Containerfrachtschiff im Ozean
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27.06.2022 Kurzinformation

Brennstoffzellen in der Schifffahrt

Schiffe – das weckt Erinnerungen und Sehnsüchte nach Abenteuer, blauem Meer und würzig-salziger Seeluft. Solche Erlebnisse sind allerdings nur ein kleiner Teilaspekt der Schifffahrt, deren vorrangige Funktion der internationale Warenverkehr ist. Perspektivisch können Brennstoffzellen die emissionsfreudigen Schiffsdiesel ersetzen und so ein großes Problem der Schifffahrt lösen, denn Handels- und Kreuzfahrtschiffen hängt nicht ohne Grund der Ruf an, „Umweltsünder der Meere“ zu sein.

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Dr. David Urmann
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Schifffahrt verursacht hohe Mengen an Luftschadstoffen

Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgt auf dem Seeweg [IMO 1]. Entsprechend zahlreich ist die Welthandelsflotte: rund 11.700 Schüttgut-Frachter, 15.600 Tankschiffe für Öl, Gas und Chemikalien, 5.200 Container-Schiffe sowie weitere 15.000 Transportschiffe zählt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) in ihrem Bericht auf [IMO 2]. Allein die Flotte der aktiven Container-Schiffe transportierte im Jahr 2020 ein Frachtvolumen von über 147 Millionen Standard-Frachtcontainern (TEU, engl. Twenty-foot Equivalent Unit) [Statista 1], trotz der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Auch rund 600 Kreuzfahrtschiffe und 2.500 Yachten werden im Bericht erwähnt [IMO 2].

Mit einer jährlichen Emission von gut 1 Milliarde Tonnen CO2 ist der weltweite Schiffsverkehr für rund 2,9 Prozent des anthropogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich [IMO 2] und liegt diesbezüglich fast gleichauf mit dem Luftverkehr (3,0 Prozent) [Statista 2]. Die IMO hat daher 2018 eine Resolution verabschiedet, wonach die Kohlenstoffintensität der Schifffahrt, d. h. die CO2-Emission in Relation zur Transportleistung, gesenkt werden soll: bis 2030 soll sie noch höchstens 60 Prozent und bis 2050 noch höchstens 30 Prozent des Referenzwertes von 2008 betragen. Außerdem sollen die jährlichen Gesamt-Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf mindestens 50 Prozent des Referenzwert von 2008 gesenkt werden [IMO 3].

Die Reduktion der CO2-Emission ist dabei nicht die einzige Herausforderung für die Schifffahrt. Tatsächlich ist die Kohlenstoffintensität dieser Transportart niedriger als beispielsweise die des Landverkehrs – die Emission anderer Schadstoffe ist in der Schifffahrt dagegen proportional höher [UBA 1]. Bei der Verbrennung von Schweröl, dem mit Abstand wichtigsten Treibstoff für die Schifffahrt mit einer Nachfrage von rund 220 Millionen Tonnen pro Jahr, entstehen erhebliche Mengen an Luftschadstoffen [IMO 2]. Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs kam 2021 zu dem Ergebnis, dass 24 Prozent der Stickoxid (NOx)-Emissionen, 24 Prozent der Schwefeloxid (SOx)-Emissionen und 9 Prozent der Feinstaub-Emission aller EU-Mitgliedsländer zusammen im Jahr 2018 auf den Schiffsverkehr zurückzuführen waren. Gleichzeitig leben etwa 40 Prozent der EU-Bevölkerung innerhalb von 50 km Entfernung zum Meer und sind daher von Schiffsabgasen besonders betroffen [EMSA 1]. Insbesondere in Hafengebieten sind die Abgase von Schiffen eine ernste Gefahr für Gesundheit und Umwelt [UBA 1].


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Kalte Verbrennung – nachhaltiges Antriebskonzept mit Brennstoffzelle

Brennstoffzellen können die Schifffahrt nachhaltig gestalten und zur Lösung der Emissionsproblematik beitragen. So kommt eine 2016 im Rahmen des Projekts e4ships durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass der Umstieg von Dieselmotoren auf Methanol-betriebene Brennstoffzellen den Kraftstoffverbrauch von Kreuzfahrtschiffen um 20 Prozent, die CO2-Emission um 30 Prozent und die NOx-Emission um 99,9 Prozent reduzieren kann. Die Emission von SOx und Feinstaub kann sogar vollständig vermieden werden [e4ships 1].

Das Potential von Brennstoffzellen, die Schadstoffemissionen der Schifffahrt ganz erheblich zu vermindern, ist auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückzuführen. Zum einen arbeiten Brennstoffzellen mit speziellen Katalysator-Materialien, an denen der Brennstoff „kalt“ verbrannt wird, d. h. eine Oxidation des Brennstoffes findet statt, jedoch ohne, dass es zu einer Entzündung desselben und der Entstehung von Feuer kommt.

