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02.07.2019 Fachinformation TOP

Künstliche Intelligenz: Mit Normen und Standards zielgerichtet in die Zukunft

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als das vielleicht größte Zukunftsthema. Schon heute kommt KI in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern zum Einsatz. Eine zentrale Fragestellung ist dabei immer wieder die, wie Ethik und Technik miteinander vereinbart werden können. Die DKE hat ihre Expertise mit Dr. Sebastian Hallensleben in diesen Bereichen genutzt und wurde auf europäischer sowie internationaler Ebene zum Vorsitz der dort eingerichteten Gremien gewählt.

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Künstliche Intelligenz ist mit der KI-Strategie der Bundesregierung und der Einsetzung der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ zentraler Gegenstand der deutschen Politik geworden. KI gilt über fast alle Branchen hinweg als einer der Schlüsselfaktoren für die künftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas.

Eine ähnlich hohe, aber bereits über hundert Jahre zurückreichende Bedeutung für den Standort Deutschland haben Normung und Standardisierung. Ohne Normen sind weder eine globale arbeitsteilige Wirtschaft noch eine sichere Nutzung von Technik noch die Durchsetzung von Regulierung in verschiedensten Lebensbereichen denkbar.

Was verstehen wir unter Künstlicher Intelligenz?

Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von „Künstlicher Intelligenz“. Das Spektrum von Technologien und Perspektiven zu KI ist hierfür zu breit.

Die DKE betrachtet unter der Überschrift „Künstliche Intelligenz“ aber vor allem Technologien, die in extrem großen, uneinheitlichen Datenmengen Muster identifizieren können, zum Beispiel in der Bild- und Spracherkennung, und die innerhalb vorgegebener Spielregeln ihre Leistung anhand von Daten aus Training und laufendem Betrieb selbst optimieren können wie beispielsweise in der Robotik oder beim autonomen Fahren. KI-Systeme sind weiterhin deterministisch, aber intern so komplex, dass ihr Verhalten durch den Menschen nur noch sehr eingeschränkt nachvollzogen werden kann.

Wie „funktioniert“ Künstliche Intelligenz eigentlich?

Die Funktionsweise hat sich seit der Prägung des Begriffs „Künstliche Intelligenz“ in den 1950er Jahren stetig weiterentwickelt.

Heute dominieren KI-Systeme, die als neuronale Netze eine gewisse Ähnlichkeit mit der Funktionsweise des menschlichen Gehirns aufweisen. Zahlreiche Knoten (Neuronen) sind untereinander verschaltet, wobei die Gewichte der einzelnen Verbindungen durch Training einer bestimmten Aufgabe nach und nach festgelegt werden. Erst durch diesen Lernprozess wird ein neuronales Netz funktionsfähig und kann als Algorithmus zur Lösung von Aufgaben eingesetzt werden. Aber wie funktioniert der Lernprozess eigentlich genau? Das Stichwort ist hier: machinelles Lernen.


Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, unsere Welt zu verändern.

Schon heute wird Künstliche Intelligenz beispielsweise in der Industrie 4.0, beim autonomen Fahren, in Gesundheitsanwendungen und vielen weiteren Bereichen eingesetzt. Komplexe Algorithmen analysieren riesige Datensätze, leiten daraus Handlungsempfehlungen ab und agieren vollkommen autonom. Selbstlernende Systeme sind die Zukunft und werden Teil unseres Alltags.

Aber wer steuert eigentlich die Künstliche Intelligenz?

Die DKE bietet Expertinnen und Experten eine Plattform, um branchen- und länderübergreifend Normen und Standards zu erarbeiten – damit ethische Regeln auch für KI gelten und KI unsere Gesellschaft so voranbringt.

Wir gestalten und steuern die Künstliche Intelligenz!


Wo kommt Künstliche Intelligenz zukünftig zum Einsatz?

