- Elektrobatterien für kleinere Schiffe
- Brennstoffzellen als weitere Lösung
- IEC-Normen für die Schifffahrtsbranche
Die Schifffahrt wird elektrisch
Wie die meisten anderen Transportbranchen auch, trägt die Schifffahrtsbranche zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Schätzungen der International Maritime Organization (IMO) zufolge machten die Treibhausgasemissionen der internationalen Schifffahrt in den letzten Jahren 2,2 Prozent der CO2-Emissionen aus. Wie das von der Europäischen Union veröffentlichte Magazin Horizon berichtet, betrug im Jahr 2022 der Anteil der Schifffahrtsbranche an den Emissionen 3 Prozent, wenig überraschend deutlich ansteigend seit dem Rückgang während COVID-Jahre.
Im Jahr 2023 verkündete IMO ihr Ziel, die von der internationalen Schifffahrt verursachten Treibhausgasemissionen bis etwa 2050 auf Netto-Null zu senken. Verschiedene Fortschritte im Bereich elektrischer und elektronischer Geräte und Systeme lassen dieses Ziel erreichbar werden. Die zunehmende Nutzung von Strom an Bord und bei Aufenthalt im Hafen hilft der Branche dabei, sich zu bessern.
Zudem werden neue Technologien entwickelt, um andere Formen der Meeresverschmutzung wie Ölteppiche oder das Ablassen von Abwasser zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Es wurden ölfressende Roboter entwickelt, um ölhaltiges Wasser aufzusaugen, die Flüssigkeiten zu zentrifugieren und sauberes Wasser zurück ins Meer zu leiten. Das dabei gesammelte Öl kann gelagert und recycelt werden.
Elektrobatterien für kleinere Schiffe
Norwegen ist führend, wenn es um batteriebetriebene Elektroschiffe geht. Das Land hat heute etwa 70 Elektrofähren im Einsatz. Fähren gelten als ideale Kandidaten für Batterieantrieb, da sie meist nur kurze Distanzen zurücklegen und nicht so groß sind wie riesige Frachtschiffe. Elektrobatterien sind schwer, brauchen viel Platz und können auf Schiffen, die ohnehin schwere Lasten transportieren, so gut wie nicht eingesetzt werden. Fortschritte im Bereich der Batterietechnologie, wovon die meisten aus der Automobilbranche stammen, werden voraussichtlich auch Auswirkungen auf elektrisch angetriebene Schiffe haben, angefangen bei Ausflugsbooten und Yachten.
Christian Hallberg, Commercial Director eines Unternehmens, das Elektromotoren für Segelboote und Fähren herstellt, erklärt: „Die größten technischen Probleme bleiben das Gewicht und die Spannungsbegrenzung. In der Automobilindustrie entwickeln sich die Dinge schneller als von Analysten vorhergesagt. Ich glaube, dass wir innerhalb von fünf Jahren 50 Prozent sowohl beim Preis als auch beim Gewicht von Batterien eingespart haben sollten. Hybrid und vollelektrisch wird dann für die meisten Segelboote ganz normal sein.“
Es ist zu erwarten, dass diese Fortschritte schlussendlich auch Auswirkungen auf den Antrieb von großen Fracht- und Containerschiffen haben, die die größten Emittenten von Treibhausgasen sind. Eine weitere Technologie sind Superkondensatoren mit extrem hoher Energiedichte als eine Möglichkeit, die Energiespeicherung auf Schiffen zu transformieren. Superkondensatoren speichern Energie mit Hilfe von Elektroden und Elektrolyten. Sie können Energie viel schneller aufnehmen und abgeben als Batterien und tolerieren deutlich mehr Lade- und Entladezyklen als wiederaufladbare Batterien.
Einem Bericht des American Bureau of Shipping zufolge sind die hohe Energiedichte, das Nichtauftreten von thermischem Durchgehen („Thermal Runaway“; eines der weithin bekannten Probleme mit Lithium-Ionen-Batterien) und eine große Betriebstemperaturspanne weitere Vorteile.
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Brennstoffzellen könnten auch eine Lösung sein
Wasserstoff kann aus einer Reihe von Ressourcen erzeugt werden, einschließlich fossilen Brennstoffen, Kernenergie, Biomasse und erneuerbaren Energien. Der einzige CO2-neutrale Wasserstoff ist aus Solar- bzw. Windenergie erzeugter Wasserstoff. Aktuell macht dieser allerdings nur etwa 0,1 Prozent der gesamten Wasserstofferzeugung aus, aber das könnte sich ändern, wenn die Kosten für erneuerbare Energien sinken. Wasserstoff könnte dann mittels Brennstoffzellentechnologie zur Stromerzeugung genutzt werden.
