Frau mit Virtual Reality Brille
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07.06.2018 Fachinformation

Zurück in die Zukunft der Virtual Reality

Die Geschichte der Virtual und Augmented Reality geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Seitdem hat sich viel getan: Nie war die virtuelle Realität intensiver erlebbar als heute. Die Anwendungsbereiche scheinen unbegrenzt zu sein. Normung spielt in der Entwicklung eine zentrale Rolle.

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Von Natalie Mouyal

Der neue Film Ready Player One bietet einen Einblick in ein futuristisches Konzept einer eindringlichen virtuellen Realität. Der im Jahr 2045 angelegte Film erzählt die Geschichte eines verborgenen Spiels innerhalb einer verbundenen interaktiven Virtual-Reality-Plattform, in dem Spieler sich treffen können, um dem Elend ihres realen Lebens in den Slums der Städte zu entfliehen. Auch wenn dies heute noch nicht Wirklichkeit sein mag, ist es nicht weit von den Visionen der ersten Pioniere der Virtual Reality entfernt.

Auch wenn der Begriff „Virtual Reality" erst Mitte der 1980er Jahre Gegenstand öffentlicher Diskussionen wurde, existierte das Konzept bereits zuvor in der allgemeinen Vorstellung. Erste Forschungen im Bereich der 3D-Animation und des 360°-Blickfelds, simulierte Erlebnisse, virtuelle Welten und Head-Mounted-Displays (HMD) traten erstmals Ende der 1990er Jahre auf. Das Virtual-Reality-Erlebnis etablierte sich jedoch erst im 21. Jahrhundert mit der Einführung von Smartphones, leistungsstarker Computergrafik, Motion-Controllern und Computern mit Gestensteuerung.

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Die theoretischen Anfänge der VR

Virtual Reality begann mit fiktiver Literatur. Autoren transportierten ihre Charaktere in virtuelle Welten, die aus Sicht der heutigen Technologie prophetisch wirkten. In dem 1935 veröffentlichten Werk „Pygmalion's Spectacles", einer der ersten Kurzgeschichten, die sich mit virtueller Realität befassten, tragen die Charaktere Brillen, um "einen Film zu erleben, der neben Bild und Ton auch Geschmack, Geruch und sogar Berührung erleben lässt. […] Sie befinden sich in der Geschichte, Sie sprechen zu den Schatten und die Schatten antworten. Die Geschichte findet nicht auf der Leinwand statt, sondern dreht sich nur um Sie und Sie sind Teil von ihr."

Weitere Klassiker, die die Fantasie des Publikums anregten, waren Welt am Draht (1973) von Rainer Fassbinder, der Film Tron (1982), in dem ein Computerprogramm in einem Großrechner transportiert wird, Der Rasenmähermann (1992) und Matrix (1999).

Die erste wissenschaftliche Vision der Virtual Reality findet sich jedoch in dem 1965 von Professor Ivan Sutherland verfassten Essay The Ultimate Display. Es beschreibt ein „ultimatives Display", das mit einem Computer verbunden ist, um eine virtuelle Welt mit hörbarem und fühlbarem Feedback und der Möglichkeit, mit Objekten zu interagieren, zu erschaffen. Viele der hypothetischen Anregungen in diesem Essay, einschließlich gestengesteuerter Schnittstellen, Augensteuerung, Haptik, Augmented Reality und Spracherkennung, sind seither Wirklichkeit geworden.

Entwicklung von VR-Technologien

Erste Versuche, eine virtuelle Realität zu erschaffen, basierten auf Fotografie und Film. Mit einem 1838 von Charles Wheatstone entwickelten Stereoskop konnte der Betrachter ein 3D-Objekt wahrnehmen, indem er mit jedem Auge ein anderes 2D-Bild betrachtete. Diese Technologie ist auch heute noch relevant für Augmented-Reality-Anwendungen wie Google Cardboard, die stereoskopische Bilder auf einem Smartphone-Bildschirm überlagert.

