Vor der Einführung von OSD Anfang des Jahres 2025 stand es bereits ausgewählten Pilotprojekten zur Verfügung. Diese Chance nutzte das internationale IEC Gremium unmittelbar, um ihre neue Norm IEC 63445 mithilfe dieses zukunftsweisenden Tools und Prozesses zu erstellen. Mit Begeisterung berichtet Herr Klingner von einer deutlichen Zeitersparnis mit OSD und beruft sich auf einen direkten Vergleich zwischen einem Projekt mit und einem ohne OSD. Wir wollten Genaueres erfahren und haben Herrn Klingner in einem Interview gebeten, uns seine ersten Anwendererfahrungen mit OSD zu teilen.
Gremienarbeit: digitaler, kollaborativer, effizienter mit Online Standards Development – ein Erfahrungsbericht vom deutschen Vorsitzenden eines IEC Gremiums
DKE: Guten Tag Herr Klingner, wir haben erfahren, dass Sie in Ihrem IEC Gremium als eines der ersten OSD bereits anwenden und freuen uns darüber, dass Sie uns davon aus erster Hand berichten. Welches Projekt haben Sie in OSD bearbeitet?
Klinger: Es ist die Norm IEC 63445 „System referencing conductor switching device“ für die ich im IEC Gremium SC23K “Electrical Energy Efficiency products” Projektleiter bin. Hier wurde gerade der Schlussentwurf für eine Internationale Norm (Final Draft International Standard - FDIS) zur Abstimmung gegeben. Mittlerweile laufen auch zwei weitere Projekte der Normen Reihe IEC 63402 „Energy Efficiency - Customer Energy Management Systems“ mit OSD. Eines befindet sich gerade in der Committee Draft Phase (CD), also ein Normentwurf, der vom Gremium kommentiert wird; das andere in der Committee Draft for Voting Phase (CDV), also ein Normentwurf, der zur Abstimmung gestellt wird. Und ganz neu haben wir auch ein New Work Item Proposal (NP), also ein neues Normentwurfsprojekt, für diese Normenreihe mit OSD gestartet.
DKE: Was hat sich für Sie – im Gegensatz zur vorherigen Gremienarbeit – bei der Erstellung, Bearbeitung bzw. Kommentierung eines Normentwurfs mit OSD verändert?
Klingner: Die erste große Veränderung ist die Nutzung des Tools statt dem Arbeiten mit dem vorherigen Textverarbeitungsprogramm. Es gibt keine Probleme mehr mit dem IEC Makro, (Makros sind in Textverarbeitungsprogrammen definierte Systemaufgaben, die mit einem Befehl automatisiert ausgeführt werden) welches sich normalerweise nicht mit dem IT-System in einer Firma verträgt.
Die Formatierung geschieht nun automatisch. Die Nummerierung wird vom Tool übernommen. Es ist auch sehr einfach einen Abschnitt zu verschieben, löschen oder hinzuzufügen, ohne sich dabei Gedanken machen zu müssen, ob die Verweise alle nach dem Verschieben noch passen.
Bei der Kommentierung sieht man bereits vor der Sitzung, wie andere Mitarbeiter im Gremium das Dokument kommentieren. Dabei kann man schon im Voraus auf diese Kommentare reagieren bzw. kann sich das Erstellen eines eigenen Kommentars sparen, wenn schon jemand dieselbe Stelle kommentiert. Hier bietet sich auch die Möglichkeit die Unterstützung eines Kommentars einzutragen.
SMART Standards – mit OSD bereits in der Erstellung digital gedacht und erarbeitet
VDE Normen werden in den ersten Projekten so aufbereitet, dass deren Inhalte für Maschinen und Anwendungen lesbar und interpretierbar sind.
DKE: Im Vergleich zur Erstellung bzw. Kommentierung eines Normentwurfs ohne OSD, wie hat sich Ihre Arbeit mit OSD verändert? Welchen Mehrwert bringt die Arbeit mit dem System Ihnen und Ihren Kolleg*innen aus dem Gremium?
Klingner: Mit dem Textverarbeitungsprogramm hatte man immer nach einem Meeting mit dem Projektteam das Dokument „schön“ machen müssen. Mit OSD entfällt dieser Schritt. Man speichert noch den Arbeitsstand in einem PDF und kann mit der inhaltlichen Arbeit fortfahren.
Ein Projektleiter kann Aufträge für einen Textvorschlag zu einem Abschnitt an ein Mitglied des Projektteams vergeben. Diese können direkt in OSD arbeiten, ohne dass der Projektleiter später verschiedene Arbeiten zusammen kopieren muss. Alle anderen können vor der nächsten Sitzung diese Vorschläge bereits prüfen - ohne dass der Projektleiter extra Mails versenden muss - und bereits Kommentare einfügen. Damit lässt sich dann eine Sitzung wesentlich effektiver gestalten, weil alle wesentlich besser vorbereitet in ein Meeting kommen können. Und der Projektleiter wird hinsichtlich des Verteilens von Informationen entlastet. Nach einer Kommentierungsphase entfällt auch das Sortieren der Kommentare im Textdokument, weil diese im OSD bereits an der richtigen Stelle eingetragen sind.
