Mensch virtuell am Stuhl
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04.02.2020 Fachinformation

Digitale Modellierung von Menschen

Sofia Scataglini beschäftigt sich im Rahmen ihrer Forschung mit der digitalen Modellierung von Menschen und deren Haltung. Sie ist Expertin im internationalen Normungskomitee TC 124, war IEC Young Professional 2018 und hat kürzlich ein Buch veröffentlicht. Im Interview mit IEC e-Tech spricht sie über ihre Arbeit im Expertengremium, den Nutzen ihres Buchs für die Normung und die von ihr gegründete Initiative DHMW.

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Von Natalie Mouyal

Die digitale Modellierung von Menschen (DHM) bietet eine virtuelle Darstellung des Menschen und seines Verhaltens.

Als akademisches Forschungsgebiet, das Technologie und Design verbindet, hat DHM in jüngster Zeit das Interesse der Industrie geweckt.

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Janina Laurila-Dürsch
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DHM kann zum Beispiel Crashtest-Dummys ersetzen, um Ingenieure bei der Bestimmung der Sicherheit von Fahrzeugen zu unterstützen. Produktentwickler können DHM zur Integration von menschlichen Modellierungsfunktionen verwenden. Ein Produkt kann im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Haltung von Menschen sowie auf seine Auswirkungen auf die Reichweite und die Sichtbarkeit einer Person, wenn es von dieser verwendet wird, bewertet werden. In der Medizin kann DHM die Untersuchung von Bewegungen oder die Planung von chirurgischen Eingriffen unterstützen.

Sofia Scataglini, Fachkraft aus IEC/TC 124 (Spiegelgremium: DKE/K 802) zu tragbaren elektronischen Geräten und Young Professional 2018, hat ein neues Buch zur digitalen Modellierung von Menschen veröffentlicht.

Scataglini ist eine Gastprofessorin an der Fakultät für Designwissenschaften der Universität Antwerpen und auch Forscherin an der königlichen Militärakademie der belgischen Armee und am Militärkrankenhaus Königin Astrid. Sie ist ein Gründungsmitglied von Digital Human Modelling by Women (DHMW), einer Gruppe zur Förderung von Frauen, die weltweit in den Bereichen Design und Technologie forschen.

Interview mit Sofia Scataglini

e-Tech: Erzählen Sie uns mehr über Ihre aktuelle Forschung.

Scataglini: Im Rahmen meiner Forschung betrachte ich die digitale Modellierung von Menschen und die Haltung. Mein Schwerpunkt liegt auf tragbaren Sensoren, physikalischer Ergonomie sowie auf Design, das auf menschliche Gesundheit angewendet wird.

DHM ist die Wissenschaft der Darstellung von Menschen mit ihren physikalischen Eigenschaften, Merkmalen und Verhaltensweisen in rechnergestützten, virtuellen Modellen. Diese Modelle können eigenständig oder in Verbindung mit anderen rechnergestützten Systemen zum Design von Objekten verwendet werden. Sie dienen der Entwicklung oder der Untersuchung von Designs, Arbeitsplätzen oder Produkten in ihrer Beziehung zu Menschen.

e-Tech: Sie haben vor kurzer Zeit ein Buch mit dem Titel „DHM and Posturography“ veröffentlicht. Wie kann es Normungsfachleuten helfen?

Scataglini: Mein Buch, das ich zusammen mit Gunther Paul herausgegeben habe, untersucht die aktuelle Forschung zur digitalen Modellierung von Menschen und ihre Anwendung in der Ergonomie und der Posturographie. Es bietet eine Übersicht über die Werkzeuge für die Simulation von Menschen mit detaillierten Informationen zur Haltung und zu posturalen Interaktionen. Es beinhaltet auch Fallstudien mit Informationen aus der Praxis für Fachleute, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können.

Ich habe die Bedeutung von Normen an Hochschulen aktiv beworben. Zum Beispiel habe ich im Buch und seinem Glossar genormte Terminologie verwendet. Terminologie ist tatsächlich von wesentlicher Bedeutung für die Bereitstellung von vereinbarten Definitionen, zur Verringerung von Mehrdeutigkeit und zur Verbesserung der Genauigkeit.

In diesem Buch finden Sie ein spezifisches Kapitel über die Gestaltung intelligenter Kleidung mit Hilfe der digitalen Modellierung von Menschen sowie ein Kapitel über Normung und Normen.

Ich bin der Meinung, dass die Normung im akademischen Bereich eingeführt werden sollte, um den Studenten die Bedeutung von Normen bewusst zu machen und sie zu zukünftigen Experten zu machen, wodurch ein kontinuierlicher Technologie- und Wissenstransfer geschaffen wird.