Entsprechend moderat sind die Betriebstemperaturen von Brennstoffzellen. Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen (PEMFC) beispielsweise werden bei 60-80 °C betrieben. Selbst so genannte „Hochtemperatur-Brennstoffzellen“, wie die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC), arbeiten bei Betriebstemperaturen im Bereich von „nur“ 750 °C und damit unterhalb der Schwelle von 1.000 °C, ab der die Bildung von so genanntem „thermischen NOx“ einsetzt. Im Vergleich dazu sind Wärmekraftmaschinen auf hohe Temperaturen angewiesen – im Brennraum eines Dieselmotors wird es bis zu 2.000 °C heiß.

Zum anderen setzen Brennstoffzellen die im Brennstoff gespeicherte chemische Energie direkt in elektrische Energie (und Wärme) um – ein Umweg über einen Generator, wie bei Wärmekraftmaschinen ist nicht notwendig. Brennstoffzellen erzielen dadurch regelmäßig höhere Wirkungsgrade (ca. 50-60 Prozent) als beispielsweise Dieselmotoren (ca. 30-40 Prozent).

Hinzu kommt, dass der maximale Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle im unteren Teillastbereich liegt, d. h. bei etwa 25 Prozent der Nennlast. Das ist vorteilhaft für den Brennstoffverbrauch im realen Fahrbetrieb, bei dem der Antrieb überwiegend im Teillastbereich arbeitet. Dieselmotoren erreichen ihren maximalen Wirkungsgrad dagegen erst ab etwa 90 Prozent der Nennlast – gerade im unteren Teillastbereich sinkt ihr Wirkungsgrad rapide ab [NOW 1].


Technologie und Transport, Transfer mit Stadthintergrund
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Green Deal, Zero 2050 und Mobility: VDE Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“

In der neuen Studie zur Mobilität bringt der VDE erstmals die Sichtweisen von Mobilitäts-Expertinnen und -Experten aus Politik und Wirtschaft zusammen. Als Fazit fasst die Studie das Antriebsportfolio der Zukunft im Straßenverkehr wie folgt zusammen: Batterie für PKWs, Batterie/Brennstoffzelle für LKW und E-Fuels für Bestandsfahrzeuge bzw. für Motorsport und Oldtimer. Eine weitere und wichtige Erkenntnis: Wirtschaft, Politik und Bevölkerung müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um die Klimaziele der EU zu erreichen.

Zu VDE Studie

Emissionsfaktor Brennstoff

Der Brennstoff selbst kommt als weiterer, emissionsrelevanter Faktor hinzu. Niedertemperatur-Brennstoffzellen werden in der Regel direkt mit reinem Wasserstoff betrieben, bei dessen Verbrennung außer Wasserdampf keine weiteren Abgase entstehen. Die Nachhaltigkeit dieser Systeme lässt sich noch weiter steigern, indem grüner Wasserstoff eingesetzt wird.

Hochtemperatur-Brennstoffzellen können neben Wasserstoff auch mit anderen Brennstoffen, wie Methanol, Erdgas oder schwefelarmem Dieselkraftstoff, betrieben werden. Diese Option ist (übergangsweise) für Seeschiffe interessant, deren Einsatzgebiet weit über den Binnen- und Küstenbereich hinausreicht und die deshalb auf das Mitführen eines leicht lagerfähigen Treibstoffs mit sehr hoher Energiedichte und weltweiter Verfügbarkeit angewiesen sind. Solche Brennstoffzellensysteme arbeiten zwar nicht unbedingt CO2-frei, würden die lokale CO2-Emission aber aufgrund ihres hohen Wirkungsgrads um etwa 25 Prozent gegenüber einem konventionellen Antrieb reduzieren. Durch das Beimischen sogenannter „E-Fuels“, also synthetischer Kraftstoffe, die mit Energie aus regenerativen Quellen gewonnen werden, kann die CO2-Bilanz noch weiter verbessert werden. Die lokale Emission von NOx, SOx und Feinstaub würde sogar völlig vermieden werden [e4ships 2].

