Medizinische Geräte für Ultraschall
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27.04.2020 Fachinformation

Kann man gebrauchten Medizinprodukten vertrauen?

Bildgebende Medizingeräte sind in der Neuanschaffung teuer. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach erschwinglichen und zuverlässigen Produkten. Die Wiederaufbereitung solcher Geräte kann eine Lösung sein. IEC 63077 legt dafür das Verfahren zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und Sicherheit fest.

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Von Natalie Mouyal

Eine neue Norm, IEC 63077, die das Verfahren zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und Sicherheit von wiederaufbereiteten bildgebenden Medizingeräten festlegt, wurde veröffentlicht.

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen auf der ganzen Welt. Da die Gesellschaft älter wird und Gesundheitsdienste einer größeren Anzahl an Personen zugänglich sind, steigt die Nachfrage nach Dienstleistungen.

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Marcel Walter

Die Maximierung des Wertes der Medizingeräte durch Wiederverwendung kann eine Möglichkeit zur Senkung der Kosten darstellen. Eine Wiederaufbereitung bietet ein Verfahren zur Sicherstellung, dass gebrauchte Medizingeräte den Spezifikationen des Herstellers entsprechen.

Die IEC hat kürzlich eine neue Norm, IEC 63077, Good Refurbishment Practices for Medical Imaging Equipment, veröffentlicht, die ein systematisches Verfahren zur Wiederaufbereitung gebrauchter bildgebender Medizingeräte festlegt. Die Sicherheit und die Leistung des Medizingeräts kann sichergestellt werden, ohne die Leistungsfähigkeit, die Sicherheitsspezifikation oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu beeinträchtigen. IEC - SC 62B: Diagnostic imaging equipment, hat diese Norm auf der Grundlage einer Branchenspezifikation erarbeitet.

Markus Braun, Projektleiter der Arbeitsgruppe 53, die für die Erarbeitung dieser Norm verantwortlich war, hat viele Jahre an der Normungsarbeit zu wiederaufbereiteten Medizingeräten mitgewirkt.

Er hat beobachtet, dass „Sicherheit und Leistungsfähigkeit die wichtigsten Aspekte sind, die bei Medizingeräten zu berücksichtigen sind und sich dies bei erneuter Verwendung gebrauchter Medizingeräte nicht unterscheidet. Die Wiederaufbereitung ist eine Methode, um sicherzustellen, dass die Sicherheit und Leistungsfähigkeit gebrauchter Geräte weiterhin sichergestellt wird, wenn sie von einer medizinischen Einrichtung zu einer anderen wechselt.“

Für wiederaufbereitete bildgebende Medizingeräte, zu denen Röntgen-, Computertomographie- (CT), bildgebende Kernspintomographie- (MRI) und Ultraschallgeräte zählen, sind beträchtliche finanzielle Investitionen erforderlich. Nach Braun „ist es für komplexe und teure Ausrüstung sinnlos, die gesamte dafür aufgebrachte Arbeit und den damit verbundenen Wert zu verschwenden. Im Allgemeinen können solche Geräte benutzt werden, solange eine Unterstützung durch den Kundendienst vorhanden ist.“

Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft-Grafik zeigt den Einfluss von Produktion, Recycling, Vermarktung und Konsumenten.

Konzept der Kreislaufwirtschaft

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Es erwacht ein Interesse an einem Kreislaufwirtschaftsmodells (Circular Economy), für das eine Änderung der aktuellen Produktion und des Verbrauchs erforderlich ist.

Dahinter steht eine Neubewertung des Ressourcenmanagements über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, angefangen von der Gestaltung eines Produkts über dessen Nutzung, Reparatur, Wiederaufbereitung bis schließlich zum Recycling seiner Materialien.

Die Europäische Union hat einen Wechsel zur Kreislaufwirtschaft gefördert, da sie einen wirtschaftlichen Vorteil für die Region erzeugen und sich dabei der Ressourcenverschwendung bewusst bleiben möchte.

In einem unlängst veröffentlichten Bericht hat sie bemerkt, dass wiederaufbereitete Medizingeräte in der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden können, da sie „dazu beitragen können, Zugang einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität zu schaffen und das Wirtschaftswachstum anzuregen und dabei Ressourcen zu schonen.“

In Europa wurden zahlreiche Initiativen ergriffen, die den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft dadurch erfüllen, dass sie Produkte so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf halten. Bestehende Verordnungen für Medizinprodukte sehen jedoch strenge Regeln zur Sicherheit der Ausrüstung vor. Die in IEC 63077 festgelegten Prozesse bereiten bildgebende Medizingeräte auf eine zukünftige medizinische Verwendung vor. Dadurch kann das Gerät im Wirtschaftskreislauf bleiben, wobei die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit entsprechend des gesetzlichen Rahmens für Medizinprodukte sicherzustellen ist.


