Elektrische Energieeffizienz ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche Normung. So hat die EU-Ökodesign-Richtlinie großen Anteil daran, dass der Energieverbrauch allein bei Hausgeräten in den vergangenen Jahren um über 30 Prozent gesenkt werden konnte. Größenordnung: Jahresleistung eines größeren Kernkraftwerkes. Allerdings hat schon die erste Version der Normungsroadmap „Elektrische Energieeffizienz“ deutlich gemacht: Energieeffizienz wird zunehmend zur Systemaufgabe. Denn eine hocheffiziente Nutzung von Energie ist auf allen Stufen von der Erzeugung über den Transport und die Speicherung bis hin zum Verbrauch erforderlich. Möglich wird sie durch die intelligente Vernetzung aller Komponenten des Systems Energie. Die aktualisierte Normungsroadmap öffnet dazu neue Entwicklungspfade. Im Fokus: Energiewende, Sektorkopplung, Digitalisierung - und insbesondere ein systemischer Ansatz. Denn nur durch die Kombination von systemischem Ansatz und technischer Innovation lässt sich das gesamte Energieeffizienzpotenzial erschließen.
Elektrische Energieeffizienz: Die Chance liegt im System
Energiewende als Gesamtprojekt
Mit den Schwerpunkten Energiewende, Sektorkopplung und Digitalisierung greift die neue Normungsroadmap die großen Entwicklungstrends in der Energieversorgung auf. Mit der Energiewende wird die elektrische Energieversorgung dezentraler, und Energie fließt nicht mehr nur in eine Richtung. Die Stromverfügbarkeit wird stärker abhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. Um auch bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien einen sicherer Netzbetrieb zu gewährleisten, sind die Flexibilisierung von Stromerzeugung und -nachfrage sowie ein intelligentes Zusammenspiel von Stromerzeugung, Verbrauch und intelligenten Netzen nötig.
Herkulesaufgabe Sektorkopplung
Ein weiterer Entwicklungstrend ist die Sektorkopplung. Elektrische Energietechnik lässt sich heute nicht mehr isoliert betrachten. Vielmehr muss man sie im Zusammenspiel mit anderen Energiearten und Energieträgern bzw. verschiedensten Erzeugern, Speichern und Verbrauchern sehen. In Zukunft wird es in den Bereichen Verkehr und Energie vermehrt zum Einsatz von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und Elektrodenkesseln kommen. Auf diese Weise können nach und nach fossile Brennstoffe durch elektrische Energie substituiert, die Energieeffizienz gesteigert und CO2-Emissionen gesenkt werden. Durch die Vernetzung von Strom-, Wärme- und Mobilitätsektor (Sektorkopplung) lassen sich auch Stromüberschüsse in Zeiten eines Überangebotes speichern bzw. anderweitig als Power2X nutzen, z. B. in Form von Power2Heat, Power2Gas oder Power2Fuel/Liquid. Damit wird das Zusammenspiel der verschiedenen Teile und Sektoren des Energiesystems, insbesondere die Verzahnung von Strom, Wärme und Mobilität, zu einem entscheidenden Faktor für das Gelingen der Energiewende. Hier eröffnet sich auch für die elektrotechnische Normung ein weites Feld. Denn die Zukunftsaufgaben der Systemnormung gehen weit über die klassische Elektrotechnik und die Normung von Einzelkomponenten hinaus.
Energieeffizienz durch Digitalisierung
Sowohl der Umbau des Energieversorgungssystems als auch die Sektorkopplung wären ohne Digitalisierung und intelligente Vernetzung nicht möglich. Energiewende, Smart Home, Smart Grid, Smart Metering und das „Internet of Things“ verändern die Welt der Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung – und erschließen neue Potenziale für die Energieeffizienz. Die entstehende „smarte Welt“ öffnet neue Wege, den Energieverbrauch zu optimieren. Insbesondere können smarte vernetzte Geräte ihre Sensorik nutzen, um ihre Aufgabe energieeffizient zu erfüllen.