Kuenstliche Intelligenz - Industrie 40

Industrie 4.0

Kuenstliche Intelligenz - Industrie 40

Für die Industrie von morgen, also die „Industrie 4.0“, stellt Künstliche Intelligenz eine Schlüsseltechnologie dar und bietet eine riesige Chance, die gesamte Automatisierungsbranche zu revolutionieren. In der Industrie 4.0 steht die Vernetzung sämtlicher Anlagen und Roboter im Mittelpunkt. Aus einer Unmenge an Daten können KI-basierte Anwendungen dabei helfen, Prozessabläufe zu optimieren. Das funktioniert allerdings nur, wenn aus Big Data am Ende auch Smart Data wird.

Mittels KI ist es möglich, Maschinen lernfähig zu machen – sie werden also in der Lage sein, Produktionsabläufe selbstständig zu optimieren. Auch wird die Anzahl fahrerlose Transportfahrzeuge, die eigenständig in der Produktionsstätte herumfahren und selbstständig Aufgaben übernehmen, mit der wachsenden Nutzung von KI zunehmen. Ein weiteres Beispiel auf Basis der gesammelten Daten, die mittels KI-Anwendungen ausgewertet werden, ist Predictive Maintenance. Dabei handelt es sich um eine vorausschauende Anlagen- bzw. Maschinenwartung. Mögliche Probleme werden erkannt, bevor sie überhaupt eintreten. Das Ergebnis: Weniger Ausfälle und geringere Kosten.

Künstliche Intelligenz nimmt in der Smart Factory eine entscheidende Rolle ein und macht aus Robotern autonom agierende Akteure.

Collage zu erneuerbaren Energien

Energiewirtschaft

Collage zu erneuerbaren Energien

Erneuerbare Energien machen schon heute einen bedeutenden Anteil am Stromverbrauch in Deutschland aus. Stromerzeugung und Stromverteilung alleine sind aber nur ein erster Schritt. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Strom effizient zu erzeugen, zu speichern und zu verteilen. Mit Hilfe von KI-basierten Anwendungen kann beispielsweise das Energiemanagement in Gebäuden optimiert werden, indem Wetterprognosen, Verbrauchsdaten und Energiepreise berücksichtigt werden.

Der Ausbau Erneuerbarer Energien geht einher mit technologischen Weiterentwicklungen. Microgrids und Smart Grids machen sich eine dezentrale Energieversorgung zu Nutze. Algorithmen ermitteln Prognosen für Einspeisung, Speicherung und Verbrauch. Smart Meter unterstützen Verbraucher hinsichtlich der Auswertung und Optimierung in ihren eigenen Wänden. Ein weiterer Vorteil: Energieversorger können auf Basis der Verbrauchsdaten individuellere Tarifmodelle anbieten.

Künstliche Intelligenz ist darüber hinaus eine entscheidende Technologie beim Zusammenwachsen der unterschiedlichen Energiesektoren – also der Sektorenkopplung. Gleichzeitig wird Predictive Infrastructure Maintenance betrieben. Wie in der Industrie 4.0 sollen mittels einer Mustererkennung Probleme bereits erkannt werden, bevor sie überhaupt auftreten. Auch hier gilt: Eine vorsorgliche Prüfung ist günstiger als ein Netzausfall. Eine KI-gestützte Steuerung von Energienetzen kann außerdem viel schneller auf Vorfälle reagieren und dadurch zur Netzstabilität beitragen.

Autonomes Fahren mit Sensorsystem Sensorsystem und drahtloses Kommunikationsnetzwerk

Autonomes Fahren

Autonomes Fahren mit Sensorsystem Sensorsystem und drahtloses Kommunikationsnetzwerk

Die meisten Fehler, die auf Straßen zu Unfällen führen, werden durch Menschen verursacht. Autonomes Fahren soll also nicht ausschließlich dazu dienen, den Komfort beim Fahren zu erhöhen, sondern auch für mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu sorgen. Künstliche Intelligenz ist hierzu der Schlüssel: Fahrzeuge müssen in Sekundenbruchteilen eigenständige Entscheidungen treffen, die besser sind als die des Menschen. Sie müssen verstehen, wie die Umwelt um sie herum aufgebaut ist.

