zu verhindern oder mögliche Täter zu identifizieren. Verteilte faseroptische akustische Sensorik (en: distributed acoustic sensing, DAS) ist eine vielversprechende Technologie für die Fernüberwachung dieser kritischen Infrastruktur.

Ein DAS-System kann Vibrationen erkennen und akustische Signale entlang von Lichtwellenleitern (LWL) auffangen. Zusätzlich zur Verlegung spezieller faseroptischer Sensorkabel entlang einer Pipeline kann auch eine bestehende faseroptische Kommunikationsverbindung, die bereits entlang der zu sichernden Infrastruktur installiert ist, genutzt und in einen verteilten akustischen Sensor umgewandelt werden. In beiden Fällen bildet der Lichtwellenleiter einen verteilten akustischen Sensor, der lokale akustische Ereignisse erkennt und die Daten in Lichtgeschwindigkeit an einen externen Bediener übermittelt, der dann gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen kann. Zur Erkennung, Lokalisierung und Identifizierung akustischer Ereignisse, die auf ein Leck in der Pipeline, Leitungsunterbrechungen oder unerlaubte Eingriffe hinweisen könnten, werden spezielle Software-Algorithmen verwendet.

In den letzten Jahren haben DAS-Technologien aufgrund ihrer einzigarten verteilten Sensorfähigkeit und ihrer hohen Empfindlichkeit große Marktanteile gewonnen. Verteilte akustische Sensoren kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz und verschiedene DAS-Technologien werden inzwischen kommerziell genutzt.


Entwurfskonzept eines analog-digitalen Kompasses
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Cybersecurity Navigator bietet Rechtsvorschriften und Standards für Kritische Infrastrukturen

Cyberangriffe stellen für unsere Gesellschaft eine der größten Bedrohungen dar. Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen werden jeden Tag zum Ziel von Hackern. Gefährdet sind vor allem Kritische Infrastrukturen. Der Cybersecurity Navigator unterstützt Organisationen aus den KRITIS-Sektoren mit einer Sammlung von Rechtsvorschriften und Standards – einheitlich systematisiert und aufbereitet.

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IEC-Normen ebnen den Weg

Das IEC-Subkomitee 86C (DKE/K 412.2), Faseroptische Systeme und aktive Komponenten, entwickelt seit 2010 internationale Normen für faseroptische Sensoren. Betreiber kritischer Infrastrukturen und Gerätehersteller nutzen die Normen als Leitfaden, um die messtechnische Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Sensoren einheitlich und in einer Art und Weise festzulegen, die anerkannt ist. Sie unterstützen Nutzerinnen und Nutzer zudem bei der Auswahl, Installation und dem Betrieb von DAS-Systemen auf der Grundlage einheitlicher Verfahren. Außerdem schaffen die Normen Vertrauen in die Technologie und ihre Zuverlässigkeit und unterstützen den Einsatz von DAS in neuen sicherheitsrelevanten Bereichen. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, die Kosten zu senken, indem sie kostspielige Validierungen von Einzelsystemen vermeiden.

Um der Komplexität der Technologie und der Vielzahl an Anwendungen Rechnung zu tragen, wurde eine Normenreihe entwickelt, die als Matrix aufgebaut ist. IEC 61757, LWL-Sensoren – Fachgrundspezifikation, bildet die gemeinsame Grundlage der Reihe. Die nachfolgenden drei Normen beschäftigen sich speziell mit verteilter faseroptischer Sensorik:

  • IEC 61757-3-2, LWL-Sensoren – Teil 3-2: Akustische Sensorik und Schwingungsmessung – Verteilte Sensorik, legt die Terminologie, typische Leistungsparameter, zugehörige Prüf- und Berechnungsmethoden sowie bestimmte Prüfgeräte für Abfragesysteme, die bei verteilten faseroptischen Schall- und Vibrationsmesssystemen (DAS) zum Einsatz kommen, fest.
  • IEC 61757-2-2, LWL-Sensoren – Teil 2-2: Temperaturmessung – Ortsaufgelöste Messung, legt detaillierte Spezifikationen für verteilte Temperaturmessung, auch bekannt als faseroptisches Distributed Temperature Sensing (DTS), fest.
  • IEC 61757-1-2, LWL-Sensoren – Teil 1-2: Dehnungsmessung – Verteilte Sensorik auf der Basis von Brillouin-Streuung, befindet sich kurz vor der finalen Abstimmung. Das Dokument legt detaillierte Spezifikationen für die ortsverteilte Dehnungsmessung, auch bekannt als faseroptisches Distributed Strain Sensing (DSS), fest. Es lässt sich anwenden auf verteilte Dehnungsmesssysteme, die auf spontaner bzw. simulierter Brillouin-Streuung im faseroptischen Sensor basieren, d. h. auf Sensoren, die absolute Dehnung messen können.

Die Normen tragen dazu bei die Resilienz kritischer Infrastrukturen wie Gas-, Wasser-, Treibstoff- und Ölpipelines sowie Strom-, Telekommunikations- und Datenübertragungskabel durch fortschrittliche ortsaufgelöste faseroptische Sensorik zu erhöhen.


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Entdeckung von Lecks in Pipelines

Die Entdeckung und Lokalisierung von Lecks in Pipelines mittels DAS ist vermutlich die wichtigste technologische Entwicklung der letzten Jahre. Obwohl es sich um eine relativ neue Technologie handelt, wurde DAS bereits bei einer Vielzahl von Pipelines mit unterschiedlichsten Voraussetzungen eingesetzt.
Darüber hinaus erfordert das Management von Öl- und Gaslagerstätten eine kontinuierliche Überwachung der Bohrlöcher in Echtzeit, um eine optimale wirtschaftliche und betriebliche Leistung sicherzustellen.

Auf DAS-Technologie basierende Überwachungssysteme sind äußerst effektiv bei der Bestimmung der unterschiedlichen Erschöpfung der Lagerstätten, Querströmungen zwischen Lagerstättenschichten etc. Der (gut geschützte) Lichtwellenleiter eines auf DAS basierenden Bohrlochmonitors lässt keinen Bereich unbeaufsichtigt und liefert lückenlose Informationen über die gesamte Infrastruktur in Echtzeit, inklusive der Erkennung von Lecks und kleinen Durchflussänderungen.

Schutz von Zügen in Echtzeit

Schienenüberwachung wird in der aktuellen Situation immer wichtiger. Dazu zählt auch die Fähigkeit zur Ortung von Zügen und zur Überwachung unerlaubter Eingriffe Dritter in die Kabelkanäle. Zusammen mit einer Glasfaserkabel-Infrastruktur entlang der Gleise kann ein DAS-System in Echtzeit Informationen über den genauen Standort, die Geschwindigkeit und Richtung von Zügen, die sich innerhalb des Netzwerks bewegen, erfassen und liefern. Es gibt Auskunft über den Zustand von Fahrzeugen und Strecken sowie über deren Abnutzung im Laufe der Zeit. Das ermöglicht eine vorbeugende und vorausschauende Wartung.

Der Schutz der Perimeter anderer kritischer Infrastrukturen, wie Hafenanlagen und Flughäfen, Gasverteilerstationen und große Umspannwerke, ist seit langem eine Grundvoraussetzung für den Schutz von Menschenleben und das zuverlässige Funktionieren unserer Gesellschaften. DAS-Systeme eignen sich ideal für Perimeter-Sicherheitsanwendungen, da sie eine große Überwachungsreichweite bieten, sehr unauffällig sind, sich gut an die Umgebung anpassen und es keine nicht einsehbaren Bereiche gibt. DAS-Systeme können auch zur Erkennung unterirdischer Aktivitäten genutzt werden, um illegale Bewegungen bzw. Aktivitäten in Tunneln zu überwachen.

Ob unter Wasser, unter oder über der Erde, die Überwachungsmöglichkeiten von DAS-Systemen scheinen grenzenlos, basierend auf den entsprechenden Normen.


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