Auch wenn dann ein CD oder CDV fertig ist, dann bedarf es nur noch einer Mail an den Sekretär mit dem Hinweis das Dokument nun zur Verteilung zu senden und aus den Kommentaren im OSD ein Compilation of Comments (CC), also eine Übersicht aller eingegangenen Kommentare zu einem Normentwurf, zu erstellen. Ping-Pong Kommunikation mit dem IEC Editing zu Details kann weitestgehend entfallen. Hier wird der Sekretär auch deutlich entlastet, da er eben kein Dokument mehr vom Projektleiter erhält, das er an IEC weiterleiten muss, sondern nur noch mitteilen muss, dass im OSD alles bereit liegt.
Beispiel OSD Anwendung
| DKEDKE: Haben Sie in der Anwendung mit OSD im Gremium auch Bereiche gesehen, in denen Sie oder Ihre Kolleg*innen aus dem Gremium sich eine Weiterentwicklung oder Optimierung wünschen würden?
Klingner: Wie bei allem, was ganz neu ist gibt es natürlich auch hier noch den einen oder anderen Knopf, der fehlt oder gut versteckt in einem Untermenü sitzt und gefunden werden will. Da wir als Pilot schon früh dabei waren, habe ich schon einige Verbesserungen gesehen und bin guten Mutes, dass wir mit der Anwendung von OSD und Rückmeldung an IEC noch vieles verbessern können.
Ein Punkt, der bislang von IEC noch wenig beachtet wurde, ist, dass es auch in Zukunft nicht möglich sein wird alle Arbeit online im OSD zu machen. Hierfür ist die Funktion PDF-Dokumente zu erzeugen sehr sinnvoll. Perfekt wäre es, wenn man hier PDF-Dokumente mit Zeilennummern erzeugen könnte, um Kommentare noch schneller zuordnen zu können. Mit diesem Service im System könnte IEC uns noch ein wenig mehr Arbeit abnehmen.
Ein weiterer Punkt, der noch einer guten Idee bedarf, ist der Umgang mit sogenannten “general comments”. Das sind Kommentare, die sich auf den gesamten Normentwurf beziehen und nicht nur auf einen Absatz oder ein Wort. Die stehen alle am Anfang des Dokumentes und sind daher etwas unübersichtlich. Solange das nur zwei drei sind, ist das einfach zu lösen. Wenn das aber viele sind wird es leicht unübersichtlich. Evtl. braucht es hier eine separate Funktion für diese Art von Kommentaren.
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DKE: Gibt es etwas, das Sie anderen Gremien weitergeben möchten, die noch nicht mit OSD gearbeitet haben?
Klingner: In Europa haben wir nur eingeschränkt Ressourcen. Unsere Ressource ist Innovation. OSD ist die Innovation in der Normungsarbeit. Klar bringt jede Innovation Veränderungen, die uns herausfordern auf Gewohntes und Liebgewonnenes zu verzichten aber auch Möglichkeiten zur Verbesserung bieten. Diese Optimierung können wir durch konstruktive Kommentierung positiv begleiten. Auch wenn gute Vorschläge abgelehnt werden. Es geht nichts über das “nicht Nachlassen”. Und gerade in Deutschland sind wir immer vorangegangen in der Normung. So sollten wir das auch mit den Werkzeugen der Normungsarbeit machen. Wie jedes neue Werkzeug wird es durch Verwendung irgendwann auch zum gewohnten und nur wer es intensiv verwendet kann auch zur Verbesserung beitragen.
DKE: Vielen Dank.
Klingner: Sehr gerne.
Wir bedanken uns für dieses Interview bei
Weitere Informationen für nationale und internationale Greminenmitarbeitende und DKE Mitarbeitende
Die IEC bietet auf ihrer Webseite unter eine Vielzahl an Schulungsressourcen an, um sich mit OSD auseinanderzusetzen. Auf der OSD Tool-Seite des DKE Hubs für DKE Mitarbeiter*Innen werden OSD-Ressourcen zur Verfügung gestellt, wie z.B. Schulungsmaterial, Workshop-Aufzeichnungen, FAQs, etc. Auf meine.dke.de im Bereich OSD werden für Gremienmitarbeitende der DKE OSD-Ressourcen zur Verfügung gestellt, wie z.B. Schulungsmaterial, Workshop-Aufzeichnungen, FAQs, etc.
Projektleiterin für OSD in der DKE ist Natalie Mundle aus dem Bereich der Digitalisierung. Kontakt: natalie.mundle@vde.com.