Der Kinematograf Morton Heilig entwickelte Ende der 1950er Jahre das „Sensorama", mit dem der Betrachter in einen kurzen multisensorischen Film eintauchen konnte. Das Sensorama war ein mechanisches Gerät, das einem Arcade-Spiel ähnelte und dem Betrachter bewegliche 3D-Bilder, Gerüche, Vibrationen und taktile Empfindungen wie Wind vermittelte.

Ende der 1960er Jahre war es möglich, Elektronik in Virtual-Reality-Umgebungen zu integrieren. Ivan Sutherland entwickelte 1968 mit seinem Studenten Bob Sproull das „Sword of Damocles", das heute als erstes HMD-System gilt. Auch wenn die Benutzeroberfläche und die Bilder recht simpel waren, zeigte das System die Ausgabe eines Computerprogramms an und konnte die Augen und die Kopfposition des Benutzers verfolgen.

Die US-Regierung finanzierte durch ihr Verteidigungsministerium, die National Science Foundation und National Aeronautics and Space Administration (NASA) zahlreiche Projekte, die für die Entwicklung von Virtual-Reality-Technologien wesentlich waren. Die Forschungsbereiche umfassten Computergrafik, vernetzte Umgebungen und Simulation.

Edward Link entwickelte 1929 einen der ersten kommerziellen Flugsimulatoren, der später weithin vom US-Militär zur Ausbildung seiner Piloten im zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde. Während die ersten Flugsimulatoren noch auf mechanischen Systemen basierten, um Piloten Feedback zu liefern, erhöhte die Einführung elektronischer Systeme das Realitätsgefühl der Benutzer erheblich. Charles Comeau und James Bryan entwickelten 1961 das Headsight, um Soldaten in Gefahrensituationen zu schulen. Das System verband eine Fernübertragungskamera mit den Bewegungen des Kopfs des Benutzers.

Der Ingenieur Thomas Furness entwickelte Mitte der 1980er Jahre einen Helm für Militärpiloten, der Informationen auf einen raumgreifenden 3D-Bereich projiziert, die Piloten in Echtzeit sehen und hören können. Seine Arbeiten, die in den 1960er Jahren begannen, umfassten Bewegungsverfolgung, 3D-Ton und die Nutzung von Sprache und Gesten als Benutzereingaben. Um die sensorische Umgebung für Piloten weiter zu intensivieren, entwickelte Louis Rosenberg 1992 die Virtual Fixture Platform, die eine eindringliche 3D-Realität erzeugt.

Haptisches Feedback hielt mit der Anwendung von Telerobotik durch die NASA und in der Nuklearindustrie Einzug. Ein Master-Arm kontrollierte einen entfernten Slave-Arm – üblicherweise, um ein Raumfahrzeug zu steuern oder verstrahltes Material zu handhaben. Die von der Universität North Carolina in Chapel Hill unter der Schirmherrschaft des GROPE-Projekts entwickelten haptischen Systeme lieferten ebenfalls wichtige Erkenntnisse über die Nutzung von Master-Steuerungsarmen in Virtual-Reality-Anwendungen.

Verbraucherinteresse

Die Videospieleindustrie hat dazu beigetragen, die für Virtual Reality eingesetzten Technologien voranzutreiben und die öffentliche Fantasie anzuregen. Angeregt von der virtuellen Realität aus Büchern und Filmen, begannen Verbraucher in den 1980er und 1990er Jahren diese Technologien für sich zu entdecken. Geräte zur Erzeugung eines haptischen Feedbacks wurden erstmals kommerziell von der Firma VPL Research eingeführt, zu deren Team VR-Pioniere wie Jaron Lanier und Tom Zimmerman zählten. Die von dem Unternehmen entwickelten Geräte umfassten den Data Glove, das EyePhone und den Data Suit.

Die Spieleindustrie hatte in den 1990er Jahren begonnen, Virtual-Reality-Headsets und -Spiele wie etwa das VR-Headset und die Genesis-Konsole von Sega und Virtual Boy von Nintendo anzubieten. Die Firma Virtuality entwickelte ein Netzwerk aus Arcade-Computern, das Multiplayer-Spiele in einer eindringlichen Umgebung ermöglichte. Ende der 1990er Jahre wandelte sich der Hype um Virtual Reality jedoch in Enttäuschung und die Nachfrage unter den Verbrauchern schwand. Trotz dieser Rückschläge gedieh Virtual Reality weiter in der Spieleindustrie durch die Entstehung virtueller Gemeinschaften und Massively Multiplayer Online Roleplaying Games (MMORG).

