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17.08.2020 Fachinformation

Normungs- und Konformitätsbewertungsarbeit während der Coronavirus-Krise

Mike Wood ist Vorsitzender vom Technischen Komitee 106 der IEC. Im Interview mit e-Tech, dem Online Magazin von IEC, spricht Wood über die Herausforderungen von Online-Normungstreffen und verrät einige der Erfolge aus den vergangenen Monaten.

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Eine Priorität für Unternehmen und andere Organisationen weltweit während der Coronavirus-Krise in diesem Jahr ist die Minimierung der Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit bei gleichzeitiger Fortsetzung der Arbeit, um Beeinträchtigungen der Wirtschaft einzuschränken.

Die IEC ihrerseits hat neue Wege gefunden, um mit einem internationalen Netzwerk von mehr als 20.000 Experten zusammenzuarbeiten, um die wichtige Normungs- und Konformitätsbewertungsarbeit fortzusetzen.

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Kai Jagielski
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IEC-Experten treffen sich in der Regel mehrmals im Jahr persönlich in zahlreichen Komitees und Arbeitsgruppen. Diese Treffen festigen jedoch nicht nur die Arbeitsbeziehungen, sondern helfen ihnen auch dabei, Konsensentscheidungen zu treffen.

Mike Wood, der in der Nähe von Melbourne, in Australien, tätig ist, ist hierfür ein gutes Beispiel. Wood ist Vorsitzender des Technischen Komitees 106 der IEC (Spiegelgremium: DKE/K 764). In seiner täglichen Arbeit ist er als „Principal for EME Strategy, Governance and Risk Management“ tätig. Die Dutzenden von Experten im TC 106 bereiten internationale Normen für Mess- und Berechnungsverfahren zur Beurteilung der Gefährdung des Menschen durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder vor.

In einem aufschlussreichen Interview gewährt Wood einen seltenen Blick hinter die Kulissen. Er nennt einige der Herausforderungen, mit denen die Experten derzeit konfrontiert sind, darunter die sehr unterschiedlichen Situationen in den vielen einzelnen Ländern, in denen sie tätig sind. Wood erklärt auch, wie das Technische Komitee den Schwerpunkt auf die Unterstützung seiner Mitarbeiter legte und versuchte, seine Sitzungen sozialer zu gestalten. Er ruft außerdem andere Vorsitzende und Sitzungsleiter auf, über ihre Erfahrungen zu berichten.

Interview mit Mike Wood, Vorsitzender von IEC/TC 106

IEC e-Tech: Die Pandemie hat massive Auswirkungen auf das Reisen und die Art und Weise, wie wir unserer Arbeit nachgehen. Was sind die besonderen Herausforderungen beim Leiten einer Online-Sitzung?

Wood: Viele Technische Komitees und Teams sind darauf angewiesen, sich mehrmals im Jahr persönlich zu treffen. Die Online-Sitzungen bauen darauf auf, jedoch sind die guten Beziehungen zueinander schon hergestellt. Wenn man eine reine Remote-Sitzung durchführt und leitet, kann man den Raum nicht so gut lesen, da kein Blickkontakt besteht. Die Teilnehmer sind vielleicht nicht so stark involviert. Man spricht eigentlich nur über technische Inhalte, kann aber keinen richtigen persönlichen Kontakt aufbauen.

Bei einer Videoverbindung kann man zumindest die anderen Teilnehmer sehen, die sich dann auch stärker mit den Inhalten befassen. Aber natürlich kann man keine Kaffeepause einlegen oder sich für ein persönliches Gespräch zusammensetzen. Es gestaltet sich schwierig, die Sitzung so zu strukturieren, dass man sich mit bestimmten Themen befasst, eine Pause einlegt, einige Themen streicht und dann auch noch weitere persönliche Gespräche führt.