Aber wie funktioniert das? Algorithmen werden zunächst mit Daten trainiert. Auf Bildern oder in Videos werden beispielweise Objekte, wie Schilder, Tiere, Menschen etc., markiert. Der Algorithmus lernt also, um was es sich bei den Objekten jeweils handelt. Mit genug Daten ist der Algorithmus später in der Lage, Objekte selbst zu erkennen. Die komplexe Welt des Straßenverkehrs besteht aber nicht nur aus simplen Objekten, sondern eben auch aus Regeln, die über die Landesgrenzen hinweg vollkommen unterschiedlich sein können. Gleiches gilt für Zeichen oder Fahrbahnmarkierungen.

Eine wesentliche Fragestellung, die beim autonomen Fahren immer wieder aufkommt, ist die nach den ethisch richtigen (oder falschen) Entscheidungen. Bei Programmierung und Training von KI-Systemen muss ein gesellschaftlicher Konsens dazu einfließen. Dafür eignet sich das etablierte Instrument der Normung.

Arzt hält Röntgenbild eines Oberkörpers

Gesundheitswesen

Arzt hält Röntgenbild eines Oberkörpers

Künstliche Intelligenz wird zukünftig aber nicht nur dazu beitragen, unser Leben einfacher und komfortabler zu gestalten. Sehr großes Potenzial wird auch KI-basierten Anwendungen zugeschrieben, die sich mit unserer Gesundheit auseinandersetzen. Über bildgebende Verfahren oder auch auf Basis einer Vielzahl von Patientendatenpunkten können Krankheiten und Auffälligkeiten früher erkannt und Diagnosen nicht nur präziser, sondern auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gestellt werden. Erfahrung und Einschätzung des Arztes sollen jedoch nicht ersetzt werden – vielmehr geht es darum, ihn bestmöglich bei seiner Arbeit zu unterstützen.

KI-Anwendungen kommen aber auch außerhalb der klassischen Medizin zum Einsatz: Wearables. Über sie kann jeder seine eigenen biometrischen Daten aufzeichnen und via App auswerten. KI kann helfen, die Ergebnisse korrekt zu interpretieren und Empfehlungen zu geben.

Insbesondere im Gesundheitssektor steht Künstliche Intelligenz im Spannungsfeld zwischen technologischem Fortschritt und ethischen Diskussionen.

Wo setzen Normen und Standards bei Künstlicher Intelligenz an?

Die heutige Situation von KI erinnert an die Situation der Elektrizität Ende des 19. Jahrhunderts: viele innovative, aber nicht miteinander kompatible Produkte, Unfälle durch unzureichende Sicherheitsstandards sowie eine Kombination von Hype und Skepsis in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Damals wurde das enorme positive Potenzial der Elektrizität unter anderem dadurch gehoben, dass Übertragungsnetze, Steckersysteme, Sicherheitsanforderungen, Schaltanlagen etc. genormt wurden. In ähnlicher Weise kann heute KI durch Normung den breiten Durchbruch schaffen.

Hier beispielhaft einige Aspekte von KI, für die Normung hilfreich wäre und zum Teil auch schon vorbereitet wird:

  • Trainingsverfahren

Die momentan gängigsten KI-Systeme beruhen auf Deep Neural Networks. Sie werden mit bereits vorhandenen Daten trainiert, um zu lernen, aus künftigen Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Weder Trainingsdatensätze noch Trainingsverfahren sind bisher genormt, so dass beispielsweise ein Zusammenführen von KI-Systemen und Trainingsdaten über Unternehmensgrenzen hinweg kaum möglich ist.

  • Beschreibung von selbstlernenden Systemen

Kennzeichen vieler KI-Systeme ist, dass sie durch immer neue Inputdaten selbst dazulernen und ihr Verhalten von Tag zu Tag verändern können. Wie können aber mehrere solcher Systeme zuverlässig zu einem größeren Ganzen (z. B. einer Produktionsanlage oder einem Operationsroboter) kombiniert werden, wenn ihre Eigenschaften nicht stabil sind? Eine praxistaugliche Beschreibung selbstlernender Systeme und ihrer Eigenschaften (z. B. Sicherheit, Zuverlässigkeit etc.) ist unter anderem aus diesem Grund eine wichtige Aufgabe für die Normung.