Die MF Hydra, die sich im Besitz eines der führenden Fähr- und Schnellbootbetreiber Norwegens befindet, ist laut Aussage des Unternehmens eine der ersten kommerziellen Passagier- und Autofähren, die mit flüssigem Wasserstoff betrieben und von 200-kW-Brennstoffzellenmodulen angetrieben wird. Dem Technologieberatungsunternehmen IDTechEX zufolge sind die zwei Hauptoptionen für Brennstoffzellen Polymerelektrolytbrennstoffzellen (en: proton exchange membrane fuel cells, PEMFC) und Festoxidbrennstoffzellen (en: solid oxide fuel cells, SOFC). In einem von e-tech veröffentlichten Bericht erklärt IDTechEX, warum keine der beiden Optionen ideal für die Schifffahrt ist.
Laut IDTechEX besteht eine der Herausforderungen für die Verwendung von Wasserstoff in der Schifffahrt darin, eine neue Bunkerung-Infrastruktur zu schaffen. Es gibt aktuell keine bzw. nur sehr wenige Bunkerung-Hubs für Wasserstoff, wodurch die Vertriebskosten hoch sind und die Versorgungssicherheit niedrig ist.
Mehrere IEC-Normen für die Schifffahrtsbranche
Zwei technische Komitees der IEC befassen sich mit der Erstellung von internationalen Normen für die Schifffahrtsbranche.
In Zusammenarbeit mit IMO hat IEC/TC 80 die Aufgabe übernommen, internationale Normen für das Global Maritime Distress and Safety System (GMDSS), eine international vereinbarte Reihe von Sicherheitsverfahren und Kommunikationsprotokollen zur Verbesserung der Sicherheit und Erleichterung der Rettung von Schiffen in Seenot, zu entwickeln. IEC/TC 80 erstellt die GMDSS-Normenreihe IEC 61097, die sich mit den verschiedenen Komponenten der Sicherheitssysteme von Schiffen befasst.
IEC/TC 18 arbeitet ebenfalls mit IMO im Bereich von Elektroanlagen an Bord von Schiffen zusammen. Das Komitee veröffentlicht internationale Normen, die der International Convention on Safety of Life at Sea (SOLAS) entsprechen, einem internationalen Schifffahrtsabkommen, das Mindestsicherheitsstandards für den Bau, die Ausstattung und den Betrieb von Handelsschiffen festlegt. Die Normenreihe IEC 60092, die für sämtliche Elektroinstallationen an Bord von Schiffen anwendbar ist, wird weltweit von Schiffbauingenieuren, Schiffstechnikdesign- und Beratungsunternehmen, Schiffs- und Offshore-Anlagenbauern, Herstellern von Kabeln und elektrischen Geräten, Installateuren, Klassifizierungsstellen, Prüfstellen, Schiffseignern, Betreibern sowie nationalen und internationalen Behörden genutzt.
IEC/TC 105 erstellt Normen für Brennstoffzellentechnologie. Das Komitee hat beispielsweise die Norm IEC 62282‑8‑102 veröffentlicht, die sich mit Einzelzellen und Stacks mit Protonenaustauschmembran befasst. IEC/TC 21 erarbeitet Normen für Batterien und Zellen, inklusive zur Sicherheit von Lithium-Ionen-Zellen für den Antrieb von Elektrofahrzeugen. IEC/TC 40 veröffentlicht IEC 62391‑1, die allgemeine Spezifikationen für fest installierte Superkondensatoren, die in elektrischen und elektronischen Geräten zum Einsatz kommen, auch bekannt als elektrische Doppelschichtkondensatoren, festlegt.
Eines der vier Konformitätsbewertungssysteme der IEC, IECEE (IEC System of CA Schemes for Electrotechnical Equipment and Components), bietet ein Programm für Batterien, Ladegeräte und Ladestationen. Diese können auf Sicherheit, Leistungskomponenteninteroperabilität, Energieeffizienz, elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), gefährliche Substanzen und Chemikalien geprüft werden.
IECEx (IEC System for Certification to Standards Relating to Equipment for Use in Explosive Atmospheres) ist ein weiteres Konformitätsbewertungssystem der IEC. Zwischen 2022 und 2023 hat IECEx seine Aktivitäten, die sich lange Zeit um die Sicherheit von Wasserstoff drehten, durch die Gründung einer formellen Zusammenarbeit mit ISO/TC 197 und die Veröffentlichung eines Standardverfahrens für die internationale IECEx-Zertifizierung von Zapfanlagen und -vorrichtungen für gasförmigen Wasserstoff erweitert (IECEx OD 290).