Der Vorteil von persönlichen Sitzungen vor Ort ist, dass man eine Reihe von verschiedenen Aspekten seiner Arbeit auf unterschiedliche Weise ansprechen kann. Bei reinen Online-Sitzungen läuft das komplett anders ab. Für gewöhnlich liegt der Fokus bei Online-Sitzungen auf einem oder zwei bestimmten Bereichen. In der Situation in diesem Jahr bleibt uns jedoch keine Wahl. Wir müssen herausfinden, was besser und was weniger gut funktioniert. Was für bestimmte Arbeitsgruppen gut funktioniert, klappt bei anderen vielleicht nicht ideal.


Videokonferenz
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IEC e-Tech: Sie haben dieses Jahr Ihre erste technische Online-Sitzung durchgeführt. Was hat für Sie gut funktioniert?

Wood: Ja, ursprünglich hätten wir alle im April in Kanada tagen sollen, aber wir haben die Sitzungen der Arbeitsgruppen und Projektteams so umgestellt, dass sie in derselben Woche stattfinden, jedoch alle online. Einer der besten Teile davon war eine virtuelle Kaffeepause in einer der größeren Arbeitsgruppen, bei der wir für 15 oder 20 Minuten die Sitzung unterbrachen und uns einfach in der Gruppe unterhielten. Daran nahmen etwa 30 Personen teil und wir unterhielten uns so als würden wir nebeneinandersitzen. Dabei haben wir nicht unsere Arbeit geteilt, sondern lediglich unsere Erfahrungen an unseren Standorten ausgetauscht. Man konnte spüren, wie sich der Raum erhellte und sich die Anspannung in den Gesichtern löste. Im Anschluss daran hat sich auch die Atmosphäre in der Sitzung verändert, da sich die Sitzungsteilnehmer viel mehr in den ganzen Prozess eingebracht haben.

Kompliment an den Leiter dieser Sitzung, die Atmosphäre war wirklich sehr angenehm. Ich habe auch schon an Sitzungen teilgenommen, bei denen nur über technische Inhalte gesprochen wird. Dabei kann schnell die Konzentration verloren gehen. Es wird gewisse Dinge geben, die sehr gut funktionieren, während andere Dinge weiterhin große Herausforderungen darstellen werden. Als Sitzungsleiter müssen wir den Raum lesen und die Struktur der Sitzung verstehen, damit wir alle Teilnehmer einbinden können.

IEC e-Tech: Was ist beim Einbinden aller Teilnehmer das häufigste Problem, auf das Sie dabei stoßen und wie sieht die Lösung aus?

Wood: Wenn es viele Teilnehmer gibt, muss man auch ein Auge für diejenigen haben, die nicht sprechen. Manche, für die Englisch nur eine Zweitsprache ist, tragen bei Online-Sitzungen vielleicht nicht so viel bei. Das ist anders als in persönlichen Sitzungen vor Ort, bei denen man mehrere Diskussionsrunden haben kann.

Ich glaube aber, dass wir alle noch viel dazulernen werden. Eine der Gruppen, die ich in Bezug auf diese Art von Szenarien besonders hervorhaben will, sind unsere IEC Young Professionals, denn sie sind online aufgewachsen und haben auch zuvor schon viel online gearbeitet. Von ihnen werden wir eine Menge lernen können. Als Vorsitzende müssen wir miteinander sprechen, funktionierende Ideen entwickeln und uns auf die Aspekte konzentrieren, die uns in diesem Jahr wirklich helfen werden.

IEC e-Tech: Liege ich richtig in der Annahme, dass Projektarbeit unproblematischer ist, da Sie hier bereits in der Vergangenheit viel online gearbeitet haben?

Wood: Das stimmt, da sind wir bereits erprobt. Man hat bestimmte Aufgaben und ergreift entsprechende Maßnahmen. Dabei führt ein Schritt zum nächsten. Viele Unternehmen machen das alles schon über das Internet. In Australien führen wir beispielsweise jeden einzelnen Tag Online- und Videositzungen durch.