Zukunftsaufgabe Systemnormung
Ein systematischer Ansatz zur Optimierung der Energieeffizienz ist sowohl mit – sektorübergreifendem – Blick auf die Energieversorgung insgesamt als auch mit Blick auf Teilsysteme geboten. Die Herausforderung für die Normung heißt damit: Übergang von der Produkt- zur Systemnormung. Das gilt besonders für die Entwicklung von Normen, die elektrische Energieeffizienz gesamtheitlich betrachten, z. B. bei netzgekoppelten Photovoltaik-Systemen mit Wechselrichter, Batteriespeicher, Wärmepumpe, E-Mobility-Ladestation und im Prinzip beliebig vielen weiteren Komponenten. Gerade bei Systemen und Anlagen gibt es noch ungenutzte Potenziale. Allein im Industriebereich ließen sich zum Beispiel mit Energiemanagement-Systemen oder effizienten und drehzahlgeregelten Motoren mindestens 200 TWh Energie im Jahr einsparen – rund 30 Prozent des gesamten Energiebedarfs der deutschen Industrie.
Die Herausforderung für die Normung: der Übergang von der Produkt- zur Systemnormung.
| DKESysteme und Anlagen sind in den meisten Fällen Einzelstücke. Die Steuerungssoftware wird genau auf deren Bedarf angepasst. Bei der Softwareerstellung wird somit die Effizienz mitbestimmt. Bei der Effizienzbetrachtung von Systemen und Anlagen liegt noch ein erheblicher Normungsbedarf vor. Beispielsweise lassen sich durch die Steuerung, Regelung und automatische Schaltung von Elektroanlagen und -geräten sowie der Beleuchtung weitere Steigerungen erzielen. Für die Normung bedeutet dies zum Beispiel, dass die neue EU-Verordnung 801/2013 zur Energieeffizienz von Netzwerkgeräten sowie intelligenten Haushalts- und Bürogeräten eine interdisziplinäre Behandlung erforderlich macht.
Verbraucher mitnehmen, Gesetzgeber einbinden
Klar ist aber auch: Wer Energieeffizienzsteigerungen will, muss den Verbraucher mitnehmen. Der beste Beweis dafür ist der Erfolg des Energielabels. Das heißt: Verbraucherrelevanz ist und bleibt eine wichtige Herausforderung für die Normung und Regulierung. So ist etwa in der Waschmaschinennorm eine große Auswahl an zu untersuchenden Waschprogrammen beschrieben. Als Kompromiss zwischen Praxisrelevanz, Verbraucherverhalten und Prüfaufwand wurden in der Verordnung die zwei am häufigsten genutzten Waschprogramme mit unterschiedlichen Beladungen für das Energielabel ausgewählt und daraus der Energieeffizienzindex ermittelt. Somit liefert die Prüfung nach Norm Ergebnisse, deren Zusammenfassung und Bewertung durch die Gesetzgebung erfolgt. Die Verbraucherrelevanz von Energieeffizienzindizes ist daher nicht nur eine Herausforderung für die Normung, sondern auch der Regulierung.
Wanted: Blogger für die e-diale e-Efficiency
Systemnormung heißt auch: enge Zusammenarbeit zwischen allen Betroffenen, Experten und interessierten Kreisen – disziplinen-, branchen- und sektorenübergreifend. Vernetzt, digital, elektrisch. Neben den Arbeiten in unserem zuständigen DKE-Arbeitskreis nutzen wir zusätzlich verschiedene Social-Media-Kanäle (XING, LinkedIn, Twitter). Denn wir wollen gerade die E-dialisten der „Next Generation“ ansprechen, um die Welt energieeffizienter zu machen – und auch um die Effizienz und Systemkompetenz unserer Normung weiter zu optimieren.
Welche Herausforderungen und Trends in der Energieeffizienz sehen Sie? Welche Wünsche haben Sie an die Systemnormung und an innovative, energieeffiziente Technologien, Systeme und Konzepte? Und welche Ideen würden Sie gerne weiterentwickeln? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar und auf Ihre Mitarbeit.
Ihr Normungsmanager
Frank Steinmüller
Interview mit Manfred Weiss
Manfred Weiss, Vorsitzender der Normungsroadmap Elektrische Energieeffizienz (EEE), spricht über die Rolle der Elektrotechnik beim Thema Energieeffizienz, Normung in Bezug auf den Systemgedanken und praktische Beispiele der Zukunft.
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Interessiert an Energieeffizienz?
Energieeffizienz ist eine Säule der globalen Entwicklungsziele. Die Anerkennung der Bedeutung der Energieeffizienz bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen spiegelt einen Paradigmenwechsel wider, da sowohl die Versorgungs- als auch die Nachfrageseite gleichermaßen berücksichtigt werden. Energieeffizienz wird nicht mehr länger nur „gemessen und geschätzt als die negative Menge an nicht verwendeter Energie".
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