Aktuelle VR-Anwendungen

Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Anwendungen florieren heute nicht nur in der Spiele- und Unterhaltungselektronikindustrie. Egal ob Bildung, Schulung, Produktion oder Gesundheitspflege – die Verbreitung solcher Anwendungen nimmt weiter zu.

In der Bildung können Schüler mit Objekten in einer 3D-Umgebung interagieren. Medizinstudenten können ausgebildet werden, indem sie 3D-Livestreams chirurgischer Eingriffe aus aller Welt verfolgen. Besucher können virtuell durch Kulturerbestätten wandern oder, wie im Fall des Kremer Museums, eine virtuelle Ausstellung besuchen. Ersthelfer werden durch scheinbar reale Katastrophenszenarien geschult und Bergleute lernen, Risiken zu erkennen, indem sie durch ein virtuelles Bergwerk gehen.

Auch Hersteller profitieren von Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen. Interaktive 3D-Modelling-Tools, wie sie von Automobil- und Eisenbahnherstellern verwendet werden, ermöglichen es den Konstrukteuren, ihre Produkte zu betrachten und zu testen, bevor die Produktion beginnt. HMD liefern Mitarbeitern zusätzliche nützliche Datenquellen für das Bestandsmanagement oder die Navigation in einem Lager. Bau-Teams können Daten sammeln, um Bedingungen in Echtzeit darzustellen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

In der Medizin werden Virtual-Reality-Anwendungen zur Therapierung von Kindern mit Autismus und als Hilfe bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen eingesetzt. Chirurgen nutzen optische Tools zur Vorbereitung einer Operation. Anwendungen ermöglichen es Ärzten, die Wahrnehmungen eines Patienten mit beeinträchtigtem Hör- und Sehvermögen nachzuempfinden.

IEC-Normen

Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Anwendungen nutzen Komponenten wie Bildschirme, Prozessoren, Bewegungssensoren, Kreiselkompasse, Kameras und Bilder, die mit Hardware wie beispielsweise Headsets verbunden sind. IEC Technical Committees (TC) und Subcomittees (SC) sind für die Entwicklung internationaler Normen verantwortlich, die die für diese Technologien verwendete Hardware und Software ermöglichen. Das Joint Technical Committee of IEC and ISO, ISO/IEC JTC 1, ist für die Normung in der Informationstechnologie zuständig. Insbesondere das ISO/IEC JTC 1/SC 24 entwickelt Normen für die Bildverarbeitung, Computergrafiken und Virtual Reality. IEC TC 47 und IEC SC 47F sind für die Normung von Sensoren und mikroelektromechanischen Systemen zuständig. IEC TC 100 entwickelt Normen, die zur Qualität und Leistung von Audio-, Video- und Multimediasystemen und -geräten beitragen, während sich das IEC TC 110 mit elektronischen Anzeigegeräten einschließlich Touchscreen-Bildschirmen befasst.

Wie geht es weiter?

Auch wenn uns der Film Ready Player One eine Andeutung einer möglichen Zukunft der Virtual Reality bietet, liegt diese Zukunft noch im Dunkeln. Den erfolgreichsten Anwendungen der jüngsten Zeit ist es gelungen, eine Augmented-Reality-Umgebung zu erschaffen – egal, ob es darum geht, Pokemons zu finden oder Lagerbestände nachzuverfolgen. Es ist jedoch noch nicht klar, wie wir in Zukunft virtuelle und reale Umgebungen kombinieren, und noch weniger, warum oder welche Schnittstellen erfolgreich Bestand haben werden. Möglicherweise liefert die Fiktion die besten Anregungen.

Redaktionelle Hinweise:
Der englischsprachige Originalartikel erschien erstmals im IEC-Newsletter Ausgabe 03/2018.

Die im Text aufgeführten Normen können Sie beim VDE Verlag erwerben.

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