  • KI-Methoden und wissenschaftlich-technische Fachsprache

Um in Expertenkreisen präzise über ein so komplexes und interdisziplinäres Feld wie KI diskutieren zu können, muss ein gemeinsames Verständnis über die wichtigsten KI-Methoden und Fachbegriffe sichergestellt sein. Daher erarbeitet ein internationales Normungsgremium unter Beteiligung von VDE DKE bereits entsprechende Definitionen.

Normung von Prüfverfahren für KI-Systeme

Für konventionelle Produkte sind über viele Jahre wirksame Prüfverfahren entwickelt und genormt worden, um alle relevanten Betriebsszenarien sowie Überlastszenarien auszutesten. Da es nicht möglich ist, mit endlichem Aufwand alle möglichen Fälle zu prüfen, nutzen die Prüfer ihr Ingenieurwissen, um die Funktionsweise des Produkts zu verstehen und dementsprechend „kritische“ Szenarien auszuwählen.

Für gängige KI-Systeme ist dieses Vorgehen bisher kaum möglich. Insbesondere Deep Neural Networks sind eine „Black Box“, deren innere, während des Trainings entstandene „Verdrahtung“ einer Analyse nicht zugänglich ist. Daher ist es schwierig, die richtige Auswahl von Prüfszenarien zu treffen. Hier müssen also neue Prüfverfahren entwickelt und genormt werden, damit auch KI-Systeme zertifiziert und mit Prüf-siegeln versehen werden können.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass KI-Systeme häufig selbstlernend sind. Ein KI-System mag heute eine Prüfung bestanden haben, kann sich morgen aber anders verhalten, so dass das Prüfergebnis hinfällig wird. Daher müssen neue Prüfverfahren entwickelt und genormt werden, die beispielsweise eine kontinuierliche Prüfung und/oder eine Versionskontrolle des Systems beschreiben.

Anpassung bisheriger Normen

Das über Jahrzehnte in unzähligen Expertengremien erarbeitete nationale, europäische und internationale Normenwerk für Produkte aller Art ist prinzipiell technologieneutral, d. h. es beschreibt das Verhalten von Produkten und nicht deren technische Umsetzung. Trotzdem führt das Aufkommen von KI als neuer Technologie für viele bestehende Normen zu einem Klärungs- oder Verfeinerungsbedarf.

Ein Beispiel hierfür ist die Norm IEC 61508 für die funktionale Sicherheit aller Systeme mit elektrischen Komponenten und ähnliche, daraus abgeleitete Normen in Bereichen wie Industrie und Mobilität. Die IEC 61508 geht von einem vorhersagbaren Systemverhalten aus, aber genau dies kann beim Einsatz von KI nicht mehr vorausgesetzt werden. Hier muss die bewährte Normenfamilie weiterentwickelt werden und beispielsweise Anforderungen an die Arbeitsteilung bzw. an das Zusammenspiel von konventionellen und KI-gestützten Komponenten formulieren.

Gerade in sicherheitskritischen Anwendungen wie der Robotik wird beispielsweise ein konventionell arbeitender „safety kernel“ diskutiert, der der KI zwar den Freiraum gibt, ihre Stärken in der Optimierung des Systemverhaltens auszuspielen, aber gleichzeitig nachweisbar feste Grenzen dafür setzt.

Ethik als eine der zentralen Fragestellungen bei Künstlicher Intelligenz

Viele KI-gestützte Systeme, beispielsweise für autonomes Fahren, das Stellen medizinischer Diagnosen, die Vergabe von Krediten oder die Prognose der Rehabilitation von Straftätern, treffen ethisch schwierige Entscheidungen. Eine Maschine an sich hat keinen Sinn für Ethik, aber ihr Verhalten muss sich an ethischen Maßstäben messen lassen. Zu bedenken sind beispielsweise

  • das Verhalten in Krisensituationen wie einem unabwendbaren Unfall

Hier wurde und wird vom Menschen nicht erwartet, in Sekundenbruchteilen eine ethisch abgewogene und im Nachhinein hinterfragbare Entscheidung zu treffen. Vielmehr „darf“ der Mensch im Reflex handeln. Für ein KI-System sind die Grundlagen für solche Entscheidungen dagegen bei der Programmierung von Algorithmen und/oder der Auswahl von Trainingsdaten vorher festgelegt worden und damit kontrollierbar

  • die Fortschreibung menschlicher Unzulänglichkeiten

Wird eine KI mit früheren, von Menschen generierten Daten trainiert, übernimmt sie auch deren Unzulänglichkeiten, beispielsweise eine (auch unbeabsichtigte) Ungleichbehandlung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Damit wird ethisch fragwürdiges Verhalten gewissermaßen automatisiert.

