Heute sind es (noch) nicht Maschinen, die miteinander sprechen, sondern Requirement Management Systeme (RMS). Das Datenformat ReqIF wird hier bereits angewendet. In dem neuen Standard haben DKE und DIN gemeinsam eine harmonisierte Ausprägung des ReqIF definiert, die die Übermittlung und den direkten Import von Norminhalten in die RMS ermöglicht und vereinheitlicht.
Eine Sprache der SMART Standards – ReqIF, und alles, was Sie dazu wissen müssen
Was ist ReqIF?
Das Datenformat ReqIF steht für Requirements Interchange Format. Dabei handelt es sich um ein XML-basiertes Austauschformat für Anforderungen. Eine ReqIF-Datei enthält Anforderungen und alle zugehörigen Informationen (z.B. Attribute, Beschreibungen, Beziehungen) in strukturierter Form mithilfe spezieller XML-Tags. Statt der üblichen .xml-Dateiendung verwendet man für ReqIF-Dateien meist die Endung .reqif (bzw. .reqifz für gepackte Archive).
Entwickelt wurde der Standard ursprünglich in der Automobilindustrie. Ein Verband deutscher Automobilhersteller (HIS) definierte 2004 zunächst den Vorgänger RIF, um den fehleranfälligen Austausch von Anforderungen per PDF oder proprietären Formaten zu überwinden. 2011 wurde ReqIF dann als offizieller OMG-Standard in Version 1.0.1 veröffentlicht; aktuell ist Version 1.2 (seit 2016) gültig. Kurz gesagt: ReqIF ist ein offenes, toolneutrales Format, um Anforderungen verlustfrei zwischen verschiedenen Werkzeugen und Organisationen auszutauschen.
Warum ist ReqIF wichtig?
In vielen Projekten – insbesondere im Automobilsektor – müssen Anforderungen zwischen Herstellern und Zulieferern regelmäßig ausgetauscht werden. ReqIF bietet hierfür eine gemeinsame Sprache: Unterschiedliche Requirements-Management-Tools können mithilfe von ReqIF verlustfrei Anforderungen austauschen, ohne dass manuelle Übertragung oder Kopierfehler auftreten. Jede Firma kann also ihr bevorzugtes Werkzeug weiter nutzen, solange es eine ReqIF-Schnittstelle besitzt, was die Zusammenarbeit in der Lieferkette erheblich vereinfacht.
Die Automobilindustrie hat ReqIF als Standard etabliert; namhafte Unternehmen wie Audi, BMW, Continental, Daimler, Bosch und Volkswagen setzen auf das ReqIF-Format. Mittlerweile gewinnt ReqIF aber auch in anderen Branchen an Bedeutung – überall dort, wo komplexe Anforderungen zwischen verschiedenen Partnern abgestimmt werden müssen. Ein weiterer Vorteil: Der Standard selbst ist frei verfügbar und gut dokumentiert. All das macht ReqIF zu einem wichtigen Baustein für effizientes Requirements Engineering über Unternehmens- und Tool-Grenzen hinweg.
Mit unserem DKE Newsletter sind Sie immer top informiert! Monatlich ...
- fassen wir die wichtigsten Entwicklungen in der Normung kurz zusammen
- berichten wir über aktuelle Arbeitsergebnisse, Publikationen und Entwürfe
- informieren wir Sie bereits frühzeitig über zukünftige Veranstaltungen
Herausforderungen bei der Nutzung von ReqIF
Obwohl ReqIF den Datenaustausch erleichtert, gab es in der Praxis auch Herausforderungen. Als generisches Format legt ReqIF nämlich nur die Syntax fest, nicht aber eine inhaltliche Standardisierung für jedes Anwendungsgebiet. In der Vergangenheit wurde das Format von verschiedenen Anwendern und Tools daher unterschiedlich interpretiert, da verbindliche Auslegungsregeln fehlten. Beispielsweise definiert jedes Unternehmen eigene Attributnamen, Strukturen oder Konventionen in der ReqIF-Datei. Treffen dann zwei unterschiedliche Systeme aufeinander, ist der Austausch nicht vollkommen reibungslos: Es kann aufwändige manuelle Nacharbeit nötig sein, um die gelieferten ReqIF-Daten ins eigene Schema zu überführen. Dies birgt Ineffizienzen und Fehlerquellen – genau das Gegenteil dessen, was man mit einem Standard eigentlich erreichen möchte.
