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25.03.2024 Fachinformation

Schulterblick ACEA: Nachhaltigkeit in der Elektrotechnik gestalten

Ob es um die Verwendung von Rezyklaten, den verantwortungsbewussten Einsatz von Ressourcen oder den reduzierten Energieverbrauch von Produkten geht: Umweltthemen sind in der Elektrotechnik omnipräsent, und somit steigt deren Bedeutung auch in der Normung immer weiter an.

ACEA, das Advisory Committee on Environmental Aspects in der IEC, ist eine der Instanzen, die für einheitliche Standards die Grundlagen schaffen. Wie ACEA arbeitet und wo dabei die größten Herausforderungen stecken – ein Überblick.

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Dr. Tim Brückmann
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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

  • Wie setzt sich ACEA zusammen?
  • Welche Aufgaben hat das Gremium?
  • Wie entstehen Definitionen und ein gemeinsames Verständnis?
  • Woran arbeitet ACEA derzeit und welche Themen werden zukünftig bearbeitet?

Diskussion ermöglichen, Vernetzung schaffen

Die Bedeutung umweltrelevanter Aspekte nimmt über den gesamten Lebenszyklus eines elektrotechnischen Produktes zu – von der Produktentwicklung bis hin zur Verwertung und Wiedergewinnung der darin eingesetzten Rohstoffe. ACEA, das Advisory Committee on Environmental Aspects, spielt eine wesentliche Rolle dabei, die Basis für die Normung zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen zu erarbeiten. Das Komitee ist organisatorisch dem SMB in der IEC (Standardization Management Board der International Electrotechnical Commission) zugeordnet und in seiner Funktion vor allem beratend tätig.

Eine seiner Kernaufgaben ist es, verschiedene elektrotechnische Technologiebereiche zu vernetzen und einen umfassenden Erfahrungsaustausch zu Umweltthemen in der IEC zu ermöglichen. Um international wie fachlich alle Inputs zu bündeln, setzt sich das ACEA aus Vertretern der National Committees (NC) und verschiedener Technical Committees (TC) der IEC zusammen. Dabei handelt es sich um Expertinnen und Experten, die langjährige Erfahrung in Standardisierungsfragen, im Umweltschutz und in der umweltgerechten Produktgestaltung haben. 

In den TCs und den entsprechenden Spiegelkomitees der NCs, mit denen ACEA eng kooperiert, sind auch Verbraucher- und Umweltschutzverbände involviert. Die Vernetzung zu anderen IEC Advisory Committees wie Datenschutz, Energieeffizienz, Produktsicherheit oder EMV stellt sicher, dass alle relevanten angrenzenden Themen mitgedacht werden.


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Konflikte lösen, Frühwarnsystem etablieren

ACEA ist zudem die zentrale Instanz, die in ihrem Bereich auf einen Konsens und Harmonisierung hinarbeitet. Interessenkonflikte können auf verschiedenen Ebenen auftreten. So geschieht es beispielsweise, dass in der Diskussion um die Lösung einer technischen Fragestellung unterschiedliche Begriffsdefinitionen verwendet werden.

Entsteht aus diesem Grund der Bedarf nach Harmonisierung innerhalb der IEC, so nimmt ACEA eine solche Konfliktmeldung auf und vermittelt aufgrund vorhandener Standards eine Lösung. Ist dies nicht möglich, werden Task Forces zusammengestellt, die sich an die Ausarbeitung von Guides oder Begriffsdefinitionen machen.