  • die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine

Behält der Mensch in einer KI-durchdrungenen Umgebung noch das Heft in der Hand, d. h. ein gewisses Maß an Souveränität, oder wird er zu einem bloßen Rädchen im Getriebe technischer Systeme? Dies spielt insbesondere in der Arbeitswelt eine Rolle.

  • ein möglicher Verzicht auf KI in gewissen ethisch heiklen Einsatzgebieten

Aktuell wird jedoch noch kontrovers diskutiert, inwieweit eine solche Herangehenweise und Umsetzung praktikabel und sinnvoll wäre.

Wer KI-Systeme entwickelt und trainiert und damit deren Verhaltensmuster festlegt, kommt nicht darum herum, sich mit solchen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Es kann jedoch nicht die Aufgabe von Entwicklern oder deren Arbeitgebern sein, die Antworten zu geben.

Vielmehr müssen

  1. Antworten in einem breiten Konsens von Experten und anderen relevanten Akteuren – auch in der Politik – gefunden werden, und
  2. diese Antworten so klar und konkret formuliert werden, dass Entwickler von KI-Systemen sie als Leitlinien benutzen können.

Diese beiden Schritte – das Herstellen eines Konsens und dessen technisch anwendbare Formulierung – bilden jedoch genau die seit vielen Jahrzehnten geübte Praxis in der Normung. Damit bietet sich Ethik von KI-Systemen als Gegenstand der Normung an. Ob dabei ethische Grundsätze selbst genormt werden sollten oder eher die Prozesse und Zuständigkeiten, die zur Festlegung solcher Grundsätze führen, wird derzeit noch untersucht, unter anderem durch VDE DKE im Rahmen eines Auftrags des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Wie lässt sich Ethik für Künstliche Intelligenz überhaupt normen?

Wie lässt sich Ethik für KI normen?

Wie lässt sich Ethik für KI normen?

| DKE

Man könnte daran denken, explizite ethische Regeln in eine Norm zu fassen. Fiktive Beispiele: „Kinder sind wichtiger als Rentner“ oder auch „100 Schwerverletzte sind besser als 1 Toter“. Für solche Regeln lässt sich aber schon innerhalb Deutschlands kein Konsens finden, geschweige denn auf internationaler Ebene.

Und das andere Extrem: Man normt gar nicht Ethik selbst, sondern lediglich die Prozesse und Strukturen, in denen ethische Entscheidungen getroffen werden sollen. Ein solcher Ansatz funktioniert prinzipiell, ist aber für Ethik zu unspezifisch und verschiebt nur die heiklen und gesellschaftlich relevanten Fragen in schwer überschaubare Gremien.

Eine Idee liefern stattdessen die erfolgreichen Kennzeichnung von Produkten: Die bunten Skalen kennt jeder von Haushaltsgeräten – sie kennzeichnen Energieeffizienz, Waschleistung, Kühlwirkung etc.

Skalen für die Eigenschaften von KI-Systemen, wie Schutz von Privatsphäre, Diskriminierungsfreiheit oder Transparenz, können auf ähnliche Weise genormt werden. Damit schaffen wir einen transparenten Wettbewerb, es können regionale Mindeststandards festsetzen (z. B. „in Europa sind nur KI-Systeme mit Diskriminierungsfreiheit besser als Klasse C zugelassen“), und wir geben Verbrauchern Entscheidungsfreiheit.

Es deutet sich an, dass so ein Ansatz auch global konsensfähig ist und gleichzeitig KI-Ethik zum deutschen bzw. europäischen Wettbewerbsvorteil macht.


Künstliche Intelligenz und Harmonized Standards

Für die sogenannten Hochrisiko-KI-Anwendungen spielen Normen und Standards eine wichtige Rolle, denn sie schaffen Transparenz, Sicherheit und damit Vertrauen und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen.