Als weiterer alternativer Kraftstoff vereint Ammoniak in gewisser Hinsicht die Vorteile von Wasserstoff und kohlenstoffhaltigen Kraftstoffen. Genau wie Wasserstoff verbrennt es ohne CO2-Emission, ist aber wie kohlenstoffhaltige Kraftstoffe vergleichsweise einfach in der Handhabung. Ammoniak kann bei Raumtemperatur und 9 bar Druck oder kaltverflüssigt bei -33 °C und Umgebungsdruck gelagert werden. Im Vergleich zu Wasserstoff sind das sehr moderate Bedingungen – letzteres wird entweder als Gas bei etwa 700 bar in hochfesten Drucktanks oder tiefkalt-verflüssigt bei -253 °C in speziellen Kryotanks gelagert. Im Betrieb wird Ammoniak zunächst in einem vorgeschalteten Spaltreaktor in Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) umgesetzt und dieses Gasgemisch in die Brennstoffzelle geleitet. Abschließend erfolgt noch die Abgasreinigung, sodass nur Stickstoffgas, das mit ca. 78 Prozent der Hauptbestandteil der Luft ist, und Wasserdampf entweichen. Der Einsatz von Ammoniak als perspektivischer Treibstoff der Seeschifffahrt wird derzeit erforscht, z. B. im EU-geförderten Projekt ShipFC [Fraunhofer 1].


Fahrzeug transportiert Wasserstoff im Stahlbehaelter
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Wasserstoff: Chemischer Winzling mit riesiger Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende

Gerade einmal 0,000000031 mm klein und dennoch mit riesigem Potential – das ist Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird als Energieträger der Zukunft gehandelt, allen voran im Mobilitätssektor. Allerdings ist der Umgang mit Wasserstoff auch nicht ungefährlich. Fachleute engagieren sich daher in der Normung, um die Nutzung von Wasserstoff für unterschiedliche Anwendungsbereiche sicher zu gestalten.

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Sicherer Betrieb von Brennstoffzellen zu Land, zu Wasser und in der Luft

Brennstoffzellen haben das Potential, die Schifffahrt nachhaltiger zu gestalten. Der Betrieb einer Brennstoffzelle auf einem Schiff ist, obgleich fest mit demselben verbunden, ein Einsatzszenario, das von einer klassischen stationären Anwendung abweicht: Seegang, Vibrationen, Kondenswasser und feuchtwarme, salzhaltige Luft stellen eine Herausforderung dar. Zudem gilt im Bereich der Schifffahrt ein eigenes Regel- und Vorschriftenwerk.

Im Technischen Komitee 105 der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC), kurz IEC/TC 105, wurde diese besondere Situation erkannt. Im April 2022 wurde daher eine ad hoc-Gruppe „Brennstoffzellen im maritimen Sektor“ eingerichtet. Unter der Leitung des australischen Experten Noel Dunlop soll die Expertengruppe die aktuelle Situation analysieren sowie Informationen zusammenstellen und Handlungsempfehlungen formulieren. Auf dieser Grundlage können in einem weiteren Schritt Normen zur sicheren Anwendung von Brennstoffzellen auf Schiffen erarbeitet werden. Damit werden neben den Land- und Luft-gestützten Plattformen zukünftig auch die „schwimmenden“ Anwendungsfälle berücksichtigt.

Die DKE beteiligt sich an den Arbeiten des IEC/TC 105. Expertinnen und Experten des nationalen Gremiums DKE/K 384 Brennstoffzellen haben sich schon früh in die Entwicklung von Normen und Standards zur Sicherheit von Brennstoffzellen eingebracht. Mittlerweile blickt das Gremium auf über zwei Jahrzehnte erfolgreicher Zusammenarbeit zurück und verschafft der deutschen Wirtschaft seit 1999 eine Stimme auf dem internationalen Parkett der Normung und Standardisierung von Brennstoffzellen.

Quellen

  • [e4ships 1] https://www.e4ships.de/app/download/13342003890/e4s_Brennstoffstudie_dt_2016-07-28.pdf?t=1563290560
  • [e4ships 2] https://www.e4ships.de/app/download/13325910290/e4ships_Broschuere_dt_2016.pdf?t=1624002707
  • [EMSA 1] https://www.eea.europa.eu/publications/maritime-transport/at_download/file
  • [Fraunhofer 1] https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2021/maerz-2021/weltweit-erste-hochtemperatur-brennstoffzelle-mit-ammoniak-fuer-schiffe.html
  • [IMO 1] https://www.imo.org/en/OurWork/Environment/Pages/Default.aspx
  • [IMO 2] https://www.imo.org/en/OurWork/Environment/Pages/Fourth-IMO-Greenhouse-Gas-Study-2020.aspx
  • [IMO 3] https://www.imo.org/en/MediaCentre/HotTopics/Pages/Reducing-greenhouse-gas-emissions-from-ships.aspx
  • [NOW 1] https://www.e4ships.de/app/download/13499660590/now_studie-ship-fuel.pdf?t=1631014502
  • [Statista 1] https://de.statista.com/themen/4310/containerschifffahrt/#topicHeader__wrapper
  • [Statista 2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/317683/umfrage/verkehrsttraeger-anteil-co2-emissionen-fossile-brennstoffe/
  • [UBA 1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsstandards/seeschiffe-luftschadstoffe-energieeffizienz#luftverunreinigung-durch-seeschiffe

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