DIN DKE SPEC 99200 – Einheitliche ReqIF-Interpretation für Normen
Die neue DIN DKE SPEC 99200 setzt hier an. Diese im März 2025 veröffentlichte Spezifikation legt einen einheitlichen Standard für die Interpretation des ReqIF-Formats fest. Sie wurde speziell für den Einsatz in öffentlichen Normen und Standards erarbeitet, wirkt sich aber generell positiv auf die interoperable Nutzung von ReqIF aus. Die SPEC 99200 definiert zum Beispiel, wie Metadaten einheitlich zu interpretieren sind und wie Anforderungen (inkl. Prioritäten oder Flexibilitäten) umzusetzen sind. Ebenso gibt sie klare Regeln vor, wie ein Dokument in Anforderungen aufgeteilt (fragmentiert) werden kann – etwa abschnittsweise, absatzweise oder sogar bis zur Satzebene.
Durch diese Harmonisierung beseitigt der Standard viele der oben genannten Unklarheiten. Unternehmen erhalten klare Regeln, an denen sie sich bei der Verwendung von ReqIF orientieren können. Das Ergebnis sind reibungslose Datenaustausch-Prozesse: Die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen verbessert sich deutlich, Missverständnisse werden reduziert, und der Austausch relevanter Informationen verläuft effizienter. Ein weiterer Meilenstein ist die Möglichkeit zum Änderungsmanagement auf Anforderungsebene – ReqIFs verlangen “by design” den Vergleich auf Anforderungsebene. So lassen sich nun zwei Versionen eines Dokuments vergleichen und Änderungen an einzelnen Anforderungen nachverfolgen. Insgesamt leistet die SPEC 99200 damit einen wichtigen Beitrag, um digitale SMART Standards und Normen effizienter handhabbar zu machen.
SMART Standards digitalisieren die Normanwendung
Mit der Sektorenkopplung für die Energiewirtschaft sollen sich künftig Millionen Gebäude, Fahrzeuge, die Industrie sowie Energieerzeugung und Infrastruktur zu einem Megaenergienetz vereinen. Das hat Folgen für die Normanwendung. DKE und DIN erarbeiten deswegen in der „Initiative Digitale Standards“ (IDiS), was Normen in Zukunft leisten müssen, damit sie künftig digitale Akteure (SMART Standards) werden.
Wo bekommt man die SPEC? Seit dem 14.02.2025 steht die DIN DKE SPEC 99200 (Release 1.3) als kostenloser PDF-Download zur Verfügung. Sie kann über das DIN/DKE-Webportal bezogen werden (deutscher Titel: “ReqIF™-Interpretation für öffentliche Normen”). Somit kann jeder Interessierte die detaillierten Vorgaben einsehen und in der eigenen Organisation umsetzen.
Tools und Ressourcen für ReqIF
Für die praktische Arbeit mit ReqIF gibt es zahlreiche Werkzeuge und Hilfsmittel – von kommerziellen Requirements-Management-Plattformen bis hin zu Open-Source-Tools. Einige Beispiele:
- ReqIF Studio – ein freier Editor auf Basis des Eclipse-Frameworks, mit dem sich ReqIF-Dateien erstellen und bearbeiten lassen. Dieses Tool (früher auch als “ProR” bekannt) unterstützt den ReqIF-Standard vollständig und eignet sich, um Dateien zu inspizieren oder Testdaten zu erstellen.
- ReqIF-Viewer – für das reine Betrachten von ReqIF-Inhalten gibt es Viewer-Tools. Ein Beispiel ist der webbasierte REQIFviewer, mit dem man ReqIF-Dateien im Browser laden und navigieren kann. Solche Viewer sind hilfreich, um Daten schnell zu prüfen, ohne ein volles RM-Tool zu benötigen.
SMART Standards – digitale Norminhalte – werden Realität
Damit Maschinen und Anwendungen künftig SMART Standards lesen und interpretieren können, werden Unternehmen mit dem Standard DIN DKE SPEC 99200 nun umfassende Informationen bereitgestellt. Mit dem Datenformat ReqIF können erste Normen bereits heute angeboten werden. Durch die SPEC können dieses nun in einer standardisierten Form erstellt und verarbeitet werden.
Für die Normung und die Anwender ist der Standard ein wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung der Normung, die durch die DIN und DKE Initiative Digitale Standards (IDIS) vorangetrieben wird. Die Initiative war mit ihren über 100 Mitgliedern aus Industrie, Wirtschaft, Verbänden und öffentlichen Interessensgruppen direkt in die Entwicklung des Standards eingebunden.
Sollten Sie Interesse haben, Normen der Elektrotechnik von IEC, CENELEC und VDE als ReqIF zu haben dann wenden sie sich an Janosch Koschwitz. Und sollten Sie sich an der Entwicklung von SMART Standards und der Zukunft der Normung beteiligen wollen, werden Sie kostenfrei Mitglied der Initiative Digitale Standards.