Nach dem Erfolgsprinzip des europäischen Binnenmarktes, dem New Legislativ Framework, werden lediglich grundlegende Anforderungen und Schutzziele festgelegt, auf deren Basis KI-Anwendungen in allen EU-Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden können. Dagegen werden die KI Hochrisiko-Anwendungen künftig über den Artifical Intelligence Act der EU reguliert. Dabei beauftragt die EU die europäischen Normungsorganisationen, die grundlegenden Anforderungen technisch konkreter auszuarbeiten. Am Ende des Prozesses entstehen harmonisierte europäische Normen. Dieses sorgen im Zusammenspiel mit dem Gesetzgeber für Transparenz und Sicherheit.


Enquete-Kommission KI stellt Fragen – VDE DKE gibt Antworten

Ohne jede Frage, Künstliche Intelligenz ist eines der großen Zukunftsthemen. Ob im Industriesektor, beim autonomen Fahren oder im Gesundheitsbereich: KI findet bereits statt und es ist davon auszugehen, dass die Anwendungsmöglichkeiten und deren Umsetzungen noch enorm steigen werden. Aus diesem Grund wurde im Juni 2018 die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ beschlossen. Die Enquete-Kommission setzt sich aus Mitgliedern des Deutschen Bundestags sowie externen Experten zusammen und befasst sich mit den Auswirkungen, die aus dem zunehmenden Einsatz von KI resultieren.


VDE und DKE berate die Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag


Transparenz-Anforde­run­gen und recht­liche Fra­gen KI-ba­sierter Systeme

Michael Teigeler, DKE Geschäftsführer, und Dr. Sebastian Hallensleben, Portfoliomanager Digitalisierung und KI im VDE, hoben in einer öffentlichen Sitzung der Enquete-Kommission die Bedeutung und Vorteile der Normung und Standardsetzung im KI-Bereich hervor.

Hinweis: Der Vortrag von VDE DKE beginnt ab Minute 41:30

Quelle: youtube.com / Deutscher Bundestag


CEN-CENELEC gründet Fokusgruppe für Künstliche Intelligenz

Auf europäischer Ebene wurde seitens CEN-CENELEC eine Fokusgruppe für Künstliche Intelligenz gegründet. Sie wird zukünftig relevante Interessengruppen zusammenbringen, die an der Normung im Bereich der KI interessiert sind. Den Vorsitz teilen sich Dr. Sebastian Hallensleben, Portfoliomanager Digitalisierung und KI im VDE e. V., aus Deutschland und Patrick Bezombes, Vizedirektor des Joint Centre for Concepts, Doctrine and Experimentation, aus Frankreich.

Die Fokusgruppe unterstützt CEN und CENELEC bei der Untersuchung der Notwendigkeit einer europäischen Normung für KI innerhalb von CEN-CENELEC und erstattet den Sitzungen des Technical Boards von CEN und CENELEC Bericht auf Grundlage der folgenden Aufgaben:

  • Vorschlag einer gemeinsamen Vision als Grundlage für die Standardisierung der KI in Europa.
  • Kontaktaufnahme zu relevanten europäischen Interessengruppen.
  • Vorbereitung einer Darstellung der aktuellen europäischen und internationalen Normungsinitiativen zu KI, z. B. ein EU-Rollout-Plan für die ICT Standardization.
  • Ermittlung des spezifischen Normungsbedarfs für die KI, wobei diese Bedürfnisse mit den Arbeitsaufgaben von ISO/IEC/JTC 1/SC 42 (und anderen von der KI betroffenen anwendungsbezogenen TCs), IEC SEG 10 und anderen relevanten Gremien in Beziehung gesetzt werden und Empfehlungen für die besten Möglichkeiten zur Behandlung der KI-Ethik im europäischen Kontext formuliert werden.
  • Identifizierung der Technischen Komitees von CEN und CENELEC, die von der KI betroffen sein werden.
  • Überwachung potenzieller Änderungen der europäischen Gesetzgebung in Bezug auf z.B. KI-fähige Produkte, die Auswirkungen auf die TCs von CEN und CENELEC haben könnten, die harmonisierte Normen erstellen.
  • Zusammenarbeit mit der hochrangigen Expertengruppe für KI und Identifizierung potenzieller Synergien und Ergebnisse.
  • Identifizierung anderer relevanter Gruppen, einschließlich europäischer Initiativen zur KI, mit denen zusammengearbeitet werden soll.
  • Als Anlaufstelle für die von KI betroffenen Technischen Komitees von CEN und CENELEC agieren; und auch für die Ambitionen der Europäischen Kommission zur Normung für KI.
  • Förderung einer weiteren europäischen Beteiligung in den Technischen Komitees von ISO und IEC, die sich bereits mit KI befassen, und Vorschläge einbringen zur Steigerung der Wahrnehmung für die Bedeutung von Normen und Standards als Schlüsselelement bei der Entwicklung von KI in ganz Europa.