Nachhaltigkeitskonzept, dargestellt mit Sprechblasenstickern
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Circular Economy – Normung als Rückgrat einer nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Produktion

Die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) ist das Gegenmodell zur Linearwirtschaft, die seit Beginn der Industrialisierung die weltweiten Wirtschaftsmodelle dominiert hat. Ziel dieser Circular Economy ist eine Erhöhung der Ressourceneffizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere mit Blick auf die endlichen Ressourcen des Planeten.

Normen und Standards helfen dabei, dieses Ziel schon bei der Produktion zu berücksichtigen.

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Geschichte der Norm

IEC 63077 ist der letzte Meilenstein in einem Prozess, der vor mehr als 10 Jahren begonnen hat. „Es begann mit einer Vereinbarung zwischen internationalen Branchenverbänden, ein Dokument zu entwickeln, in dem die grundlegenden Anforderungen für die Wiederaufbereitung dargestellt werden. Ziel war es, sicherzustellen, dass die wiederaufbereiteten bildgebenden Medizingeräte sicher sind und gleiche Leistungsfähigkeit wie im Neuzustand aufweisen."

Ohne solche geltenden Anforderungen wurden der Import wiederaufbereiteter Medizingeräte von vielen nationalen Aufsichts- oder Genehmigungsbehörden aufgrund von Zweifeln an Qualität und Sicherheit verboten. Nach Braun „konnten diese Verbote in der Regel nicht zwischen hochwertiger Wiederaufbereitung anhand der Spezifikationen des ursprünglichen Herstellers und gebrauchter Ausrüstung unbestimmter Qualität unterscheiden, sodass Patienten der Zugang zu sicheren und wirtschaftlichen Medizingeräten verwehrt werden konnte.

Die Europäische Wirtschaftsvereinigung für die elektromedizinische Industrie (COCIR) hat den Bedarf einer Auseinandersetzung mit der Gesetzeslücke zur Wiederaufbereitung erkannt. Im Jahr 2007 hat sie ein Grünbuch herausgegeben, das 2010 von einer sogenannten COCIR-Industrienorm mit dem Titel „Good Refurbishment Practices“ gefolgt wurde.

Die Industrienorm wurde zudem vom US-amerikanischen Verband für medizinische Bildgebung Medical Imaging & Technology Alliance (MITA), einer Abteilung der National Electrical Manufacturers Association (NEMA), übernommen und der IEC eingereicht, wo sie im Jahr 2016 als Publicly Available Specification (PAS) herausgegeben wurde.

Im Oktober 2017 wurde ein neues Normungsvorhaben vom Nationalen Komitee der USA vorgeschlagen, um eine Änderung der IEC PAS 63077 in eine normative Norm anzustoßen. Mithilfe Ihres Wissens über die Qualitätssicherung bei Wiederaufbereitungen haben die Experten der Arbeitsgruppe 53 den Normungsprozess für IEC 63077 in weniger als zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen. Die Arbeitsgruppe 53 hat von der Unterstützung durch die Japan Medical Imaging and Radiological Systems Industries Association (JIRA) profitiert.

Bei IEC 63077 wurden auch ISO-Normen berücksichtigt wie die im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement (ISO 13485) und Risikomanagement (ISO 14971).


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Ein wachsender Markt

Die Wiederaufbereitung bildgebender Medizinprodukte ist seit fast zwei Jahrzehnten bewährte Praxis.

Analysten zufolge wächst der Markt für wiederaufbereitete Medizingeräte und wird 2024 bei über 16 Milliarden US-Dollar liegen. Der nordamerikanische Markt, der von den Vereinigten Staaten und Kanada gebildet wird, ist der größte Markt für wiederaufbereitete Medizinprodukte und soll Schätzungen zufolge in den nächsten Jahren rasant wachsen.

Nach Braun „bedient die Wiederaufbereitung die hohe Nachfrage nach erschwinglichen und zuverlässigen Produkten. Kunden wiederaufbereiteter bildgebender Medizingeräte sind nicht nur kleine Krankenhäuser mit eingeschränkten Budgets, sondern auch führende medizinische Einrichtungen. Die Aufbereitung ist ein fester Bestandteil der globalen Gesundheitswirtschaft.“

Als internationale Norm ermöglicht IEC 63077 Unternehmen, über einen Auditprozess zur Überprüfung der Integrität des Wiederaufbereitungsverfahrens zertifiziert zu werden. „Diese Norm soll Regulierungsbehörden Vertrauen in die etablierten Prozesse bei der Wiederaufbereitung geben“, so Braun.


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