Die Herausforderung ergibt sich dann, wenn man ein Projekt erstellt und eine Gruppendiskussion führen will, bei der man Bemerkungen in einem Entwurf des Komitees überprüft, oder ein Dokument vorliegen hat, über das intensive Diskussionen erforderlich sind. Das ist nicht nur Routine. Sitzungs- und Projektleiter müssen gute persönliche Fähigkeiten haben. Wie läuft das online ab? Bilden wir mehrere kleine Gruppen? Wenn ein nationales Komitee beispielsweise eine Reihe von Gesprächspunkten zu einem bestimmten Entwurf hat, treffe ich mich erst mit den Mitgliedern? In einer größeren Gruppe kann es passieren, dass diese Mitglieder sich nicht zu Wort melden und ein anderes Land die Diskussion anführt.

Es kann also sein, dass wir die Struktur der Sitzungen ändern und ich bin überzeugt, dass wir dieses Jahr noch viel dazulernen werden. Ich bin gespannt, was das alles sein wird. Wir müssen uns aber vor allem um unsere Mitglieder kümmern. Genau das habe ich auch meinem TC 106 noch kurz vor unserem Treffen geschrieben. Wir sind eine virtuelle Familie. Wir müssen dabei jeden Einzelnen einbeziehen und uns gegenseitig unterstützen.


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IEC e-Tech: Wie genau sieht dieses „gegenseitige Unterstützen“ in der Praxis aus?

Wood: Wenn man sich die IEC und die Experten ansieht, finden sich darunter Mitarbeiter von Regulierungsbehörden, Prüfstellen, außerdem Bedienpersonen und auch Personen aus dem wissenschaftlichen Bereich. Wir haben unterschiedliche Hintergründe, aber wir sind eine globale Familie. In den letzten Sitzungen war jeder einzelne Kontinent vertreten. Dieser Tatsache muss man Respekt zollen. Wir alle machen unterschiedliche Erfahrungen mit den Lockdowns und den Problemen, die COVID-19 mit sich bringt. Unsere Emotionen sind unterschiedlich. Manchmal wache ich morgens auf und frage mich, was gerade in der Welt passiert. Es dauert eine Weile, bis ich begreife, was tatsächlich gerade vor sich geht. In Australien haben wir mit unserer aktuellen Situation wirklich Glück. Dann blicke ich in die USA oder nach Europa, wo die Situation eine völlig andere ist.

Wenn man dann mit den Menschen spricht, merkt man, dass manche einfach nur deprimiert sind, dass sie ihre Wohnung nicht verlassen können und ihre Familien nicht sehen dürfen. Bei unseren virtuellen Sitzungen müssen wir aber nicht ausschließlich über technische Inhalte sprechen. Wir können diese Gespräche auch kurz unterbrechen und die Teilnehmer fragen, wie es ihnen geht. Wir können ein völlig losgelöstes Gespräch führen und uns nach ihrem Wohlergehen erkundigen. Wir haben eine familiäre Bindung zu ihnen. Das ist für mich wahrscheinlich das Wichtigste.

Wenn wir den Menschen bei dieser Herausforderung helfen, dann wollen sie auch Teil der laufenden Diskussionen sein. Manche sagen vielleicht auch, dass sie die Arbeit auf freiwilliger Basis machen und sich etwas zurücknehmen müssen. Und das ist dann auch verständlich, doch wie können wir sie hier unterstützen?

Unsere IEC-Familie steht an erster Stelle. Außerdem sollten wir nicht versuchen, so viel Arbeit zu schaffen wie in unseren normalen Sitzungen, sondern uns auf die machbaren Aufgaben konzentrieren und diese priorisieren. In manchen Fällen erreichen wir so vielleicht sogar mehr! Sitzungsleiter müssen umdenken und sich überlegen, wie sie ihre Projekte unter den gegebenen Umständen umsetzen können. Vielleicht hat man nicht auf alle Fragen eine Antwort, doch dann kann man sich einfach an einen anderen Sitzungsleiter wenden. Wir, die Vorsitzenden der Technischen Komitees und andere Vorsitzende von Arbeitsgruppen, sind in der Lage, uns diese Informationen zunutze zu machen und anderen zur Verfügung stellen.


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