Das, was auf internationalem Level erarbeitet wird, setzen die nationalen Normungsgremien – in Deutschland DKE/K 135 und DKE/K 191 – für die jeweiligen Länder um. Andreas Schneider, seit April 2011 Mitglied im ACEA und seit 2016 Vorsitzender des nationalen Gremiums DKE/K 191, erklärt: „Die nationalen Gremien und ihre Expert*innen bilden das Fundament für die internationale Zusammenarbeit.“

Schneider fährt fort: „Aus Unternehmenssicht steckt hinter der Abklärung von Begrifflichkeiten zunächst einmal viel Aufwand und wenig Nutzen. Aber wir beobachten, dass sich das schnell ändern kann – und zwar in dem Moment, wenn damit verbundene technische Spezifikationen marktzugangsrelevant werden. Daher ist es aus meiner Erfahrung heraus sinnvoll, sich frühzeitig mit diesen Dingen auseinanderzusetzen.“ 

Neben einer fehlenden, einheitlichen Begriffsdefinition kann laut Schneider ein nicht erkannter, unterschiedlicher Gebrauch von Begriffen in verschiedenen Sprachen zu Ungenauigkeiten in Übersetzungen und damit zu Unstimmigkeiten führen. Eine weitere Quelle für Missverständnisse ist das Denken aus unterschiedlichen Systemen heraus: Aus Produktsicht gestalten sich Fragen beispielsweise anders als aus Infrastruktursicht – am Ende müssen aber beide Seiten zusammenkommen, um eine Lösung zu finden. 

„Manchmal lässt sich eine in der Gesamtsicht sinnvolle und notwendige Vereinheitlichung im Markt nicht sofort umsetzen. Das war zum Beispiel beim Thema Einsatz von halogenierten Substanzen so, wofür wir die Guideline 122 erarbeitet haben. Dabei hat ACEA es sich zur Aufgabe gemacht, Leitplanken zu setzen, die den Weg zu einer einheitlichen Kommunikation aufzeigen.

Gleichzeitig war es wichtig, den technischen Sektoren und den dort aktiven Herstellern den Spielraum zu geben, die notwendige Veränderung längerfristig umzusetzen“, erklärt Schneider. Im Kern geht es in der Guideline 122 darum, die Aussage halogenfrei über die verschiedenen Produktbereiche hinweg vergleichbar zu machen.

Ein weiterer Schwerpunkt von ACEA ist die Beobachtung aktueller Entwicklungen im Bereich der Regulierung. Während Normen Anforderungen definieren und ihre Einhaltung mit wenigen Ausnahmen freiwillig ist, legen Gesetze Grenzen fest, die eingehalten werden müssen. Daher übernimmt ACEA auch die Rolle eines Frühwarnsystems und hilft, rechtzeitig allgemeine Standardisierungsprojekte zu initiieren, die dann technische Spezifikationen für gesellschaftlich relevante Themen bereitstellen. So können sich die TCs auf notwendige Schritte in der produktgruppenspezifischen Standardisierung vorbereiten.


Forscher im Labor, der über die digitalen Tablettendaten des chemischen Elements Brom Br berät
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Halogene: Herausfordernde Leistungsträger

Halogenverbindungen spielen eine wichtige Rolle in der Elektroindustrie. Zu finden sind sie unter anderem in Leiterplatten, Steckverbindern, elektrischen Kabeln, Lithium-Ionen-Akkus. Ihre vielfältige Einsatzfähigkeit verleiht ihnen sowohl nützliche als auch potenziell gefährliche Eigenschaften wie die Freisetzung giftiger Gase oder die hohe Umweltbelastung durch einen langsamen Abbauprozess.

Die Normung trägt wesentlich dazu bei, die Vorteile von Halogenen auch in Zukunft nutzen zu können und gleichzeitig Gefahren und potenziellen Schaden für Mensch und Umwelt gering zu halten.

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Wie Definitionen entstehen: Zum Beispiel Materialeffizienz

Ende 2023 erschien in IEC der erste Entwurf einer horizontalen Begriffssammlung zum Thema Circular Economy, wozu auch eine Definition des Begriffs Materialeffizienz zählt. Im Fokus derartiger Festlegungen steht immer die technische Seite, geschäftsseitige Fragestellungen bleiben außen vor. Die Definition muss also Marktspezifika ausreichend abbilden, technisch korrekt sowie weltweit regulativ passend sein.

