Teil des Großen Hadronenbeschleunigers.
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31.08.2023 Kurzinformation

Teilchenbeschleuniger finden mehr Anwendung in der Industrie

Die Normung in Deutschland und auf internationaler Ebene aktiv

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Georg Vogel
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Auf die Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf (Large Hadron Collider (LHC), bis 2000 den Large Electron-Positron Collider (LEP)) schaut die ganze Welt. Auch deutsche Forscher und Institutionen beteiligen sich hier an verschiedenen Experimenten, darunter die vier großen LHC-Experimente ALICE, ATLAS, CMS und LHC-B, die unter anderem das Higgs-Boson entdeckt haben, das umgangssprachlich als "Gottesteilchen" bekannt ist.

In Deutschland gibt es mehrere Forschungsanlagen mit Teilchenbeschleunigern, darunter:

  • Das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY), das in Hamburg und Zeuthen mehrere Teilchenbeschleuniger betreibt. So zum Beispiel das PETRA III, das Synchrotronstrahlung für Experimente in den Bereichen Materialwissenschaften, Physik, Chemie, Medizin, Materialwissenschaft und Biologie erzeugt.
  • Die European XFEL GmbH, die zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein einen Freie-Elektronen-Laser betreibt. Basierend auf einem linearem Elektronen-Beschleuniger mit 17,5 GeV erzeugt dieser intensivste kurzpulsige Roentgen-Blitze für Anwendungen in Physik, Chemie, Medizin, Materialwissenschaft und Biologie.
  • Die Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), die in Darmstadt den Schwerionenbeschleuniger SIS18 betreibt, der für die Erforschung von schweren Ionen in der Kern- und Teilchenphysik verwendet wird. An der GSI werden die Beschleuniger auch zu medizinischer Tumor-Therapie und Instrumentenentwicklung genutzt.
  • ANKA am KIT in Karlsruhe: Mit beschleunigten Elektronen auf Kreisbahnen wird Synchrotronstrahlung erzeugt.

Anwendungsfälle in der Industrie nehmen zu. Und damit steigt das Risiko.

Jenseits der atemberaubenden Forschungen an den kleinsten bekannten Bausteinen der Materie finden Teilchenbeschleuniger Anwendung in der Industrie. Manche Produkte unterliegen einer wahren Miniaturisierung und werden immer feiner. Gleichzeitig werden Prüfanlagen handlicher und damit variabler für den industriellen Ansatz. Deshalb gibt es neuere und präzisere Möglichkeiten zur Materialprüfung mittels Strahlung als Röntgen- oder Gammastrahlung und radiometrische Verfahren. Das kann man sich in etwa so vorstellen, wie den Vergleich eines optischen Mikroskops, bei dem Lichtstrahlen an der Oberfläche reflektiert werden oder durch ein Material scheinen, mit einem Elektronenmikroskop, das das Abprallen oder das Durchlassen von Teilchen misst und sehr viel höhere Auflösungen erreicht als ein rein optisches Mikroskop.

Teilchenbeschleuniger haben vielfältige Anwendungsfälle in der Industrie, wie:

  • Materialuntersuchung oder -prüfung – zur Untersuchung von Materialien auf atomarer und molekularer Ebene: Diese Technik, bekannt als „strahlungsinduzierte Analyse“ oder „Ionenstrahl-Analytik“, ermöglicht die Charakterisierung von Materialzusammensetzungen, Dicken und Strukturen. Dies ist in der Halbleiterindustrie, der Automobilindustrie und anderen Bereichen von großer Bedeutung.
  • Materialmodifikation – um chemische Bindungen zu brechen oder neue Bindungen zu bilden: Diese Technik wird beispielsweise verwendet, um Oberflächeneigenschaften von Materialien zu verbessern, wie Härte, Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Solche modifizierten Materialien finden Anwendung in der Herstellung von Werkzeugen, Bauteilen und medizinischen Implantaten.

Dies sind nur einige Anwendungsbereiche in der Industrie, womit der Einsatz von Teilchenbeschleunigern im industriellen Sektor an Bedeutung gewinnt – und damit die Normung zur Sicherstellung der Sicherheit in der Herstellung und der Anwendung, sowie der Interoperabilität und Konformität.


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Zu Teilchenbeschleunigern gibt es bereits etablierte elektrotechnische Normen. Es gibt jedoch noch Handlungsbedarf.

So hat das DKE/K 967 zum Beispiel im August 2023 die Norm DIN EN IEC 62976 (VDE 0412-30):2023-08 veröffentlicht. Sie ersetzt die Ausgabe vom Dezember 2017 und gilt für Elektronenlinearbeschleuniger-Anlagen für die zerstörungsfreie Prüfung im Energiebereich von 1 MeV bis 15 MeV. Eingeschlossen ist Beschleunigerausrüstung für radiografische Filme, Computer-Radiographie mit Speicherfolien (CR), Echtzeit-Bildgebung (Real-time), digitale Matrixdetektoren (DDA) und industrielle Computer-Tomographie (CT). Die Norm wurde im Technischen Komitee TC 45 „Nuclear instrumentation“ der International Electrotechnical Commission (IEC) erarbeitet.

Durch die vermehrte Nutzung im industriellen Sektor fließen neue Faktoren in die Normung ein, die berücksichtigt werden müssen. Durch eine erwartete Verbreitung der Herstellung und Anwendung von Teilchenbeschleunigern müssen Normer davon ausgehen, dass nicht mehr nur bereits erfahrene Wissenschaftler und Elektrotechniker die Geräte nutzen und warten, die teils an der Konstruktion selbst beteiligt waren. Hierdurch ergibt sich ein erhöhtes Gefahrenpotential.

Die Arbeiten werden international in einer Arbeitsgruppe konzentriert

IEC TC 45 hat den Arbeitskreis „Particle accelerators“ gebildet, der neben der Weiterentwicklung der o. g. Norm auch eine ganze Reihe von zusätzlichen Themen adressieren soll. Sein Aufgabenbereich ist wie folgt definiert: Erarbeitung von Normen und Leitlinien bezüglich Beschleunigern geladener Teilchen für Forschung, Industrie, Landwirtschaft, Gesundheitswesen und den technologischen Austausch mit Schwerpunkt auf Eigenschaften und Prüfverfahren.

Als relevante Themen wurden benannt:

  • Supraleitende Protonen-Cyclotrone mit Energien von 200 MeV bis 400 MeV – Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren;
  • Regeln für den Strahlenschutz bei Teilchenbeschleunigern;
  • Norm für Elektronenbeschleuniger für die Bestrahlung;
  • Spezifikation für Betrieb und Wartung von Elektronenbeschleunigern für die Bestrahlung;
  • Norm für Elektronen-Linearbeschleuniger für die zerstörungsfreie Prüfung;
  • Spezifikation der Strahlungsabschirmung von supraleitenden Protonen-Cyclotronen;
  • Protonen-Cyclotrone mit hoher Leistung und variabler Energie von 15 MeV bis 30 MeV;
  • supraleitende Protonen-Cyclotrone mit Energien von 230 MeV bis 250 MeV.

Die DKE ermöglicht die Mitarbeit deutscher Experten in dem internationalen Arbeitskreis. Interessierte wenden sich bitte an Georg Vogel, Referent des DKE/K 967 „Mess-, Steuer- und Regelungstechnik im Zusammenhang mit ionisierender Strahlung“.

Redaktioneller Hinweis:

Die im Text aufgeführten Normen und Standards können Sie beim VDE VERLAG erwerben.

Zum VDE VERLAG

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