Konformitätsbewertung: Freier Warenfluss weltweit
Der Begriff „Konformitätsbewertung“ (engl. „Conformity Assessment“) ist weitläufig bekannt, in vielen Fällen jedoch nicht greifbar. Im Wesentlichen sorgt Konformitätsbewertung für einen freien Warenfluss innerhalb eines oder auch zwischen verschiedenen Märkten der Welt. Zur Bewertung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen gelten sowohl nationale Gesetze als auch internationale Richtlinien und Verordnungen. Unser Fachbeitrag zur Konformitätsbewertung fasst die wichtigsten Aspekte zusammen und gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen.
Elektrizität bei Landgang
Cold Ironing bezeichnet den Prozess der Stromversorgung von Schiffen am Liegeplatz, während ihre Haupt- und Hilfsmaschinen ausgeschaltet sind. Dies trägt zur Reduzierung von Schadstoffemissionen aus den Dieselmotoren bei, die ansonsten weiterbetrieben werden müssten. Durch Cold Ironing können Kühlanlagen, Klimaanlagen, Heizung, Licht, Notfall- und andere Systeme weiter mit Strom versorgt werden, während das Schiff be- oder entladen wird.
IEC/TC 23 veröffentlicht die Norm IEC 62613 zu Steckern, Steckdosen und Schiffssteckvorrichtungen für Hochspannungs-Landanschlusssysteme. Das technische Komitee veröffentlicht außerdem IEC 60309‑5 zu Schiffskupplungen (Niederspannungs-Landanschlusssysteme).
Erneuerbare Energien für die Schifffahrt
Es werden zunehmend erneuerbare Energien, wie PV-Solarmodule, verwendet, um elektrische und elektronische Geräte an Bord mit Strom zu versorgen. IEC/TC 82 veröffentlicht die Normenreihe IEC 62788, die Mess- und Prüfverfahren für die in PV-Modulen verwendeten Materialien festlegt.
PV-Solarenergie wird sogar dazu verwendet, einige Transportmittel auf dem Wasser anzutreiben. In Genf haben die bekannten „Mouettes“ oder Wassertaxis, die täglich Menschen von einer Seite des Sees Léman zur anderen bringen, mit PV-Solarstrom experimentiert. Das jüngste solarbetriebene Mouette, das PV-Solarmodule auf dem Dach hat, wurde 2023 in Betrieb genommen. Es hat eine Lithium-Ionen-Batterie und 40 m2 Solarpanele auf dem Dach und kann 13 Stunden fahren, ohne zwischendurch aufladen zu müssen.
Windenergie wird ebenfalls für den Antrieb größerer Frachtschiffe genutzt. Wie im Guardian berichtet wurde, können neue Hightech-Windantriebe auf bestehenden Schiffen angebracht werden, um den Treibstoffverbrauch zu senken, indem sie zwischen 10 Prozent und 90 Prozent des Leistungsbedarfs eines Schiffes decken. Es wurde eine breite Palette windangetriebener Geräte für Schiffe entworfen, die Segel, Drachen und Rotoren, die wie vertikale Zylinder aussehen, verwenden. Diese werden an Deck des Schiffes befestigt und können vielfach auf bestehenden Schiffen nachgerüstet werden. Bereits mehr als 20 kommerzielle Frachtschiffe nutzen Windenergie, um ihren Treibstoffverbrauch zu senken, und weitere sind in Vorbereitung.
Die auf See vorhandene Windenergie kann entweder direkt als mechanische Energie genutzt werden, fast wie zu Zeiten der spanischen Armada, oder indirekt, indem sie in Strom umgewandelt wird. Die Nutzung von Windkraftanlagen ist eine der gängigsten Methoden, um Windenergie in Strom umzuwandeln. Wie bei PV-Solaranlagen hat die IEC allgemein anerkannte Normen erstellt, die die Leistung und Sicherheit von Windkraftanlagen festlegen.
Altes mit Neuem zu verbinden ist oft der beste Weg, um voranzukommen!
Redaktioneller Hinweis:
Der englischsprachige Originalartikel von Catherine Bischofberger erschien erstmals auf etech.iec.ch in der Ausgabe 02/2024 unter:
https://etech.iec.ch/issue/2024-02/the-maritime-industry-goes-electric
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