Der vorliegende Entwurf umfasst 44 Seiten und sechs Kapitel, in denen jeweils zehn bis dreißig Konzepte zu jeder Phase des Produkts, zu organisatorischen Themen, Ressourcen-Arten, Recycling, Verlängerung der Lebensdauer etc. enthalten sind. Nach Fertigstellung werden diese Konzepte Teil des International Electrotechnical Vocabulary (IEV) der IEC und mit ihren Begriffsdefinitionen für alle TCs (Technical Committees) anwendbar sein. Der Weg zu solchen Definitionen umfasst viele Schritte und nimmt einige Zeit in Anspruch.

Nach einem Materialeffizenz-Workshop der ACEA in Shanghai 2019 war klar, dass es eine einheitliche Terminologie als Grundlage für die Entwicklung von Normen und Standards braucht. Die Herausforderung: Das Thema Materialeffizienz ist maximal querschnittlich, da immer mehr als ein TC betroffen ist. Daher wurde unter Leitung der ACEA-Vorsitzenden Solange Blaszkowski eine Joint Working Group mit verschiedenen TCs gegründet.

In verschiedenen Diskussionen wurde ermittelt, welche Aspekte für eine Definition benötigt würden, und in Arbeitsdokumenten erfasst. Danach entstand innerhalb von zweieinhalb Jahren der Entwurf des IEC 60050-193 für das IEV. Seit Ende 2023 läuft die Kommentierungsphase, in der nationale und technische Komitees ihre Inputs geben können. Danach erfolgen weitere Abstimmungsschritte. Andreas Schneider hält fest: „Im Normalfall liegt vom ersten Gedanken bis zum fertigen Dokument ein Zeitraum von etwa drei Jahren, je nachdem, wie viele Schleifen wir brauchen und wie aufwändig ein Thema ist.“

Wie ein gemeinsames Verständnis entsteht: Zum Beispiel Lebenszyklus

Concepts linked to product durability

Concepts linked to product durability

| IEC

Im Zuge der Definition des Begriffs Materialeffizienz wurden intensive Debatten geführt, um eine über den ganzen Lebenszyklus stimmige Beschreibung zu finden. Dafür musste auch ein gemeinsames Verständnis gefunden werden, welche Nutzungsoptionen ein Lebenszyklus umfasst. Andreas Schneider erklärt: „Wenn Sie ein altes Smartphone haben, das Sie nicht mehr selbst nutzen, aber nach einigen Jahren Ihrem Kind überlassen, so bleibt es im ersten Nutzungszyklus. Schafft aber ein Unternehmen seine Notebooks immer nur für ein Jahr an und verkauft sie danach an einen Dienstleister, so ist dies der Beginn einer zweiten Nutzung – obwohl das Produkt noch recht neuwertig ist.“

Um ein einheitliches Bild zu erarbeiten, wurde in vielen Sitzungen jeder einzelne Schritt diskutiert. Dabei wurden auch Fehler in alten Konzepten gefunden und korrigiert. Die Fragestellungen unter anderem: Ab wann funktioniert ein Produkt nicht mehr? Ist es nach der Reparatur noch im ersten Lebenszyklus? Ab wann geht es in die industrielle Aufarbeitung? Wird es partiell oder vollständig wiederverwertet? Wann ist End-of-Use im Vergleich zu End-of-Life erreicht? Das Ergebnis ist eine Grafik, die alle Schritte und möglichen Varianten sauber abbildet. Sie ist Bestandteil des Entwurfs 1/2588/CD:2023-12, Draft International Electrotechnical Vocabulary (IEV), Part 193: Circular economy and material efficiency.