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Internationale Bewertungsgruppe Normung für KI-basierte Anwendungen

Auf internationaler Ebene spielt im Kontext der Normung von Künstlicher Intelligenz das Market Strategy Board von IEC eine bedeutende Rolle. Es wurde gegründet, um Technologietrends und Marktanforderungen in den Arbeitsgebieten der IEC zu ermitteln. In seinem Ausblick für 2019 hat das Market Strategy Board noch einmal auf die hohe Relevanz von Künstlicher Intelligenz als eines der wichtigsten Zukunftsthemen hingewiesen. Im Interview sagte Peter Lanctot, Sekretär des Gremiums, die Mitglieder des Market Strategy Boards seien sich einig, dass Künstliche Intelligenz die nächste Innovationsphase darstellt und zu einer langfristigen Umwälzung von Markt und Technologie führen wird.

Um das Thema Künstliche Intelligenz auf internationaler Ebene voranzutreiben, wurde die SEG 10 – Bewertungsgruppe Normung für autonome und KI-basierte Anwendungen – gegründet. Den Vorsitz teilen sich Dr. Sebastian Hallensleben, Portfoliomanager Digitalisierung und KI im VDE e. V., aus Deutschland und Tangli Liu, Chief Strategic Planning officer & Director of Smart Cities Department beim China Electronics Standardization Institute, aus China.

Die SEG 10 setzt sich aus drei Working Groups mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen zusammen:

  • AAA Societal and Ethical Foundations

Entwicklung eines Frameworks/Prozesses/Ansatzes für die Anwendung von Ethik in verschiedenen Kontexten/Domänen für die Bereiche der Normungsarbeit

  • AAA Specific Ethical Requirements

Identifizieren und priorisieren spezifischer ethischer Anforderungen der technischen IEC-Aktivitäten im Zusammenhang mit AAA

  • Outreach

Koordination der Kommunikations- und Kooperationsaktivitäten innerhalb der IEC sowie in Bezug auf die externen Zielgruppen

* AAA steht für Autonomous and Artificial Intelligence Applications


OCEANIS Logo

OCEANIS ist ein globales Forum für Diskussion und Zusammenarbeit zwischen Organisationen, die an der Entwicklung und Anwendung von Normen und Standards zur Förderung der Entwicklung autonomer und intelligenter Systeme interessiert sind.

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VDE DKE Experte für Künstliche Intelligenz

Dr. Sebastian Hallensleben

Dr. Sebastian Hallensleben

... ist Portfoliomanager Digitalisierung und KI im VDE e. V. Darüber hinaus teilt er sich mit China zusammen den Vorsitz der IEC/SEG 10 und mit Frankreich den Vorsitz der CEN-CENELEC AI Focus Group. Dr. Hallensleben engagiert sich außerdem beim ISO/IEC JTC 1/SC 42 sowie bei der Erarbeitung einer vom BMWi geförderten Normungsroadmap zu Ethik und KI.

Dr. Sebastian Hallensleben

... ist Portfoliomanager Digitalisierung und KI im VDE e. V. Darüber hinaus teilt er sich mit China zusammen den Vorsitz der IEC/SEG 10 und mit Frankreich den Vorsitz der CEN-CENELEC AI Focus Group. Dr. Hallensleben engagiert sich außerdem beim ISO/IEC JTC 1/SC 42 sowie bei der Erarbeitung einer vom BMWi geförderten Normungsroadmap zu Ethik und KI.

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