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e-Tech: Wie sind Sie am IEC TC 124 beteiligt und wie bezieht es sich auf Ihre Forschung?

Scataglini: TC 124 befasst sich mit der Normung im Bereich der tragbaren elektronischen Geräte und Technologien, die patchbare Materialien und Geräte, implantierbare Materialien und Geräte, einnehmbare Materialien und Geräte, elektronische Textilmaterialien und -geräte usw. umfassen.

Die vier Arbeitsgruppen des TC 124 haben Auswirkungen auf meine Arbeit.

Die WG1 erstellt Terminologiedefinitionen für tragbare elektronische Geräte und Technologien, die für Forschung und Anwendungen im akademischen und industriellen Bereich wichtig sind, insbesondere in neuen Bereichen wie tragbare Technologie und intelligente Kleidung. Als Forscherin sind mir verschiedene Definitionen für denselben Begriff begegnet, und das kann zu Verwirrung führen. Die Möglichkeit zur Normierung der Begriffe zu haben verringert die Mehrdeutigkeit und verbessert die Genauigkeit.

WG2 entwickelt Mess- und Bewertungsverfahren für Textilmaterialien und -geräte sowie Systeme mit elektrotechnischen Funktionen. Dieser Bereich hat einen direkten Bezug zu meiner Forschung. Als Teil dieser Arbeitsgruppe kann ich mein Wissen teilen und gemeinsam mit Fachleuten aus der ganzen Welt lernen und zusammenarbeiten.

WG3 beschäftigt sich mehr mit Materialien. Parameter, wie etwa Elastizität, Waschbarkeit, Funktionalität und Nachhaltigkeit, müssen berücksichtigt werden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Technologie immer intelligenter wird.

WG4 entwickelt Normen zur Konnektivität und Haltbarkeit von tragbaren Geräten sowie zur Integration mit anderen Systemen und Diensten. Wir müssen das Ökosystem des Gesundheitswesens überdenken, und wir müssen dafür sorgen, dass die für E-Health genutzten Technologien für alle sicher und geschützt sind.


Gesundheitsapp auf einer Smart Watch
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Expertengremium DKE/K 802 Wearables

Das Expertengremium DKE/K 802 beschäftigt sich mit Normungs- und Standardisierungsaktivitäten im Bereich von anhaltend am Körper tragbaren elektronischen Geräten und Technologien, die Materialien, Bestandteile und Geräte beinhalten, welche am Körper angeheftet, implantiert und/oder eingenommen werden können.

DKE/K 802 stellt den nationalen Spiegel zu IEC/TC 124 und den europäischen Aktivitäten dar.

Zum Expertengremium DKE/K 802

e-Tech: Welche Erfahrung haben Sie im letzten Jahr als Young Professional gemacht?

Scataglini: Ich habe im letzten Jahr als YP-Vertreter für Belgien am „Young Professional“-Programm teilgenommen. Ich möchte dem CEB-BEC für die Unterstützung und diese großartige Chance danken.

Dank dieser Erfahrung hatte ich die Gelegenheit, an der Plenartagung des TC 124 teilzunehmen und Mitglieder des Komitees zu treffen. Wir haben Ideen ausgetauscht und Möglichkeiten für die zukünftige Zusammenarbeit entwickelt.

Damals erhielt ich einen Preis des CEB-BEC, mit dem mir als Expertin unter 35 Jahren gedankt wurde.

e-Tech: Warum haben Sie die Gruppe „Digital Human Modelling by Women“ (DHMW) gegründet?

Scataglini: Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines der Hauptthemen, die die Bevölkerung betreffen. Ich möchte mich für die Förderung von Frauen in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen, Kunst und Design sowie Mathematik (STEAM) einsetzen. Ich denke, Normung und die IEC müssen die Beteiligung von mehr Frauen in diesem Bereich fördern. Dies ist von der Schule bis zur Universität und in der Industrie möglich.

Diese Gruppe startete 2017 während eines DHMW-Frühstücks im Rahmen des 5. Internationalen DHM-Symposiums am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) in Deutschland.

Die Gruppe wächst stetig, aber wir brauchen mehr Unterstützung. In diesem Jahr organisierten wir das erste internationale DHWM-Symposium während der 10. International Conference on Applied Human Factors and Ergonomics (AHFE 2019) and the Affiliated Conferences in Washington. Es wird geplant, ein weiteres Symposium während der 11. AHFE 2020 in San Diego abzuhalten.

Ich bin der Meinung, dass die IEC ein Mentorenprogramm einrichten oder spezielle Veranstaltungen organisieren sollte, um mehr Frauen in die Normung und Konformitätsbewertung einzubeziehen.


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