Aber was bringt all diese Arbeit? Andreas Schneider erläutert: „Wir schaffen damit eine Basis für die Kommunikation, sodass weniger Missverständnisse auftreten und die TCs eine einheitliche Terminologie nutzen und somit effizienter arbeiten können. Wichtig ist auch, dass Ableitungen für Spezifikationen in allen Produktgruppen möglich sind, denn wir können nicht mehr isoliert denken. Früher war die Aufgabenstellung auf eine Produktgruppe beschränkt, aber heute ist die Vernetzung so groß, dass über die Systemgrenzen hinaus gedacht werden muss.“

Für Hersteller ist der Referenzcharakter solcher Begriffsdefinitionen und daraus abgeleiteter, einheitlicher Messstandards und Produktspezifikationen zentral, um den Aufwand für regionale Anpassungen von Produkten zu reduzieren. Denn das Ziel ist es, dass sich ein globales Produkt entwickeln lässt, das die Anforderungen an Produktsicherheit, Leistung, Bezahlbarkeit am Markt sowie Nachhaltigkeit erfüllt.

Bei der Arbeit an einem neuen Standard oder einer Überarbeitung ist darauf zu achten, dass neue technologische Entwicklungen oder Änderungen im Nutzungsverhalten direkt eingearbeitet oder spätestens direkt in einer Nachfolgeedition berücksichtigt werden. „Wir sehen, dass die Geschwindigkeit deshalb auch in der Standardisierung zunimmt. Um hier solide Standardisierungsarbeit zu unterstützen, hat ACEA den neuen Guide 121 (Securing credible environmentally relevant performance assessment methods in standards) entwickelt, der entsprechende Grundregeln für die Vertrauenswürdigkeit von Messstandards beschreibt. Das ist wichtig, um das hohe Tempo am Markt abzubilden und Entwicklungen zu begleiten.“


Baum wächst auf Computerplatine
weerapat1003 / Fotolia

Normungsgremium DKE/K 191 Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei Produkten in der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik

Im Normungsgremium werden Querschnittsnormen und Leitfäden zur umweltgerechten Gestaltung von Produkten der Elektrotechnik und Elektronik erarbeitet. Einen Schwerpunkt bilden hierbei Normen und Standards zur Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Auch das Thema „Re-use“, also die Behandlung von Elektronik-Altgeräten, welche für eine weitere Verwendung vorgesehen sind, wird von den Experten des Gremiums diskutiert.

Zum Normunsgremium DKE/K 191

Ausblick: Wo geht die Reise hin?

Die Wahrnehmung des ACEA in den TCs hat sich in den letzten Jahren verbessert und es gelingt, durch die Mitarbeit der Vertreterinnen und Vertreter der Nationalen Komitees der IEC die unterschiedlichen regionalen Blickwinkel gut zu integrieren. „Wir beobachten, dass die Guidelines von ACEA auch aus nationaler Sicht sehr positiv aufgenommen werden“, so Schneider.

Beim Thema Materialeffizienz wird es künftig darum gehen, die Fragestellungen in den TCs umzusetzen. Wo es der Koordination bedarf, wird ACEA diesen Prozess auch weiterhin begleiten. Zudem steht die Überarbeitung des Umweltguides 109 (Environmental aspects - Inclusion in electrotechnical product standards) an, der aktuell in der 3. Edition vorliegt und Anpassungen benötigt.

Ein anderes Thema, das in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, ist die Digitalisierung im Umweltbereich: Wie können Datensätze generiert und in ihrer Form vereinheitlicht werden, um durch ihre Auswertung zutreffende Schlüsse zu ziehen? Andreas Schneider resümiert: „Es gibt auch künftig sehr viele Dinge, die uns beschäftigen werden. In allem, was wir tun, müssen wir für Transparenz sorgen, denn nur so lässt sich sicherstellen, dass alle Stakeholder eingebunden sind und eine gute Lösung gefunden wird.“

Redaktioneller Hinweis:

Wir bedanken uns bei Andreas Schneider für seine inhaltliche Unterstützung.

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

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